# taz.de -- Forderung Berliner Politiker: Kippt das Demo-Verbot? | |
> Bislang wurde wegen Corona jeder Protest pauschal unterbunden. Jetzt | |
> fordern Berlins Koalitionspolitiker das Versammlungsverbot | |
> nachzujustieren. | |
Bild: Protest am Aktionstag für die Geflüchteten aus den griechischen Lagern | |
BERLIN taz | Die [1][Kritik an pauschalen Versammlungsverboten] durch die | |
Coronaverordnung, auch für politische Kundgebungen, beschäftigt die | |
Koalition. Vor allem innerhalb der Grünen und Linken ist man nicht | |
glücklich über die [2][Ereignisse vom Sonntag], als die Polizei Aktionen | |
für die in griechischen Lagern eingesperrten Flüchtlinge unterband und | |
dabei auch gegen Einzelpersonen und einen Autokorso vorging. Dutzende | |
Personen wurden kontrolliert und müssen mit Bußgeldern und Verfahren | |
rechnen. | |
In der Eindämmungsverordnung heißt es: „Für Versammlungen unter freiem | |
Himmel von bis zu 20 Teilnehmenden kann die Versammlungsbehörde in | |
besonders gelagerten Einzelfällen auf Antrag Ausnahmen (...) zulassen.“ Das | |
ist bislang aber nicht Praxis. Stattdessen wurde etwa die angemeldete | |
Versammlung der Seebrücke am Brandenburger Tor untersagt, ohne ein Gespräch | |
mit dem Anmelder zu suchen. | |
Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, fordert im Gespräch | |
mit der taz: „Die Versammlungsbehörde sollte in jedem Einzelfall prüfen, ob | |
ein politischer Protest genehmigt werden kann, auch über 20 TeilnehmerInnen | |
hinaus.“ Lux, der an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Seminare für | |
Polizisten in Versammlungsrecht gibt, sagt: „Das Grundrecht auf | |
Versammlungsfreiheit ist so elementar, dass keine Verordnung darüber stehen | |
kann.“ | |
Einschränkungen aufgrund des Infektionsschutzes seien jedoch „zulässig und | |
auch geboten“. Möglich ist etwa, Teilnehmenden einer Kundgebung einen | |
Mindestabstand oder das Tragen von Atemmasken vorzuschreiben. In Anlehnung | |
an das Brokdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur | |
Versammlungsfreiheit erinnert Lux daran, dass ein Verbot „nur das letzte | |
Mittel sein kann“; vorher sei „stets die Kooperation zu suchen“. | |
## Druck wächst vor dem 1. Mai | |
Auf Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Justizsenator Dirk Behrendt | |
(Grüne) wächst der Druck, die bisherige restriktive Linie zu verändern, | |
auch aufgrund des bevorstehenden 1. Mai. Die Vorbereitungsgruppen der | |
Autonomen 18-Uhr-Demo haben [3][angekündigt, sich ihren Protest nicht | |
nehmen zu lassen], in welcher Form auch immer. Sollten Tausende mit | |
Schutzmasken auf die Straßen gehen, wäre das ein Dilemma: Reagiert die | |
Polizei deeskalierend, ohne das Verbot zu verfolgen, oder versucht sie die | |
Ansammlung aufzulösen – in beiden Fällen wäre der politische Schaden da. | |
Der Linken-Innenpolitiker Niklas Schrader sagt: „Am besten wäre es, die | |
Coronaverordnung zu ändern.“ So sind etwa in Bremen grundgesetzlich | |
geschützte politische Versammlungen vom allgemeinen Versammlungsverbot | |
ausgenommen. Hamburg hat seine Verordnung jüngst angepasst und eine | |
Ausnahmeregelung hinzugefügt – ohne Beschränkung auf 20 TeilnehmerInnen. | |
„Mit entsprechenden Vorkehrungsmaßnahmen können Versammlungsrecht und | |
Infektionsschutz in Einklang gebracht werden“, so Schrader. Den | |
Linken-Senatoren sei das Problem der restriktiven Auslegung bewusst. Lux | |
bestätigt, dass dies auch für Behrendt und Geisel gelte. Eine Anpassung der | |
Coronaverordnung durch den Senat scheint demnach möglich. | |
8 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Corona-und-Demonstrationsrecht/!5674623/ | |
[2] /Proteste-fuer-Gefluechtete/!5673520/ | |
[3] /Politische-Bewegungen-in-Corona-Zeiten/!5674569&s=Litschko/ | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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