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# taz.de -- Afrikas Umgang mit dem Coronavirus: Wo Afrika vorne liegt
> Beim Coronavirus ist nicht mehr Afrika der Seuchenherd, sondern Europa.
> Afrikas Regierungen reagieren auch schneller auf die Gefahr als
> europäische.
Bild: Mitarbeiter der Coronavirus-Isolationsstation des Krankenhauses von Mbaga…
Reisen aus Europa nach Afrika haben immer eine medizinische Komponente. Die
Gelbfieber-Impfung ist in den meisten Ländern Pflicht, zusätzliche
tropenmedizinische Vorsorgemaßnahmen sind oft geboten. Nur die wenigsten
dürften sich nie darüber Gedanken gemacht haben, wie sie sich auf
Afrikareisen gegen Malaria schützen. Umgekehrt benötigen Afrikaner – und
nicht nur sie – zur Einreise in den europäischen Schengenraum eine
Reisekrankenversicherung, die wiederum Gesundheitschecks voraussetzt.
Afrika ist im europäischen Blick auf die Welt ein Seuchenherd. Tödliche
Krankheiten wie Aids und Ebola bestätigen und verstärken in vielen Köpfen
dieses Weltbild.
Jetzt dreht sich der Spieß um. Mit dem Coronavirus ist [1][nicht Afrika der
Seuchenherd, sondern Europa]. In ganz Afrika gab es bis Sonntagmittag
gerade mal 302 bestätigte Corona-Infektionen, davon ganze 111 in
afrikanischen Staaten südlich der Sahara. Es gibt sechs Tote, alle in
Nordafrika – in Ägypten, Algerien und Marokko. Südlich der Sahara ist die
erste Infektion in einem Land fast immer nachweislich von Einreisenden aus
Europa eingeschleppt worden, seltener aus den USA, China und arabischen
Ländern; das spricht gegen eine hohe Dunkelziffer.
Reisende aus Ländern wie Deutschland und Frankreich, Italien und Spanien
sind jetzt in Afrika Risikofälle. Sie müssen in Quarantäne oder häusliche
Isolation, sofern man sie überhaupt hereinlässt.
Das heißt nicht, dass man in Afrika denkt, Abschottung genügt. Im Internet
kursieren natürlich alberne Theorien, wonach Schwarze gegen das Virus immun
oder zumindest besser geschützt seien als Weiße. Der einfachste
Corona-Witz, wonach ein Virus aus China vermutlich nicht lange hält, hat
auch längst Afrika erreicht, auch in seiner abgewandelten ernsthaft
gemeinten Form, wonach das heiße afrikanische Klima ihn abtöten wird.
Simbabwes Verteidigungsminister hielt es am Samstag für angebracht, auf
einer öffentlichen Versammlung das Coronavirus als „Strafe Gottes“ für
Europa und die USA wegen deren Sanktionen gegen Simbabwe zu bezeichnen; den
Verbündeten China erwähnte er nicht. In Nigeria wird diskutiert, ob das
Coronavirus die christlich-fundamentalistischen Prophezeiungen des
Weltuntergangs bestätigt.
## Drastische Einschränkungen
Doch was das Handeln zum Schutz der Bevölkerung angeht, sind die meisten
afrikanischen Regierungen routinierter und entschlossener als europäische.
Viele verfügen schon ab dem ersten bestätigten Corona-Fall, wenn nicht
sogar vorher, drastische Einschränkungen des öffentlichen Lebens.
Madagaskar (keine Fälle) stellt für 30 Tage alle Flugverbindungen nach
Europa ein. Ruanda (ein Fall) schließt ab sofort alle Schulen und Kirchen.
Kenia (ein Fall) lässt ein 25-köpfiges Team alle Kontaktpersonen der bei
der Rückkehr aus den USA als infiziert gemeldeten Person aufspüren und
unter Quarantäne stellen. Senegal (24 Fälle) sagt die Feiern zum
Unabhängigkeitstag ab.
Natürlich ist all dies auch von der Sorge getrieben, dass das Virus, wenn
es sich einmal festsetzt, [2][in Afrika mangels allgemeiner
Gesundheitsversorgung] noch viel verheerender wüten könnte als anderswo.
Doch herrschte international zu Beginn der Coronavirus-Ausbreitung noch die
Sorge, Afrika sei am schlechtesten gerüstet, zeigt sich jetzt, dass die
gesammelten Erfahrungen mit anderen Seuchen viel gebracht haben.
Eine Malariainfektion wird in Afrika meist schneller erkannt und behandelt
als in Europa. [3][Der Kampf gegen Ebola,] das um ein Vielfaches tödlicher
ist als die vom Coronavirus verursachte Atemwegserkrankung Covid-19,
erfordert um ein Vielfaches schärfere Maßnahmen: Sierra Leones Hauptstadt
Freetown wurde im September 2014, zum Höhepunkt der großen
westafrikanischen Ebola-Epidemie, unter eine komplette ausnahmslose
Ausgangssperre gestellt, damit medizinische Teams alle Häuser und ihre
Bewohner desinfizieren konnten. Während das Coronavirus global wütet, ist
in der Demokratischen Republik Kongo gerade die zweitgrößte Ebola-Epidemie
der Weltgeschichte nach über 2.500 Toten erfolgreich besiegt worden. Nicht
Europäer haben das geleistet, sondern lokales Gesundheitspersonal mit einem
heroischen und riskanten Einsatz für die Bevölkerung.
## Lehren aus der Ebola-Epidemie
Macht das Coronavirus Afrika zum Vorbild für die Welt? Ein solches Urteil
wäre zumindest verfrüht. Aber das Coronavirus stößt überfällige Debatten
an. Afrika besinnt sich jetzt endlich auch im Gesundheitsbereich auf sich
selbst. Vielfach wird gelästert: Jetzt können unsere korrupten Führer und
Eliten nicht mehr bei jeder Gelegenheit sich selbst und ihre Familien nach
Europa zum Arzt fliegen, wie sie es sonst gern tun – vielleicht kümmern sie
sich jetzt endlich mal um gute medizinische Versorgung im eigenen Land.
Eine Lehre aus Ebola ist auch: Kurzfristige Notprogramme nützen langfristig
nichts, wenn die Menschen ansonsten keine verlässliche ärztliche Versorgung
haben. Dass die Weltgesundheitsorganisation 20 Millionen US-Dollar
Hilfsgelder fordert, um nach dem Ende der Ebola-Epidemie im Kongo die
Überlebenden weiter zu überwachen, stößt sauer auf, wenn im Kongo
gleichzeitig das Geld zum Kampf gegen Cholera und Masern fehlt.
Die Welt ist voll mit hochqualifizierten afrikanischen Ärzten, die im
eigenen Land nicht vernünftig arbeiten können. Zugleich gehört der Ruf nach
einem universellen staatlichen Gesundheitswesen mittlerweile zum Standard
afrikanischer Politik. Irgendwann wird ein erfolgreicher afrikanischer
Staatschef herausfinden, wie man diese beiden Puzzleteile der
Gesundheitspolitik zusammenfügt. Die aktuelle Krise katapultiert dieses
Thema in der politischen Agenda weit nach oben. Vielleicht ist das
Coronavirus Vorbote eines neuen Afrika, das bei der Versorgung und beim
Schutz der eigenen Menschen tatsächlich auf eigenen Füßen steht.
16 Mar 2020
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## AUTOREN
Dominic Johnson
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