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# taz.de -- Prophet gegen Coronavirus: T.B. Joshua hat sich geirrt
> In Nigeria prophezeite einer der bekanntesten Pfingstkirchenführer das
> Ende des Coronavirus für vergangenen Freitag. Es kam anders.
Bild: T.B. Joshua im Dezember 2014
Cotonou taz | Der Applaus in der Kirche SOCAN (The Synagogue, Church Of All
Nations) in der nigerianischen Megastadt [1][Lagos] war laut und lang.
Während eines mehrstündigen Gottesdienstes verkündete der Gründer der
Kirche, Prophet T.B. Joshua, dass die Corona-Pandemie am 27. März zu Ende
gehen werde. Das war vor mehreren Wochen. Mitte März betonte Joshua erneut
in einem Facebook-Post, dass man jetzt nur noch die Auswirkungen sehe. Das
echte Virus habe sich längst verzogen.
Der 27. März kam und ging, aber das Coronavirus ist noch da. Am Montag
abend hat Präsident Muhammadu Buhari über Nigerias Hauptstadt Abuja, das
riesige Lagos sowie den angrenzenden Bundesstaat Ogun totale
Ausgangssperren verhängt, die den Alltag komplett stillstehen lassen
sollen. Vorerst sollen sie zwei Wochen lang gelten.
Am Dienstagmittag hat das Land zwar erst 135 bestätigte Fälle, zwei
Menschen sind an den Folgen gestorben – aber das über 180 Millionen
Einwohner zählende Nigeria will keinesfalls auf eine unkontrollierte
Pandemie warten, um harte Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen.
Dennoch haben Propheten wie T.B. Joshua in Nigeria Hochkonjunktur. Der
56-Jährige, der öffentlich nie unter seinem vollen Namen Temitope Balogun
Joshua firmiert und eigenen Angaben zufolge aus armen Verhältnissen kommt,
hat sich seit Mitte der 1980er Jahre ein Kirchenimperium aufgebaut, dessen
Wert das Magazin Forbes bereits im Jahr 2011 auf 10 bis 15 Millionen
US-Dollar schätzte.
## Propheten-Portraits in Polit-Büros
Der Geschäftsplan ist einfach: Joshua propagiert, Menschen von schweren
Krankheiten zu heilen. Vor laufender Kamera bringt er dann Lahme wieder auf
die Beine und zaubert Zertifikate hervor, die negative HIV-Tests
bestätigen. Die Mitarbeiter*innen passen auf, dass Journalist*innen nicht
zu kritische Nachfragen stellen oder gar mit Kirchenbesucher*innen ins
Gespräch kommen.
Eine weitere Säule bilden Charity-Aktivitäten. Witwen, die oft sozial
benachteiligt werden, sind beliebte Almosen-Empfängerinnen. Medial bereitet
das der 2006 gegründete Sender Emmanuel TV auf und dokumentiert alles, was
der Prophet macht.
Außerdem sorgt Emmanuel TV dafür, dass Joshua weltweit Anhänger*innen hat.
Egal ob in Ghana oder Liberia: Die Porträts des Propheten hängen in vielen
Büros und Privathäusern – häufig auch solchen von Politiker*innen.
Besonders hoch ist der Beliebtheitsgrad des Nigerianers in Südafrika. Das
wurde im September 2014 allerdings 84 Südafrikaner*innen zum Verhängnis. In
Lagos [2][stürzte ein Kirchengebäude ein], zu dem auch ein Hotel für die
Pilger*innen aus Ländern wie Südafrika gehörte. 115 Menschen starben
insgesamt. Der Prozess wurde mehrfach verschoben.
## Verbot von Gottesdiensten
An seiner Beliebtheit hat das nichts geändert. In Nigeria äußert sich
vermutlich kein anderer Pastor so oft mit Prophezeiungen wie T.B. Joshua.
Oft sind es Handlungsanweisungen an die nigerianische Regierung – etwa mehr
in die Landwirtschaft zu investieren –, denen man problemlos zustimmen
kann.
Meist liegt der Prophet jedoch daneben. 2016 wurde nicht Hillary Clinton in
den USA zur Präsidenten gewählt, Nigerias Südostregion [3][Biafra] ist noch
immer kein eigener Staat – und das Coronavirus ist weiterhin
allgegenwärtig.
So allgegenwärtig, dass in Lagos Gottesdienste schon längst verboten sind.
Wo sonst könnte sich das Virus schließlich besser ausbreiten als in einer
Kirche, in der tausende Menschen dicht gedrängt beieinandersitzen?
1 Apr 2020
## LINKS
[1] /Kampf-gegen-Verdraengung-in-Lagos/!5575538/
[2] /!5032581/
[3] /50-Jahre-Kriegsende-in-Nigeria/!5652495/
## AUTOREN
Katrin Gänsler
## TAGS
Nigeria
Kirche
Schwerpunkt Coronavirus
Südafrika
taz-Serie Sexuelle Gewalt
Schwerpunkt Coronavirus
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Lesestück Recherche und Reportage
Afrobeat
Nigeria
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