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# taz.de -- Kircheneinsturz in Nigeria: Der Trümmerhaufen des Propheten
> Beim Einsturz eines Kirchhauses in Lagos wurden 84 Südafrikaner getötet.
> Das Unglück belastet das Verhältnis zwischen Afrikas Großmächten.
Bild: Zerstört: das Gästehaus der „Synagogue, Church Of All Nations“.
JOHANNSEBURG taz | Große Aufregung herrscht in Südafrika, nachdem sich
herausgestellt hat, dass der Zusammenbruch eines kirchlichen Gästehauses in
der nigerianischen Metropole Lagos nun bereits 115 Todesopfer gefordert
hat, darunter 84 Südafrikaner. Südafrikas Justizminister Jeff Radebe rief
am Dienstag die stark kritisierte Regierung in Nigeria auf, die Tragödie
genau zu untersuchen.
Das Unglück ereignete sich bereits am 12. September, aber sein volles
Ausmaß wurde erst in den letzten Tagen deutlich. Die südafrikanischen
Anhänger einiger Kirchengruppen waren zu Besuch bei dem populären
nigerianischen Prediger T. B. Joshua, als das dreistöckige Haus einstürzte.
Hilfsorganisationen sind derzeit vor Ort, um Tote aus den Trümmern zu
bergen und Verletzte zu versorgen. Südafrika hat ein Spezialflugzeug mit
Ärzten an Bord nach Nigeria gesandt. 25 Überlebende sind bereits in ihre
südafrikanische Heimat zurückgekehrt; viele andere sind schwer verletzt.
Für Südafrika ist es der größte luftgestützte Hilfseinsatz seit Beginn der
Demokratie vor zwanzig Jahren.
Der Nigerianer Temitope Balogun Joshua leitet die Pfingstkirche „The
Synagogue, Church Of All Nations“ (SCOAN). Auf ihrer Webseite verspricht
sie, 2014 werde ein Jahr „wie kein anderes Jahr der Geschichte“. Joshua,
weltweit bekannt als „der Prophet“ und „Mann Gottes“, rühmt sich, Mens…
durch Handauflegen heilen zu können und selbst Tote auferstehen zu lassen.
Der 51-Jährige hat den Einsturz seiner Kirchenunterkunft auf ein kleines
mysteriöses Flugzeug zurückgeführt, das angeblich kurzzeitig über dem
Gebäude kreiste, bevor es herunterstürzte. Er bezeichnet das als einen
Anschlag auf sein Leben.
## „Märtyrer des Glaubens“
Auf im Internet kursierenden Videos des Einsturzes ist tatsächlich ein
Flugzeug zu sehen, das über dem großen mehrstöckigen Gebäude fliegt, doch
ist kein Zusammenhang mit dem Einsturz ersichtlich, der nur wenige Sekunden
brauchte. Nothelfer sehen einen möglichen Grund dafür eher in dem Aufbau
eines zusätzlichen Stockwerkes, ohne die Fundamente zu verstärken.
Am Wochenende erklärte der Prediger, er werde nach Südafrika reisen und die
Familien der Opfer sprechen. Er nannte sie auf seiner Facebook-Seite
„Märtyrer des Glaubens“, aber genau das hat ihm die Wut der Südafrikaner
zugezogen. Es mehren sich jetzt Forderungen, ihm die Einreise zu verbieten.
Das Desaster hat die Beziehungen zwischen den beiden, wirtschaftlich
mächtigsten Staaten Afrikas getrübt. Südafrikas größte Oppositionspartei DA
(Demokratische Allianz) will die Regierung dazu bringen, gegen den Prediger
und seine Kirche eine Sammelklage im Namen der Opfer einzureichen.
Rettungskräfte hatten berichtet, Kirchenmitglieder hätten sie bei den
Bergungsarbeiten behindert, sodass sie den Menschen unter den Trümmern
nicht schnell genug helfen konnten.
In Südafrika wird auch das Verhalten der nigerianischen Regierung als
zögerlich bewertet. Präsident Goodluck Jonathan versprach nach einem Besuch
der Unfallstelle am Sonntag zwar, mit Experten in der Bauindustrie zu
sprechen, um Klarheit zu erhalten. Doch Kommentatoren aus Nigeria
behaupten, die Kirchenführer dort seien so einflussreich, dass kaum ein
Politiker es wage, sie zu verärgern.
23 Sep 2014
## AUTOREN
Martina Schwikowski
## TAGS
Nigeria
Südafrika
Unglück
Schönheitswettbewerb
Nigeria
Homophobie
Konklave
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