# taz.de -- Terror in Nigeria: Angst vor dem Religionskrieg | |
> Nach neuen Drohungen der radikalen Islamistensekte Boko Haram bringen | |
> sich Christen und Südnigerianer im Norden in Sicherheit. Manche drohen | |
> mit Vergeltung. | |
Bild: Diese Frauen beweinen die Opfer der Anschläge auf Kirchen zu Weihnachten. | |
COTONOU taz | Massenweise verlassen Menschen Nordnigeria oder kommen nach | |
dem Weihnachtsurlaub gar nicht zurück. Sie befürchten neue Anschläge der | |
islamistischen Sekte Boko Haram. Die hatte am Montagnachmittag alle | |
Christen und Südnigerianer aufgefordert, den muslimisch geprägten Norden | |
des Landes zu verlassen. Diese Aufforderung - verbunden mit einem | |
dreitägigen Ultimatum - gilt nicht nur als Muskelspiel. | |
"Die Lage ist wirklich ernst", bewertet der Journalist Ahmed Salkida die | |
Lage. Er hat lange in Maiduguri gelebt, der mehrere Millionen Einwohner | |
zählenden Hauptstadt des nordostnigerianischen Bundesstaates Borno und Sitz | |
des Hauptquartiers von Boko Haram. Salkida hat bereits vor ein paar Wochen | |
die Koffer gepackt und ist mit seiner Familie in die Hauptstadt Abuja | |
gegangen. | |
Er wollte sie in Sicherheit wissen. Auffällig sei, so der | |
Boko-Haram-Kenner, dass es in den vergangenen Tagen keine großen Angriffe | |
mehr gegeben hat. Es sei gewissermaßen die Ruhe vor dem Sturm. "Boko Haram | |
ist längst nicht mehr nur ein Problem in Maiduguri und Borno. Es betrifft | |
den ganzen Norden, aber auch die Hauptstadt", sagt der Journalist. | |
## Ausnahmezustand in vier Bundesstaaten | |
Das weiß auch Nigerias Regierung. Gleich über vier Bundesstaaten verhängte | |
sie am vergangenen Wochenende den Ausnahmezustand: Borno sowie Teile von | |
Yobe, Niger und Plateau. In Plateau war es am Weihnachtsfeiertag zu | |
schweren Anschlägen auf christliche Kirchen gekommen, bei denen mindestens | |
44 Menschen ums Leben kamen. Für Sicherheit sollen nun eine Schließung der | |
Grenzen zu Nachbarländern und ein verstärkter Einsatz von Soldaten und | |
Polizisten sorgen. Das könnte der Auslöser für das Boko-Haram-Ultimatum | |
gewesen sein. | |
Parallel zum Ausnahmezustand versucht die Regierungspartei PDP (Peoples | |
Democratic Party) allerdings, die angespannte Lage herunterzuspielen. In | |
seiner Neujahrsbotschaft versuchte Parteisprecher Rufai Alkali, Mut zu | |
machen: "Die Situation wird sich bald wieder ändern", sagte er. "Unsere | |
Nation wird dadurch nur mehr zusammengeschweißt und großartiger werden." | |
Das klingt nach Hohn und Spott für Menschen, die jeden Tag in Angst leben. | |
Einer von ihnen ist Priester Peter Ebidero. Der katholische Geistliche ist | |
in der nordnigerianischen Millionenstadt Kano groß geworden und beobachtet | |
mit Entsetzen die Entwicklung. "Die Anspannung ist überall spürbar", | |
berichtet er, obwohl Kano bisher von Anschlägen verschont blieb. "Wir | |
schließen jede Tür, jedes Tor ab. Jeder, der in unsere Kirche will, wird | |
ganz genau auf verdächtige Gegenstände untersucht." | |
## Radikale Christen forderten schon vor Monaten zum Kampf gegen Muslime | |
auf | |
## | |
Eine Radikalisierung der Christen hält der Priester für das falsche Signal. | |
Doch das könnte nun passieren. So sollen bereits vor einigen Monaten in der | |
Stadt Kaduna Flugblätter radikaler Christen aufgetaucht sein, die zum Kampf | |
gegen Muslime blasen. Ayo Oritsejafo, Präsident der Christlichen | |
Vereinigung Nigerias (CAN), Dachverband der Kirchen im Land, machte | |
muslimische Führer und traditionelle Herrscher pauschal für die Anschläge | |
an Weihnachten mitverantwortlich. Sie würden den Terror nicht scharf genug | |
verurteilen. Diese Äußerung ist typisch für den Gründer der Pfingstkirche | |
"World of Life People Church". | |
Noch weiter ging Mujahid Dokubo-Asari, ehemaliger Rebellenführer in den | |
Ölgebieten des Niger-Flussdeltas: Wenn Boko Haram seine Drohungen | |
wahrmache, werde der Süden des Landes mit Waffengewalt zurückschlagen, | |
sagte er, obwohl er selbst Muslim ist: "Nigeria steht am Rande des | |
Bürgerkrieges. Das ist nur Sekunden entfernt." Aus Port Harcourt, der | |
größten Stadt im Niger-Delta, sollen Nordnigerianer bereits auf der Flucht | |
sein. | |
5 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
## TAGS | |
Nigeria | |
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