# taz.de -- Vor der Papstwahl: Afrikanischer Wojtyla gesucht | |
> Katholiken in Afrika empfanden Papst Benedikt XVI. meist als zu | |
> distanziert. Worauf hoffen sie jetzt? Besuch bei einer katholischen | |
> Familie in Burkina Faso. | |
Bild: Streng gläubige Katholiken: Claudine und Amadou Hebie aus Ouagadougou. | |
OUAGADOUGOU taz | Der große Esstisch der Familie Hebie ist für acht | |
Personen gedeckt. Neben den großen Tellern aus braunem Glas liegen weiße | |
Stoffservietten. Claudine Hebie hat den Tisch sorgfältig gedeckt. „Das | |
gemeinsame Essen kommt doch viel zu kurz im Alltag“, bedauert sie, „aber | |
mein Mann und ich haben abends oft Termine. Und die Kinder müssen | |
Hausaufgaben machen.“ Sie geht in die Küche, um die große Salatplatte zu | |
holen. Auch der Reis ist schon vorbereitet. | |
Amadou Hebie, Claudines Mann, ist allerdings noch nicht eingetroffen. Er | |
arbeitet für die Europäische Union und hat noch einen Termin. Der Fisch | |
brauche ohnehin noch ein paar Minuten, entschuldigt sich die Hausherrin. | |
Fisch an einem Freitag ist selbstverständlich für Familie Hebie. Es ist die | |
alte katholische Tradition, die daran erinnert, dass Christus an einem | |
Freitag am Kreuz gestorben ist. „Jetzt haben wir außerdem Fastenzeit. Da | |
nehmen wir es besonders genau damit“, sagt Claudine Hebie. | |
Vier Kinder hat sie, eine Verwandte hilft im Haushalt mit. Die Hebies sind | |
eine Mittelstandsfamilie in Ouagadougou, mit eigenem Haus. Stéphane Hebie, | |
der Zweitjüngste, hat Hunger, er will nicht länger auf das Abendessen | |
warten. „Vielleicht wird er ja mal Papst“, sagt seine Mutter Claudine und | |
muss lachen. Denn erst einmal muss ihr Sohn gefirmt werden. Den Unterricht | |
dafür würde er sehr genau nehmen, sagt sie. Stéphane verzichtet auf einen | |
Kommentar und verzieht sich lieber in die Küche. | |
## Spirituelle Nahrung | |
Claudine Hebie sitzt unterdessen auf der Wohnzimmercouch, ihre Augen fangen | |
an zu leuchten, wenn sie über ihren Glauben redet. In der Raummitte | |
schwirrt der Ventilator. Erst nach Sonnenuntergang werden die Temperaturen | |
aushaltbar, tagsüber ist es Anfang März in Burkina Faso oft bis zu 40 Grad | |
Celsius heiß. Claudine Hebie steht schon vor Sonnenaufgang auf. Bereitet | |
das Frühstück für die Familie vor und geht anschließend in den | |
Frühgottesdienst um 6.45 Uhr, jeden Tag. | |
Nur am Sonntag geht die ganze Familie in die Messe, dann erst um 9 Uhr. | |
Einen anderen Tagesablauf kann sich Claudine Hebie nicht vorstellen. „Ich | |
kann nicht gut in Worte fassen, was die Messe für mich bedeutet. Sie ist | |
mein Frühstück, meine spirituelle Nahrung.“ | |
Neben dem Sofa steht noch von Weihnachten die leere Krippe. Papst Benedikt | |
XVI. lächelt milde von einem Foto. „Das war ein großer Schock“, sagt sie | |
und denkt an den 11. Februar zurück, den Tag, an dem der Papst seinen | |
Rückzug verkündete. Verständnis hat sie trotzdem, er sei ja müde und krank. | |
In vielen afrikanischen Ländern ist diese Entscheidung ähnlich bewertet | |
worden – trotz der internen Probleme der katholischen Kirche, trotz der | |
anhaltenden Diskussion um das Zölibat und die Missbrauchsfälle. Stattdessen | |
ist Benedikt ein bisschen zum Star geworden. Ganz gleich ob katholischer | |
Priester oder anglikanischer Bischof: An dieser Entscheidung sollten sich | |
afrikanische Politiker ein Beispiel nehmen, lobten Kirchenvertreter aus | |
Nigeria gleich reihenweise. Afrikanische Politiker würden schließlich | |
selten freiwillig Amt und Macht abgeben. Zumindest mit dieser letzten | |
Amtshandlung hat der Papst punkten können. | |
Doch es hätte auch anders laufen dürfen. Claudine Hebie führt Papst | |
Johannes Paul II. an, der auf die Frage nach einen Rücktritt einmal | |
geantwortet habe, Christus sei doch auch nicht vom Kreuz gestiegen. An | |
Benedikts Vorgänger erinnert sich Claudine Hebie gern. Sie findet ihn nicht | |
besser als Joseph Ratzinger, zumindest sagt sie es nicht laut, das würde | |
sich Claudine Hebie nie anmaßen. Aber in der jetzigen Situation wünscht sie | |
sich einen Papst wie früher, wie Johannes Paul II. „Er hat so viel für den | |
Frieden getan und den Kontakt zu anderen Kirchen und Konfessionen gesucht. | |
Ich bete jetzt dafür, dass Gott uns einen Papst schickt, der diese | |
Friedensarbeit fortsetzt.“ | |
## Kirche ist laut, lebendig und konservativ | |
Was sie nicht sagt: Benedikt XVI. galt vielen Katholiken in Afrika als zu | |
distanziert. Ein Mann, der sich zu sehr ins Gebet und in die Wissenschaft | |
zurückzog. Kirche in Afrika ist lebendig, und manchmal – vor allem in den | |
Gottesdiensten der neuen Pfingst- und Freikirchen – fast unerträglich laut. | |
Kirche in Afrika ist aber auch konservativer als in Europa, oder anders | |
formuliert: Die Kirche in Europa ist vielen Afrikanern zu liberal. | |
In Burkina Faso gehören etwa 20 Prozent der Bevölkerung der katholischen | |
Kirche an, sie genießt damit innerhalb der christlichen | |
Glaubensgemeinschaften eine Vormachtstellung in dem ansonsten mehrheitlich | |
muslimisch geprägten Land. Die Kathedrale von Ouagadougou ist am | |
Sonntagmorgen proppenvoll. Wer nicht schon lange vor Beginn des | |
Gottesdienstes einen Sitzplatz im Kirchenschiff gefunden hat, muss sich | |
draußen irgendwo im Schatten ein Plätzchen suchen. Der Chor singt, dann | |
setzt die Gemeinde ein. Nirgendwo liegt ein Gesangbuch aus, alle können die | |
Lieder aus dem Kopf mitsingen. Der Gottesdienst erinnert noch am ehesten an | |
das, was man aus Europa kennt. Die Liturgie ist gleich, dauert aber länger. | |
Und niemand fordert die Besucher auf, möglichst viel Geld zu spenden. | |
Niemand spricht stundenlang über einen einzigen Psalm oder hängt an jeden | |
zweiten Satz ein bedrohlich klingendes Halleluja. Ähnlich wie bei den | |
vielen Freikirchen – gerade in den anglofonen Ländern Nigeria und Ghana – | |
ist das so üblich und extrem attraktiv. | |
Vor allem dort laufen der katholischen Kirche die Mitglieder weg. Egal mit | |
welcher Inbrunst im Gottesdienst gesungen wird, ihnen fehlt das | |
Charismatische, das Spirituelle, das die Freikirchen bieten. „Ein Katholik | |
hat mir gesagt, dort würde er das finden, was er in der katholischen Kirche | |
immer vermisst hat“, berichtete kürzlich ein nigerianischer Priester, der | |
sich nicht mit Namen zitieren lassen möchte. Dabei wies er auf eine der | |
neuen Pfingstkirchen, die schräg gegenüber seiner Kirche errichtet worden | |
war. Ein riesiger, geradezu protziger Bau. „Dort gehen sie jetzt hin“, | |
sagte er säuerlich. | |
## Beten für ein Auto | |
Neuerdings versucht die katholische Kirche in Nigeria, mit Betkreisen | |
dagegenzuhalten, die mehr Charisma entfalten sollen. Aber ohnehin kommt zur | |
spirituellen Ebene oft noch eine pragmatische Seite hinzu. In den | |
Freikirchen in Nigeria wird oft für materielle Dinge gebetet: einen Job, | |
ein neues Auto. Namen wie Winner’s Chapel sprechen dafür. | |
Ausgerechnet aus Nigeria und Ghana kommen nun zwei mögliche Papst-Anwärter. | |
Allerdings ist der nigerianische Kardinal Francis Arinze mit seinen 80 | |
Jahren eher zu alt. Wenn überhaupt ein Afrikaner in die engere Auswahl | |
kommen sollte, dann wäre das wohl der ghanaische Kardinal Peter Turkson. | |
Seit dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. wird er vor allem im eigenen | |
Land als extrem geeigneter Kandidat verkauft, obwohl das die Kardinäle im | |
Vatikan wenig beeindrucken dürfte. Ebenso wenig wie, dass Turkson als | |
ausgesprochen homophob gilt. | |
## Einer wie Obama | |
Claudine Hebie würde sich trotzdem über Turkson freuen. Fiele die Wahl auf | |
ihn, wäre es wenigstens jemand aus einem afrikanischen Land. Wie hoch | |
Turksons Chancen sind, weiß sie nicht. „Ob die Zeit dafür schon reif ist?�… | |
fragt sie vorsichtig. Andererseits macht ihr das Beispiel von Barack Obama | |
Mut: Auch ein Kandidat mit dunkler Hautfarbe habe also Chancen. | |
Doch egal wer Papst wird: Claudine Hebie will ihrer Kirche treu bleiben. | |
„Früher hätte ich gesagt, ich bin Katholikin, weil meine Eltern es schon | |
waren“, sagt sie, nachdem sie ihren Mann Amadou begrüßt hat. „Heute weiß | |
ich, dass ich dahinterstehe.“ Sie steht auf, um aus der Küche den | |
zubereiteten Fisch zu holen. Als sie mit dem Topf zurückkommt, fällt ihr | |
aber noch etwas ein, das sie sich von ihrer Kirche wünscht. | |
Mehr Respekt, mehr Inbrunst, mehr Leidenschaft. „Manchmal habe ich das | |
Gefühl, dass die Menschen im Gottesdienst nicht ernst genug bei der Sache | |
sind“, sagt Claudine Hebie. Auf eine Diskussion über das Zölibat, pädophile | |
Priester oder gleichgeschlechtliche Liebe will sie sich nicht einlassen. | |
Das sind ihr sichtlich unangenehme Themen. Ob sie denn an der katholischen | |
Kirche etwas zu kritisieren habe? Kopfschütteln. „Mir steht es nicht zu, | |
Änderungen innerhalb der Kirche zu fordern.“ | |
12 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
## TAGS | |
Konklave | |
Afrika | |
Burkina Faso | |
Benedikt XVI. | |
Nigeria | |
Papst | |
Papstwahl | |
Papstwahl | |
Papst | |
Papst | |
Papst | |
Papst | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kircheneinsturz in Nigeria: Der Trümmerhaufen des Propheten | |
Beim Einsturz eines Kirchhauses in Lagos wurden 84 Südafrikaner getötet. | |
Das Unglück belastet das Verhältnis zwischen Afrikas Großmächten. | |
Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen: Wunder soll Gläubige geheilt haben | |
Acht Jahre nach seinem Tod wird der frühere Kirchenvater in den Stand eines | |
Heiligen erhoben. Sein argentinischer Nachfolger ehrt auch Johannes XXIII. | |
Wahl des Papstes: Don't cry for me Argentina | |
Die Kardinäle haben sich auf einen Nachfolger von Benedikt XVI geeinigt. Es | |
ist der Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Bergoglio. Programmatisch nennt | |
er sich Franziskus I. | |
Wahl des neuen Papstes: Quaeremus Papam – wir suchen noch | |
Es begann mit einem kräftigen Donnerwetter und endete mit schwarzem Rauch. | |
Erstmal. Der erste Tag der Papstwahl ist ohne Ergebnis zu Ende. | |
Irre Papst-Wahl: Schönstes Wahllokal der Welt | |
„Extra omnes!“, „alle raus!“ – mit diesen Worten beginnt am Dienstag … | |
der seltsamsten Wahlveranstaltungen: die Suche nach einem neuen Papst. | |
Papstwahl im Internet: Favoriten chancenlos | |
Eine kanadische Internetplattform lässt Nutzer über den Papst abstimmen. | |
Das Experiment zeigt, dass italienische Kardinäle nicht sonderlich populär | |
sind. | |
Kurz vor dem Konklave: Ein Hauch von Demokratie | |
Die Auswahl des nächsten Papstes soll am Sonntag beginnen. Neu ist: | |
Allianzen und Absprachen müssen schneller erfolgen als bei anderen | |
Konklaven. | |
Joseph Ratzingers Erbe: Schluss mit heilig | |
Papst Benedikt XVI. hat in seiner Amtszeit vieles falsch gemacht. Mit | |
seinem Rücktritt aber zeigt er der katholischen Kirche einen Weg ins 21. | |
Jahrhundert. |