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# taz.de -- Flüchtlinge an der griechischen Grenze: Kind ertrinkt, Polizisten …
> Der „Schutz“ der EU-Grenze fordert ein Leben. Maskierte „Bürgerwehren�…
> Griechenland greifen Flüchtlinge, NGOs und Journalisten an.
Bild: Flüchtlinge verlassen nach ihrer Ankunft am Montag in Skala Sikaminas au…
Berlin taz | An der türkisch-griechischen Landgrenze haben am Montag erneut
[1][tausende Menschen versucht, in die EU zu gelangen]. Teils bewegten sich
die Menschen in größeren Gruppen auf die Grenzlinie zu und schwenkten weiße
Fahnen. Berichten zufolge waren weniger Menschen vor Ort als am Wochenende.
Die griechische Polizei setzte Tränengas ein, um sie zurückzudrängen.
Bauern parkten Traktoren in langen Reihen parallel zur Grenze, [2][um
Flüchtlinge abzuwehren]. Nach Angaben der griechischen Regierung gelang es
lediglich einigen Dutzend Menschen, durch die Grenzzäune zu kommen oder
durch den Grenzfluss Evros zu waten.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte am Montag, er werde die
Grenzen weiter offen halten. Es sei nun an der EU, ihren „Teil der Last“ zu
tragen. „Hunderttausende“ Flüchtlinge hätten sich seit der Grenzöffnung …
den Weg Richtung Europa gemacht, „bald werden es Millionen sein“, so
Erdoğan. Diese Zahlen scheinen stark übertrieben zu sein.
Verschiedene Medien, darunter die BBC, berichteten, dass am Montag der aus
Aleppo stammende 24-jährige Ahmed Abu Emad von griechischen Grenzpolizisten
in den Hals geschossen und getötet wurde. Im Netz kursieren Fotos und
Videos, die seine Leiche zeigen sollen. Eine offizielle Bestätigung gibt es
für den Vorfall aber nicht. Die griechische Regierung sprach von
„türkischer Propaganda“.
Offiziell bestätigt hingegen ist der Tod eines Kindes in der Ägäis. Es
starb, als ein Boot mit 48 Menschen auf dem Weg von der türkischen Küste
zur griechischen Insel Lesbos kenterte.
## Mindestens ein Toter
Zuvor war türkischen Medien ein am Montag aufgenommenes [3][Video]
zugespielt worden, auf dem zu sehen ist, dass die griechische Küstenwache
ein Flüchtlingsboot erst bedrängt und dann in die unmittelbare Nähe des
Bootes ins Wasser schießt.
Gleichzeitig berichtete das griechische Staatsfernsehen, dass Einheiten der
griechischen Armee am Montag auf den Inseln im Osten der Ägäis und am Evros
Schießübungen durchführten. Diese sollen dem Bericht zufolge der
Abschreckung dienen.
Auch auf den Inseln war die Lage am Montag höchst angespannt. Flüchtlinge
im Lager Moria auf Lesbos protestierten mit Bannern mit Aufschriften wie
„Wir sind keine Häftlinge“. Die Polizei beschoss sie mit Tränengas.
Ärzte und andere Helfer von NGOs hatten sich Berichten zufolge wegen
Angriffen durch rechte Bürgerwehren am Wochenende zurückgezogen. Die
Bürgerwehren blockierten am Montag weiter die Zufahrtsstraße zum Lager,
damit keine neuen MigrantInnen dorthin gebracht werden können.
## Journalisten und NGOs atackiert
Deutsche Journalisten [4][berichteten], am Montag auf Lesbos von Maskierten
mit Stöckern und Steinen beworfen worden zu sein.
Auch das Berliner NGO-Schiff „Mare Liberum“, das in der Ägäis die
Menschenrechtssituation für Geflüchtete beobachtet, wurde nach eigenen
Angaben von Rechtsextremen [5][attackiert]: „Unsere Besatzung wurde von
einem Mob von Faschisten angegriffen, während die #MARELIBERUM in Skala
Loutron, #Lesvos, angedockt war. Sie schrien, bedrohten uns und schütteten
Benzin auf unser Deck! Unsere Besatzung sah sich gezwungen, das Schiff zu
verlassen, und liegt nun vor der Küste vor Anker. Wir bleiben und
überwachen weiter!“
Am Sonntag hatte die griechische Regierung angekündigt, bis auf weiteres
keine Asylanträge mehr anzunehmen. Am Montag hieß es, die Maßnahmen werde
beendet, sobald „Normalität und Ordnung“ zurückkehren. Bis dahin werde
jeder, der illegal ins Land komme, verhaftet und in Abschiebelagern
interniert.
Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR hatte am Montag [6][erklärt], dass zwar jedes
Land das Recht habe, seine Grenzen zu sichern. Doch weder die Genfer
Flüchtlingskonvention noch das EU-Flüchtlingsrecht „bieten eine rechtliche
Grundlage für die Aussetzung der Aufnahme von Asylanträgen“, hieß es in
einer Erklärung.
Der deutsche Völkerrechtler Daniel Thym sagte, „kein Land ist verpflichtet,
die Grenzen generell zu öffnen“. Die griechische Regierung handele „nicht
per se rechtswidrig, wenn sie die Einreise verhindert“, so Thym. Anders sei
die Lage, „sobald jemand faktisch eingereist ist“.
## Frontex schickt Grenzschützer
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex ist unterdessen offiziell von
Griechenland um Hilfe gebeten worden. Frontex-Direktor Fabrice Leggeri
[7][sagte] am Montag in Warschau, er habe eine „rasche Intervention auf den
Weg gebracht“. Für solche Fälle habe Frontex einen Reservepool von bis zu
1.500 Grenzschützern, die von den Mitgliedstaaten gestellt werden. Sie
sollen binnen fünf Tagen vor Ort sein. Einsatzmaterial wie Fahrzeuge,
Schiffe sowie Überwachungstechnik soll binnen zehn Tagen vor Ort sein.
Die Frontex-Beamten würden dann grundsätzlich unter dem Kommando
Griechenlands stehen und „unter den Anweisungen und in Anwesenheit von
Grenzschutzbeamten des um Hilfe ersuchenden Mitgliedstaats“ eingesetzt. Ein
Koordinierungsbeamter von Frontex überwache die „korrekte Umsetzung des
Einsatzplans“, der auch die „Bedingungen für den Einsatz von Waffengewalt
regelt“, so Frontex. Das Mandat erstreckt sich auf die Landgrenze zur
Türkei und die griechischen Inseln.
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will am Dienstag als
„Zeichen der Solidarität“ mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriak…
Mitsotakis an die Grenze zur Türkei reisen. Die „Herausforderung“, der
Griechenland derzeit gegenüberstehe, sei eine europäische, sagte von der
Leyen.
Wegen der Lage an der griechischen Grenze zur Türkei kommen die
EU-Innenminister am Mittwoch zu einem Sondertreffen in Brüssel zusammen.
Das Treffen sei eine Möglichkeit, „um Unterstützungsmaßnahmen für
Griechenland zu beschließen“, sagte der für Migration zuständige
Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas.
## Wohlfahrtsverbände protestieren
Deutsche Wohlfahrtsverbände und Hilfsorganisationen protestieren gegen das
gewaltsame Vorgehen griechischer Behörden gegen Flüchtlinge. „Wir fordern
Griechenland und die EU auf, den Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern
gegenüber Menschen, die Schutz suchen, sofort zu beenden“, verlangte der
Präsident der evangelischen Hilfsorganisation Diakonie, Ulrich Lilie, am
Montag in Berlin.
Ähnlich äußerte sich der Paritätische Gesamtverband. “Eine
quasimilitärische Sicherung der EU-Außengrenzen gegenüber Flüchtlingen
verträgt sich nicht mit unseren europäischen Werten“, hob Lilie weiter
hervor. Insbesondere das Abhalten von Militärmanövern mit scharfer Munition
in der Ägäis als Drohkulisse sei „angesichts teilweise traumatisierter
Personen unverantwortlich“. 13.000 schutzsuchende Menschen seien auch „kein
Grund, einen Notstand auszurufen und Asylanträge auszusetzen“.
## Grüne schreiben Brief
Die Berliner Grünen haben einen Brief an Bundesinnenminister Horst Seehofer
(CSU) geschrieben. Darin bitten sie ihn, dass Berlin Kinder aus
griechischen Flüchtlingslagern aufnehmen darf. „Grundlage dafür ist
Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes“, sagte die grüne Fraktionsvorsitzende
im Abgeordnetenhaus Silke Gebel am Montag. Der Paragraf ermöglicht, eine
Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen zu
erteilen.
Die Grünen setzen sich dafür ein, dies für unbegleitete Kinder aus dem
Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos zu nutzen, das
immer wieder wegen unzumutbarer Zustände im Blick auf Hygiene und
Gesundheitsversorgung in der Kritik steht. Allerdings müsse das
Innenministerium dem Anliegen zustimmen, erklärte Gebel. „Wir bitten Sie
inständig, lassen Sie uns als Bundesland zumindest diesen kleinen Beitrag
für Humanität und Menschenwürde leisten“, heißt es weiter.
Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Ute Vogt fordert eine
Umverteilung Geflüchteter aus Griechenland auf die übrigen EU-Staaten.
„Aktuell ist das Wichtigste, sehr schnell dafür Sorge zu tragen, dass UNHCR
vor Ort die Versorgung der Geflüchteten übernimmt“, sagte Vogt gegenüber
dpa. Dem müssten insbesondere die Türkei, Bulgarien und Griechenland
zustimmen.
3 Mar 2020
## LINKS
[1] /Gefluechtete-in-Griechenland/!5666519
[2] /Gefluechtete-an-EU-Aussengrenze/!5666518
[3] https://www.youtube.com/watch?v=Y7Y3moC6Cxc
[4] https://twitter.com/JulianBusch2/status/1234526263282425856?s=20
[5] https://twitter.com/teammareliberum/status/1234608154245259264?s=20
[6] https://www.unhcr.org/news/press/2020/3/5e5d08ad4/unhcr-statement-situation…
[7] https://frontex.europa.eu/media-centre/news-release/frontex-to-launch-rapid…
## AUTOREN
Christian Jakob
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