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# taz.de -- Koalitionsausschuss zu Geflüchteten: GroKo springt zu kurz
> Berlin fällt nichts Besseres ein, als sich mit dem brutalen Verhalten an
> der EU-Außengrenze zu solidarisieren.
Bild: Griechenland, Lesbos: Ein Kind spielt in einem provisorischen Zeltlagerin…
Die Große Koalition will in der Flüchtlingspolitik für „Ordnung und
Humanität“ stehen. Dieser – übrigens von den Grünen geklaute – Slogan …
ganz vorne in dem Beschluss, auf den sich die Spitzenleute von CDU, CSU und
SPD in der Nacht geeinigt haben. Aber das ist nicht mehr als ein hübscher
Euphemismus. Mit der Humanität der Groko ist es nicht weit her und mit der
Ordnung auch nicht, denn sie akzeptiert weiter das [1][Chaos an der
Außengrenze der EU].
Die Koalition will nun „Griechenland bei der schwierigen humanitären Lage
von etwa 1.000 bis 1.500 Kindern auf den griechischen Inseln unterstützen“.
Das klingt nach mehr, als es ist. Die Groko wird nämlich nicht alle diese
Kinder ausfliegen, schnell und unbürokratisch. Stattdessen will Deutschland
nur einen „angemessenen Anteil“ übernehmen und nur dann, wenn sich unter
den EU-Staaten eine Koalition der Willigen findet, die mithilft.
Das ist nicht nichts. Im [2][Flüchtlingscamp Moria] leben 20.000 Menschen
im Dreck. Traumatisierte Kinder spielen zwischen Müllbergen und frieren
nachts in unbeheizten Zelten. Jedes Kind, das dort herausgeholt wird,
zählt. Aber für das reichste und stärkste Land der EU ist das Angebot
kleinkrämerisch und unwürdig. Die Groko lobt sich dafür, ein paar hundert
Kinder einfliegen zu wollen – obwohl hier 140 Kommunen seit Monaten
freiwillig die Betreuung von mehr Geflüchteten anbieten.
Das Kontingent, das die EU-Koalition der Willigen retten soll, ist viel zu
klein. Es handele sich um Kinder, die an einer schweren Erkrankung litten
und dringend behandlungsbedürftig seien, schreiben die Koalitionäre. Oder
um solche, die unbegleitet und jünger als 14 Jahre seien – die meisten
davon Mädchen. Damit definiert die Groko die Gruppe derer, die Hilfe
verdient, sehr eng.
## Willkürliche Grenzen
Was ist mit dem 15-jährigen Jungen, der auch krank und ohne Eltern
unterwegs ist? Der Vorschlag der EU-Staaten krankt an dem Dilemma eines
jeden Kontingents. Die Grenze, hinter der Humanität nicht mehr greift, ist
willkürlich gezogen – und lässt viele Schutzsuchende zurück. Das wäre
übrigens auch bei ambitionierteren Vorschlägen der Fall, etwa dem der
Grünen, 5.000 Geflüchtete von den griechischen Inseln nach Deutschland zu
holen.
Über all dem schwebt eine große Frage, die die Groko nackt dastehen lässt.
Warum erst jetzt? Nun, da [3][Erdoğan tausende Geflüchtete an die
griechische Grenze schickt,] da also die deutsche Gemütlichkeit bedroht
scheint, entdeckt sie plötzlich ihre Hilfsbereitschaft. Dabei sind die
Zustände in den griechischen Flüchtlingscamps seit Jahren bekannt. Die
Bundesregierung wusste, dass dort europäische Standards missachtet werden,
dass die hygienischen Zustände eine Katastrophe sind, dass Familien mit
Kindern leiden.
Es interessierte sie aber nicht, weil es in Deutschland nur ein kleiner
Teil der WählerInnen mitbekam. Die jetzt demonstrierte Hilfsbereitschaft
dokumentiert also auch die bewusste und selektive Ignoranz in den Jahren
davor.
Interessant ist auch das, wozu die Koalition *nichts* sagt. Mit keinem Wort
kritisiert sie das brutale Vorgehen der griechischen Regierung an der
EU-Außengrenze. Grenzschützer treiben dort Geflüchtete aggressiv zurück,
sie beschießen sie mit Blendgranaten und Tränengas. Mitarbeiter der
griechischen Küstenwache schlagen mit Stangen auf Menschen in
Schlauchbooten ein.
Der Koalition fällt nichts besseres ein, als sich mit diesem skandalösen
Verhalten zu solidarisieren. Griechenland habe eben die Aufgabe, „diese
Außengrenze zu schützen“, schreiben CDU, CSU und SPD. „Griechenland hat
dabei unsere Unterstützung und Solidarität.“
Für diesen zynischen Satz kann man der Koalition fast dankbar sein, weil er
ihre Haltung geradezu perfekt beschreibt.
9 Mar 2020
## LINKS
[1] /Flucht-nach-Griechenland/!5669444
[2] /Fluechtlinge-an-der-griechischen-Grenze/!5668263
[3] /Tuerkei-startet-Syrien-Offensive/!5666616
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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Griechenland
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