# taz.de -- Frontex-Chef tritt ab: Leggeri verlässt Frontex | |
> Über Jahre war die Agentur an illegalen Pushbacks an den EU-Außengrenzen | |
> beteiligt. Die Öffentlichkeit wurde darüber getäuscht. | |
Bild: Fabrice Leggeri gab am Freitag seinen Rücktritt bekannt | |
BERLIN taz | Den Hut nahm er, entschuldigen mochte er sich nicht: Nach | |
sieben Jahren an der Spitze der EU-Grenzschutzagentur Frontex reichte der | |
Franzose Fabrice Leggeri, 53, am Freitag seinen Rücktritt ein. Seine | |
Begründung erstaunt: „Ich gebe mein Amt zurück, weil es aussieht, als ob | |
das Frontex-Mandat, für das ich gewählt wurde, leise, aber effektiv | |
verändert wurde.“ | |
Es ist die letzte einer kaum mehr zu überblickenden Zahl an Lügen und | |
Verdrehungen, die vor allem die letzten Amtsjahre Leggeris prägen. Das | |
„Mandat“ der Agentur ist unverändert. Leggeri geht, weil Frontex unter | |
seiner Führung nicht nur immer größer und mächtiger wurde, sondern immer | |
systematischer [1][Flüchtlingsrechte mit Füßen getreten] hat – und dabei | |
immer öfter erwischt wurde. | |
Es waren vor allem Recherchen eines Investigativteams des Spiegels und der | |
NGO Lighthouse Reporting, die sich ab 2020 minutiös mit den | |
[2][Verstrickungen von Frontex i]n die illegalen Zurückschiebungen an den | |
EU-Außengrenzen befassten. Die Agentur selbst hatte lange jede Beteiligung | |
an diesen zurückgewiesen und die Verantwortung – sofern es erdrückende | |
Beweise für die Pushbacks gab – den nationalen Grenzschützern zugeschoben. | |
Eine Zeit lang waren es tatsächlich vor allem diese, die in der Ägäis, am | |
Evros, in Kroatien, Spanien oder Polen in erster Linie hinter den Pushbacks | |
stecken. Doch je stärker die [3][Frontex-Präsenz an den Außengrenzen] | |
wurde, umso häufiger waren die EU-Grenzschützer bei den Pushbacks dabei | |
oder verhinderten diese nicht. Die journalistischen Recherchen, die Leggeri | |
nun letztlich zu Fall brachten, waren auch deshalb möglich, weil immer | |
öfter Flüchtende mit ihren Handys filmen konnten, was ihnen angetan wurde – | |
und von wem. | |
So wurde sichtbar, wovon sonst nur aus zweiter Hand die Rede war: nackte | |
Gewalt gegen Menschen in höchster Not, auf der Suche nach Zuflucht. Als | |
sich ab 2020 Video-Belege und Medienberichte häuften, setzte das | |
EU-Parlament eine Arbeitsgruppe ein, die der Agentur schon vor einem Jahr | |
mit Budgetkürzungen drohte und die Entlastung für das Haushaltsjahr 2019 | |
verweigerte. Wegen der schleppenden Aufklärung von Vorwürfen kamen | |
besonders aus dem EU-Parlament wiederholt Rücktrittsforderungen an Leggeri. | |
## Frontex-Einsätze gegen Geflüchtete falsch verortet | |
Auch die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf ermittelte zu „Vorwürfen im | |
Zusammenhang mit Mobbing und Belästigung, Fehlverhalten und Zurückweisungen | |
von Migranten“. Das Fass zum Überlaufen brachte nun offenbar der jüngste | |
Spiegel-Bericht über frisierte Einträge in einer internen Frontex-Datenbank | |
namens „Jora“. Darin wurden Frontex-Einsätze gegen Flüchtlingsboote in der | |
Ägäis falsch verortet. | |
Diese hatten sich tatsächlich in griechischen Hoheitsgewässern abgespielt – | |
in der Datenbank wurden sie aber türkischen Gewässern zugeordnet, um nicht | |
als Pushbacks erkennbar zu sein. Leggeri hatte die Agentur 2015 von dem | |
Spanier Gil Arias übernommen. Unter seiner Ägide stockte die EU das | |
Frontex-Budget immer weiter auf und erweiterte die rechtlichen Befugnisse, | |
etwa bei Abschiebungen. | |
Zu seinen wichtigsten Projekten gehörte, die zeitlich begrenzte Ausleihe | |
nationaler Grenzbeamter für einzelne Missionen durch ein „Standing Corps“ | |
aus 10.000 europäischen Grenzschützern zu ersetzen. Das soll 2027 in | |
voller Stärke einsatzfähig sein. Kommandieren wird es nun ein anderer. | |
Der Frontex-Verwaltungsrat unter dem deutschen Bundespolizisten Alexander | |
Fritsch muss einen Nachfolger für Leggeri suchen. | |
29 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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