| # taz.de -- Forderungen nach Hanau-Terror: „Nehmt uns ernst“ | |
| > Nach Hanau fordern Migrant*innenverbände mehr Repräsentation. Sie fänden | |
| > nur Gehör, wenn rassistische Gewalt eskaliert. | |
| Bild: MigrantInnen beklagen, dass sie nur Gehör finden, wenn rassistische Gewa… | |
| BERLIN taz | Eine Woche nach dem rechtsterroristischen Anschlag von Hanau | |
| verlangen Migrant*innenverbände umfassende Maßnahmen gegen Rassismus. | |
| [1][In einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel fordert die Bundeskonferenz | |
| der Migrant*innenorganisationen], in der sich 40 Initiativen | |
| zusammengeschlossen haben, mehr Menschen mit Migrationshintergrund in | |
| politischen Ämtern. Nötig sei zudem ein „Partizipationsrat | |
| Einwanderungsgesellschaft“ aus Wissenschaftler*innen und Vertreter*innnen | |
| von Migrant*innenverbänden analog zum Ethikrat. | |
| „Es ist beschämend, dass wir nur Gehör finden, wenn rassistische Gewalt | |
| eskaliert“, beklagte Marta Neüff, Vorsitzende des Polnischen Sozialrats. | |
| Man warte bisher vergeblich darauf, in die Rassismusprävention eingebunden | |
| zu werden. Auf vorgeschlagene Handlungsempfehlungen reagiere die | |
| Bundesregierung seit Jahren nicht. „Wir sind Teil der Lösung“, sagte Farhad | |
| Dilmaghani vom Verein DeutschPlus. „Wir bieten die Zusammenarbeit an. Aber | |
| das geht nur, wenn man uns auch ernst nimmt.“ | |
| Cihan Sinanoğlu von der Türkischen Gemeinde betonte: „Rassismus ist tief | |
| verankert in der Gesellschaft.“ Nicht nur Neonazis oder die AfD äußerten | |
| sich rassistisch, auch Teile von Union und SPD seien an der | |
| Diskursverschiebung nach rechts beteiligt. Von Einzeltätern zu sprechen, | |
| entpolitisiere die Morde. „Rassismus ist aber ein politisches Problem.“ | |
| In dem Brief an Merkel beklagen Verbände, mit dem jüngsten Rechtsterror | |
| fürchte ein Viertel der Bevölkerung [2][„um seine Unversehrtheit, um seine | |
| Zukunft und die seiner Kinder“]. Die Politik müsse sich der Tatsache | |
| stellen, dass sich in Deutschland „ein rassistisches Klima ausbreitet, das | |
| auch vor Eliten nicht Halt macht“. | |
| ## Kaum Menschen mit Migrationshintergrund in den Parlamenten | |
| Um dieses in den Griff zu bekommen, fordern die Verbände, Menschen mit | |
| Einwanderungsgeschichte adäquat im Politikbetrieb zu repräsentieren. Bisher | |
| machten diese in den Kommunal- und Landesparlamenten oder im Bundestag im | |
| Schnitt maximal acht Prozent der Abgeordneten aus. Im Bundeskabinett kämen | |
| sie gar nicht vor. [3][Zudem fehle es in den Behörden an | |
| Diversitätskompetenz]. Rassismus werde daher oft gar nicht erkannt. Hier | |
| sei eine Professionalisierung der Arbeit gegen Rassismus erforderlich, | |
| sagte Saraya Gomis vom Verein Each One Teach One. | |
| Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bekräftigte in einer | |
| nichtöffentlichen Sondersitzung des Innenausschuss im Bundestag zum | |
| Hanau-Anschlag, dass es an der rechtsterroristischen Tat „nichts zu | |
| relativieren“ gebe. AfD-Mann Gottfried Curio hatte den Anschlag dort erneut | |
| als Tat eines Irren bezeichnet und eine ideologische Mitschuld seiner | |
| Partei als „Verleumdung“ abgetan. Seehofer hielt dagegen: Die Tat sei „oh… | |
| Zweifel rassistisch motiviert“. | |
| Der CSU-Mann forderte, Möglichkeiten zu schaffen, um Waffenscheine künftig | |
| zu entziehen, wenn es psychische Auffälligkeiten wie beim Hanau-Attentäter | |
| gebe. [4][Zur Forderung nach einem Antirassimusbeauftragten] sagte Seehofer | |
| laut Teilnehmer*innen: „Ich bin der Antirassimusbeauftragte.“ | |
| ## 52 Schüsse, zehn Tote | |
| Cihan Sinanoğlu von der Türkischen Gemeinde nahm das mit Unverständnis auf. | |
| „In der Vergangenheit ist mir Herr Seehofer nicht besonders aufgefallen, | |
| wenn es um antirassistische oder rassismuskritische Themen ging.“ Von | |
| Beauftragten, die nur Symbolpolitik betrieben, habe man genug, sagte auch | |
| Saraya Gomis. | |
| Im Innenausschuss wurde auch bekannt, dass der Attentäter Tobias R., ein | |
| Sportschütze, die Tatorte zuvor ausgekundschaftet und zu seinen zwei | |
| Pistolen noch eine dritte von einem Waffenhändler legal ausgeliehen hatte, | |
| eine Ceska. Eine Stunde vor der Tat wurde er zudem von Polizisten | |
| kontrolliert – weil er mit seinem Auto auf einem Behindertenparkplatz | |
| stand. R. soll dabei unauffällig reagiert haben. | |
| [5][Bei der Tat verschoss R. schließlich 52 Patronen, tötete neun | |
| Menschen]. Warum R. zu Hause auch seine Mutter noch erschoss, nicht aber | |
| den ebenfalls anwesenden Vater, bleibt weiter offen. Der Vater, den | |
| Nachbarn und Behörden als Querulanten beschreiben, ist derzeit in der | |
| Psychiatrie. Als verdächtig gilt er nicht. Am Ende erschoss sich Tobias R. | |
| auch selbst. | |
| BKA und Bundesanwaltschaft beteuerten im Ausschuss, weiterhin keine | |
| Hinweise auf Mittäter zu haben. Geprüft aber werde, was hinter einer | |
| USA-Reise 2018 steckt. Als Einreiseziel soll Tobias R. damals angegeben | |
| haben: ein Tempelritter-Treffen. | |
| 27 Feb 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Franziska Schindler | |
| Konrad Litschko | |
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