| # taz.de -- Nach dem Terror in Hanau: Alle Akten auf den Tisch | |
| > Die hessischen Grünen müssen anfangen, ihre Beteiligung an der | |
| > Landesregierung dafür zu nutzen, rechtsextreme Strukturen aufzudecken. | |
| Bild: Ein Projektil nach dem Anschlag in Hanau | |
| Frankfurt am Main taz | „Hessen ist sicher!“ – mit dieser Botschaft hatte | |
| Innenminister Peter Beuth (CDU) am vergangenen Dienstag die Plenarwoche des | |
| hessischen Landtags eröffnet. Am Tag darauf [1][ermordete in Hessen ein | |
| Rechtsextremist acht junge Menschen], erschoss seine Mutter und | |
| anschließend sich selbst. „Niemand soll davor Angst haben, seine | |
| Standpunkte offen zu vertreten. Jeder, der bedroht wird, bekommt von | |
| unseren Sicherheitsbehörden Schutz“, so die Zusage des Innenministers, die | |
| sich tags drauf als trügerisch erweisen sollte. | |
| Auch die in Hessen mitregierenden Grünen feierten am Dienstag „die beste | |
| Kriminalstatistik aller Zeiten“. Weniger Straftaten, eine höhere | |
| Aufklärungsquote – die grüne Abgeordnete Eva Goldbach fand nur lobende | |
| Worte für den Minister. „Schlecht für die Opposition!“, höhnte sie und | |
| wurde mit demonstrativem Beifall der Regierungsparteien belohnt. | |
| Dass sich die Zahl der rechtsextremen Straftaten binnen Jahresfrist fast | |
| verdoppelt hatte? Dass rechte Umtriebe in der hessischen Polizei seit | |
| Monaten für Schlagzeilen sorgen? Es sei gleichwohl „ein erfolgreicher Start | |
| in ein sicheres Jahrzehnt“, so die Bilanz des Ministers. | |
| ## „Abgekühlte“ Neonazis? | |
| Einmal mehr gab es in dieser Debatte keine Antworten auf die bohrenden | |
| Fragen der Opposition nach möglichen Versäumnissen der Sicherheitsbehörden | |
| vor dem Mord an ihrem früheren CDU-Landtagskollegen, dem | |
| [2][Regierungspräsidenten Walter Lübcke]. Ein einschlägig vorbestrafter | |
| Neonazi konnte vom Radar der Behörden verschwinden? Als „abgekühlt“ | |
| eingestuft, obwohl ihn doch der scheidende Präsident des | |
| Verfassungsschutzes „brandgefährlich“ genannt hatte? | |
| Am Tatort in Hanau bekannte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, | |
| die Grüne Claudia Roth: „Wir haben ein Problem mit Rassismus und | |
| Rechtsterrorismus; das große Problem ist kleingeredet worden!“ An ihrer | |
| Seite gedachten grüne Landtagsabgeordnete der Opfer. Sie haben sich | |
| inzwischen dazu bekannt, dass es ein Fehler war, sich bei der Abstimmung | |
| über die Einsetzung eines NSU-Untersuchungsausschusses im hessischen | |
| Landtag aus Rücksicht auf den neuen Koalitionspartner, die CDU, enthalten | |
| zu haben. | |
| Doch auch in sechs Regierungsjahren haben die Grünen nicht dafür gesorgt, | |
| dass Parlamentarier und Öffentlichkeit Zugang zu allen NSU-Akten bekamen. | |
| Die Geheimhaltungsfrist für ein zentrales Dossier wurde von 120 auf 30 | |
| Jahre herabgesetzt. „Die Grünen im Bund haben viel für die Aufklärung des | |
| NSU-Terrors getan“, sagte nach den Morden von Hanau Rechtsanwalt Mehmet | |
| Daimagüler, Vertreter der Nebenklage im NSU-Prozess, „doch die hessischen | |
| Grünen haben ein Problem mit ihrer Glaubwürdigkeit.“ | |
| Alle Akten gehören auf den Tisch, ungeschwärzt, sodass damit gearbeitet | |
| werden kann. Es muss ohne Rücksicht auf handelnde Personen geklärt werden, | |
| wie der mutmaßliche Lübcke-Mörder vom Schirm der Behörden verschwinden | |
| konnte. Der zweite NSU-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags, den | |
| es geben wird, darf nicht im taktischen Geplänkel zwischen Regierungs- und | |
| Oppositionsparteien untergehen. Dafür könnten die erstarkten Grünen sorgen. | |
| ## Den Geldhahn zudrehen | |
| Der Mörder von Hanau hatte vor seiner Tat im Internet krude Manifeste und | |
| Drohungen abgesetzt. Es ist zu klären, wie Sicherheitsbehörden schneller | |
| auf solche Zeichen reagieren können. Das hessische Kultusministerium sieht | |
| keine Handhabe, den AfD-Politiker Björn Höcke aus dem Staatsdienst zu | |
| entlassen. Dass dieser Faschist im Zweifelsfall in den hessischen | |
| Schuldienst zurückkehren und Kinder unterrichten darf, ist unerträglich. | |
| Die Finanzbehörden sind dabei, demokratischen Organisationen der | |
| Zivilgesellschaft das Wasser abzugraben, indem sie ihnen die | |
| Gemeinnützigkeit aberkennen. Gleichzeitig streicht die AfD aus der | |
| staatlichen Parteienfinanzierung dreistellige Millionenbeträge ein. „Der | |
| Staat ernährt Verfassungsfeinde mit unseren Steuern“, formuliert | |
| Rechtsanwalt Daimagüler. Das Bundesverfassungsgericht hat Wege | |
| aufgezeichnet, wie man verfassungsfeindlichen Parteien den Geldhahn | |
| zudrehen kann. Notfalls müssen Gesetze geändert werden. | |
| Die Grünen sollten mit dem Rückenwind guter Ergebnisse bei Wahlen und | |
| Umfragen Druck machen. [3][„Den Worten müssen Taten folgen!“], so die | |
| Forderung Serpil Temiz’, der Mutter des ermordeten Ferhat Unvar, auf dem | |
| Friedhof in Hanau. | |
| 27 Feb 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Hanau-nach-dem-rechten-Anschlag/!5664375 | |
| [2] /Ermittlungen-im-Mordfall-Walter-Luebcke/!5665044 | |
| [3] /Massnahmen-gegen-rechten-Terror/!5665825 | |
| ## AUTOREN | |
| Christoph Schmidt-Lunau | |
| ## TAGS | |
| Grüne Hessen | |
| Hessen | |
| Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau | |
| Schwerpunkt Rechter Terror | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Grüne Niedersachsen | |
| Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau | |
| Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau | |
| Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Aktionsplan gegen Rassismus: Grüne wollen „Rasse“ streichen | |
| Grundgesetzänderung, virtuelle Polizeiwache, mehr Rechte für MigrantInnen: | |
| Die Grünen legen nach Hanau einen Aktionsplan vor. | |
| Grüne wollen Waffenrecht verschärfen: Einschränkungen für Sportschützen | |
| Nach den Morden in Hanau fordern die Grünen in Niedersachsen, dass | |
| Sportschützen zu Hause keine Munition lagern dürfen. | |
| Forderungen nach Hanau-Terror: „Nehmt uns ernst“ | |
| Nach Hanau fordern Migrant*innenverbände mehr Repräsentation. Sie fänden | |
| nur Gehör, wenn rassistische Gewalt eskaliert. | |
| Maßnahmen gegen rechten Terror: Was tun gegen den Hass? | |
| Politik und Zivilgesellschaft diskutieren nach dem Hanau-Anschlag, was | |
| gegen rechten Terror hilft. Acht Punkte, die etwas verbessern könnten. | |
| Hanau nach dem rechten Anschlag: Die Kinder dieser Stadt | |
| Eine Woche nach dem rassistischen Terror werden die Opfer zu Grabe | |
| getragen. Eine Mutter fordert, nicht zur Tagesordnung überzugehen. | |
| Solidarität nach dem Anschlag in Hanau: Abgenutztes Ritual | |
| Ein paar warme Worte vielleicht, sonst einfach weitermachen wie bisher. Das | |
| geht nur für jene, die den Luxus haben, nicht bedroht zu sein. |