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# taz.de -- Einsames Sterben: Was kostet der Tod?
> Bei Bestattungen von Amts wegen sind die Behörden zur Sparsamkeit
> aufgerufen. Nirgendwo aber darf ein Begräbnis so wenig kosten wie in
> Berlin.
Bild: Kerzen für die Toten: Trauerfeier für einsam Vestorbene in der Berliner…
„Somewhere over the Rainbow“ ertönt in der Kirche am Alexanderplatz. Auf
den Holzbänken in den vorderen Reihen der Marienkirche sitzen dunkel
gekleidete Menschen jeden Alters. Manche haben die Hände in ihrem Schoß
verschränkt. Andere die Augen geschlossen. Sie trauern um verstorbene
Menschen, die sie nicht kennen.
Vor dem Altar zündet die Pfarrerin 54 Kerzen an. Eine für jede Person, die
in dem Jahr im Bezirk Mitte ohne Angehörige und mittellos zu Grabe getragen
wurde. „Ordnungsbehördlich bestattet“ heißt das in der Behördensprache. …
der Trauerfeier werden Namen, Lebensdaten, die letzte Adresse der
Verstorbenen verlesen – der jüngste wurde 40, die älteste 94 Jahre alt.
„Erst wenn die Erde deine Glieder gefordert hat, wirst du wahrhaft tanzen“,
liest die Pfarrerin aus Khalil Gibrans „Das Geheimnis des Todes“ vor. Ein
paar Dutzend Menschen sind zum Gottesdienst gekommen, manche haben Blumen
dabei. Tourist:innen schauen ab und an herein, machen ein Foto und gehen
wieder.
Etwa eine Stunde dauerte diese erste Trauerfeier der Marienkirche für
einsam gestorbene Menschen Ende vergangenen Jahres. Von nun an soll sie
jedes Jahr stattfinden. In anderen Kirchen und Bezirken wird bereits
regelmäßig der Menschen gedacht, die von Amts wegen bestattet wurden.
Die Einsamkeit des Todes, sie rührt uns und berührt unsere eigenen Ängste
vor der Kälte der Gesellschaft. Eine ordnungsbehördliche Bestattung, das
heißt: Der Verstorbene war mittellos, Ehepartner:innen, Kinder, Eltern,
Geschwister, Enkel:innen oder Großeltern konnten nicht gefunden werden, die
die Bestattung bezahlen müssten. Es bedeutet auch, dass es keine nahen
Verwandten gibt, die um den Toten trauern. Rund 2.200 Menschen werden in
Berlin jedes Jahr ordnungsbehördlich bestattet – das sind etwa 6 Prozent
aller Verstorbenen.
[1][Der Tod]: Er ist auch ein Geschäft. Mehrere Tausend Euro zahlen
Angehörige nicht selten für eine [2][Bestattung] – mit Trauerfeier,
Grabrede, Blumenschmuck und Grabstätte.
Die Behörden dagegen sind zur Sparsamkeit aufgerufen. Seit einigen Jahren
werden die ordnungsbehördlichen Bestattungen in Berlin wie in anderen
großen Städten auch per Ausschreibung vergeben: Der günstigste Bestatter
wird beauftragt. Seit 2015 ist das für ganz Berlin ein Unternehmen, dem die
Innung der Bestatter:innen Dumpingpreise vorwirft. 150 Euro bekommt es von
den Bezirksämtern pro ordnungsbehördlicher Bestattung. „Dafür kann man
nicht arbeiten und schon gar keinen Mindestlohn bezahlen“, sagt Rüdiger
Kußerow, Obermeister der Bestatterinnung.
Vor kurzem hatte das Landesverwaltungsamt die ordnungsbehördlichen
Bestattungen neu ausgeschrieben – bis zum 24. Februar konnten
Bestattungsunternehmen sich bewerben. Die Innung rief ihre Mitglieder dazu
auf, sich trotz geringer Aussichten zu beteiligen. „Um den Behörden die
reellen Preise zu zeigen“, wie Innungsobermeister Kußerow sagt. Auch der
Geschäftsführer des Discountbestatters, wie er sich selbst nennt, hat sich
wieder beworben. „Pietät hat nichts mit Geld zu tun“, sagt er.
Hartmut Woite und sein Unternehmen Berolina Sargdiscount sind seit zwanzig
Jahren „Vorreiter auf dem Markt der Billigbestatter“, wie es auf der
Internetseite des Unternehmens heißt. Sein Konzept: Preistransparenz und
Tiefstpreisgarantie. „In einer Stadt mit so vielen armen Menschen hat das
auch einen sozialen Aspekt“, sagt Woite. Eine Feuerbestattung kostet bei
ihm ab 888 Euro – inklusive Kremierung und anonymer Beisetzung in
Tschechien. Die stille Erdbestattung gibt es ab 749 Euro zuzüglich
Grabstätte. Telefonisch gebucht wird es noch günstiger. Bei den
traditionellen Bestattern, zum Teil seit dem 19. Jahrhundert als
Familienunternehmen am Markt, kostet die einfachste Bestattung ohne
Trauerfeier laut Bestatterinnung ab 1.500 Euro.
Woite hatte sich schon vor 2015 auf die Ausschreibungen um die
ordnungsbehördlichen Bestattungen beworben. „Aber da war ich zu teuer.“
Erst mit seinem Niedrigpreis von 150 Euro pro Todesfall sei er zum Zug
gekommen. Aber wie läuft sie ab, so eine ordnungsbehördliche Bestattung?
Es beginnt an dem Ort, an dem ein Mensch verstirbt: im Altersheim oder
Krankenhaus, manchmal auch allein in der eigenen Wohnung oder – bei
obdachlosen Menschen – auf der Straße. Ist kein naher Angehöriger da, der
sich kümmert, so wird – von Staatsanwaltschaft, Krankenhaus oder Altersheim
– das Bezirksamt informiert. Dann bekommt Berolina den Auftrag.
„Meine Mitarbeiter fahren raus zum Verstorbenen“, so Woite. Mitten am Tag
kann das sein, im ärgsten Berufsverkehr. Oder auch mitten in der Nacht. An
manchen Tagen holten sie über zwanzig Verstorbene im Auftrag der Ämter ab,
erzählt Woite. Sie werden entkleidet, mit einem einfachen Sterbehemd
bekleidet, in einen Sarg mit Decke und Kissen gebettet. Das Prozedere ist
in Verträgen mit den Bezirksämtern und im Berliner Bestattergesetz
festgehalten.
Für die Sargtransporter von Berolina geht es dann weit in den Westen der
Stadt, nach Ruhleben. Eine Bushaltestelle ist hier nach dem Ort benannt, an
dem auch die Körper verbrannt werden, die von Amts wegen bestattet werden.
Das Krematorium Ruhleben ist ein Exempel moderner Sachlichkeit, gebaut in
den 1970ern nach Entwürfen des Berliner Architekten Jan Rave, der hier
selbst 2004 betrauert wurde. „Wir haben dort zwei Kühlhallen gemietet“,
sagt Woite. Platz für 600 Leichen.
Der Verstorbene wird in die Registratur des Krematoriums eingetragen und
vorerst gelagert. Das Warten beginnt, bevor Berolina den Auftrag zu Ende
bringen kann. Das bedeutet dann: den nötigen Papierkram erledigen, das
Begräbnis organisieren, Abmeldung bei den Behörden. Wenn der Verstorbene
den Wunsch hinterlassen hat, dass er auf einem bestimmten Friedhof oder auf
bestimmte Weise beerdigt werden will, sind die Behörden angehalten, auch
das zu berücksichtigen.
Zunächst aber haben sie sieben Tage Zeit, doch noch nahe, also
zahlungspflichtige Angehörige zu finden. Das Erbe können Kinder, Enkel,
Geschwister oder Partner ausschlagen, nicht aber die Übernahme der
Bestattungskosten. Egal ob sie Kontakt mit dem Verstorbenen hatten oder
nicht. Bestattungen, die doch noch von Angehörigen bezahlt werden, sind
manchmal nur der Beweis dafür, dass die Ämter bei ihrer Suche nach
Zahlungspflichtigen fündig geworden sind. Von einem Leben ohne Einsamkeit
erzählen sie nichts.
Sind nahe Angehörige zwar da, können aber nicht zahlen, dann springt das
Sozialamt ein und zahlt pauschal 750 Euro pro Bestattung. Den Bestatter
darf dann die Familie auswählen.
## Teil der Kalkulation
„Bei rund einem Viertel der Fälle werden doch noch zahlungspflichtige
Angehörige gefunden“, sagt Berolina-Chef Woite. Für ihn bedeutet das
entweder unternehmerisches Glück oder Pech. Glück, wenn er der von der
Familie gewünschte Bestatter bleibt. Dann kann er in der Regel deutlich
mehr berechnen als die 150 Euro, die das Amt bezahlt. Diese Rechnung ist
Teil seiner Kalkulation, wie ihm Konkurrenten vorwerfen und Woite
unumwunden zugibt. Nur so, quasi als Akquisemethode für Folgeaufträge,
ergebe der niedrige Preis einen Sinn.
Pech hat der Berolina-Chef, wenn die Familie den Bestatter wechselt. „Dann
kann ich sicher sein, dass die Bestatterinnung den Angehörigen sagt, sie
müssten mich nicht bezahlen“, sagt Woite, und dass er so regelmäßig auf den
Kosten sitzen bleibe. Unter Bestattern gehe es nicht gerade nett zu. „Ich
bin so beliebt, dass mich die Konkurrenten nicht mal grüßen auf dem
Friedhof“, so Woite. Vor einigen Jahren seien er und die Bestatterinnung im
Streit auseinandergegangen, weil er der Branche Intransparenz vorwarf.
Tatsächlich ist man bei der Bestatterinnung weder auf den Billigbestatter
noch auf die Ausschreibungspraxis des Landesverwaltungsamts gut zu
sprechen. „Wir haben uns dort beschwert, dass wir für diese Preise nicht
arbeiten können“, sagt Innungsobermeister Rüdiger Kußerow. „Aber solange
jemand diesen Preis anbietet...“
In den aktuellen Ausschreibungsunterlagen ist vermerkt, dass fast
ausschließlich nach preislichen statt nach Qualitätskriterien entschieden
wird. Beim Landesverwaltungsamt verweist man darauf, dass die Angebote den
Preis bestimmten. Der Richtwert von 150 Euro pro Bestattung, der sich auch
aus den Vergabeunterlagen ergibt, sei lediglich als Orientierung gedacht.
Nicht immer waren die Preise für die Bestattung mittelloser Menschen so
knapp bemessen. Es ist gar nicht lange her, da zahlten noch die
gesetzlichen Krankenkassen ein Sterbegeld als Beerdigungszuschuss für all
ihre Versicherten aus. 2004 wurde es abgeschafft, zuvor schon deutlich
zusammengekürzt. Seitdem ist die Vorsorge für den Sterbefall
privatwirtschaftlich organisiert – etwa in den in ihrem Nutzen umstrittenen
Sterbegeldversicherungen privater Anbieter.
Die Zahl ordnungsbehördlicher Bestattungen ist in den vergangenen zehn
Jahren jedenfalls deutlich gestiegen in einer wachsenden Stadt. Bei der
aktuellen Ausschreibung musste diesmal auch er einen höheren Preis
veranschlagen, sagt Berolina-Chef Woite. Schließlich seien die Lohnkosten
deutlich gestiegen, er zahle an seine Mitarbeiter bereits den Mindestlohn
von 12,50 Euro pro Stunde, der seit diesem Jahr auch für vom Land Berlin
vergebene Aufträge gilt. Dass er deutlich preiswerter sein könne als seine
Konkurrenten, liege am Mengenvorteil. „Ich kaufe im Jahr mehrere Tausend
Särge, natürlich bekomme ich die günstiger“, so Woite. Außerdem gebe es n…
ihn als Chef, nur wenige Filialen und keine opulente Firmenzentrale.
„Es geht wie überall ums Geld“, sagt Woite über den Konkurrenzkampf der
Bestattungsunternehmer. Ums Geld geht es auch dem Leiter des
Reinickendorfer Gesundheitsamts – aber vor allem als Ausdruck des
politischen Unwillens, im Tod mehr als einen Kostenfaktor zu sehen. Patrick
Larscheid hat vor zwei Jahren begonnen, selbst monatliche Trauerfeiern für
die ordnungsbehördlich bestatteten Menschen seines Bezirks zu organisieren,
„weil sich kein Politiker Berlins wirklich für das Thema interessiert“.
Nirgendwo, sagt Larscheid, seien die Kosten für die Bestattungen so knapp
kalkuliert wie hier. In München übernehme ein städtisches
Bestattungsunternehmen die ordnungsbehördlichen Bestattungen, rund 3.000
Euro seien dafür vorgesehen. In Hamburg, wo die Vergabe ähnlich wie in
Berlin organisiert sei, rechne man mit insgesamt 2.500 Euro. Und in Berlin?
„Rund 870 Euro darf uns hier eine ordnungsbehördliche Bestattung insgesamt
kosten – mit Bestatter, Krematorium und Friedhofsgebühren“, sagt Larscheid.
Das sei nicht nur aus ökonomischer Sicht dramatisch wenig, es sei auch in
Sachen Qualität „an der Untergrenze des Denkbaren“. „Wir haben sicherlich
alle sehr unterschiedliche Vorstellungen, was mit einem Menschen nach dem
Tod geschehen soll, aber niemand sollte dem Vergessen ausgesetzt werden“,
sagt Larscheid.
Darum bemüht man sich auch auf dem Alten Domfriedhof St. Hedwig. Fast immer
ruft Berolina hier an, wenn eine ordnungsbehördliche Beisetzung vollzogen
werden soll. Der Alte Domfriedhof ist ein 1834 eingeweihter katholischer
Friedhof in Wedding, ein Gartendenkmal, zwei große Marmorengel weisen den
Weg zur Kapelle. Linker Hand sind mehrere quadratische oder rechteckige
Felder abgesteckt: Die Urnengemeinschaftsgräber, in denen auch die
Überreste der ordnungsbehördlich bestatteten Menschen ruhen.
Flankiert werden sie von teils mannshohen, teils denkmalgeschützten
Grabsteinen, deren Nutzungszeit längst abgelaufen ist. Die opulenten
Grabmale stammen aus einer Zeit, in der die Erdbestattung zur
gesellschaftlichen und religiösen Pflicht gehörte, in der ein Priester hier
an jedem Grab stand, vor Trauernden in schwarzer Kleidung. Es ist kein
Geheimnis in der Bestatterbranche, dass der Trend inzwischen zum einfachen,
preiswerten Begräbnis geht: auf die grüne Wiese statt ins Familiengrab,
unter einen Baum statt unter ein Marmorkreuz. Ein Problem ist das auch für
die alten Friedhöfe, die teils ums Überleben kämpfen.
Die goldenen Inschriften der alten Gräber des Domfriedhofs jedenfalls sind
verblasst, manche Verstorbene schon über 100 Jahre tot. Da, wo einst in
Särgen ihre sterblichen Überreste ruhten, liegen nun dicht beieinander die
Urnen. Alle halbe Meter ist eine von ihnen in die Erde eingelassen.
Oberirdisch bekundet ein schlichtes Namensschild, wessen Asche hier
begraben wurde.
Ob ein Verstorbener im Auftrag von Angehörigen oder im Auftrag des
Bezirksamtes zu Grabe getragen wurde, das steht da nicht. Es steht auch
nicht in dem Schaukasten am Eingang des Friedhofs. Im Wochentakt werden
dort die anstehenden Beerdigungen veröffentlicht: 9 pro Tag, mit Namen und
Uhrzeit.
Selbst der Mitarbeiter, der die Urne in der Kapelle aufstellt bei leiser
Musik und brennenden Kerzen, der die Aschekapsel in die kleine Grube
absenkt und später das Schild mit Namen und Lebensdaten auf dem Grab
feststeckt – selbst der weiß nicht, wer die Bestattung bezahlt hat. „Ab dem
Friedhofstor sind bei uns alle gleich“, sagt Galina Kalugina von der
Friedhofsverwaltung. Sie war es, die vor fünf Jahren dafür sorgte, dass
inzwischen nahezu alle ordnungsbehördlichen Bestattungen auf dem Alten
Domfriedhof stattfinden.
2014 habe sie in einem Pressebericht von “Schubkarrenbegräbnissen“ gelesen,
sagt Kalugina. Von anonymen Beerdigungen im Minutentakt. Bestatter und
Hinterbliebene hätten ihr ebenfalls von dieser Praxis berichtet. „Das
konnte ich weder persönlich noch als Christin so hinnehmen“, sagt Kalugina.
So schrieb sie erfolgreich alle Bezirke an, dass sie auf dem Alten
Domfriedhof mehr Leistung bekämen: Eine stille Abschiednahme in der Kapelle
und ein namentlich gekennzeichnetes Grab auf 20 Jahre. Und all das – wieder
geht es ums Geld – für geringere Kosten: 365 Euro, billiger sei keine
anonyme Beisetzung auf einem städtischen Friedhof.
45 Minuten Zeit nähmen sie sich auf dem Alten Domfriedhof für jede
Beerdigung, sagt Kalugina. 15 Minuten stehe die Urne in der Kapelle – egal
ob jemand kommt oder nicht. „Und es ist überhaupt nicht so, dass da nie
jemand kommt.“ Dass es keine zahlungspflichtigen Angehörigen gibt, heiße
noch lange nicht, dass niemand um den Toten trauert. Halbe Altersheime,
Nachbar:innen, Freunde und Bekannte erschienen immer wieder bei den stillen
Abschiednahmen. „Manchmal ist es nur ein einziger Trauergast, aber es waren
auch schon über 200“, sagt Kalugina. Bei mehr als der Hälfte der
ordnungsbehördlichen Bestattungen blieben die Bänke der Kapelle nicht leer.
Dass es nun Kritiker gibt, die sagen, der Wald aus grünen Plastikschildchen
und die engen Urnengräber auf der Fläche alter Gräber seien der Würde der
Verstorbenen nicht angemessen, lässt Kalugina kalt. „Wo waren die denn, als
die Verstorbenen noch im 3-Minutentakt auf der grünen Wiese verscharrt
wurden?“ Es sei nur eine kleine Zeremonie, die sie hier auf dem Alten
Domfriedhof pflegten. Aber sie gebe den Verstorbenen einen Namen und den
Hinterbliebenen noch Jahre nach der Beisetzung einen Ort der Trauer.
Larscheid, der Leiter des Reinickendorfer Gesundheitsamtes, wünscht sich
mehr: Eine richtige Trauerfeier für jeden Verstorbenen etwa und einen
einfacheren Weg für Hinterbliebene, davon zu erfahren. Ginge es nach ihm,
so würden die ordnungsbehördlichen Bestattungen ganz verstaatlicht – weg
von privatwirtschaftlichen Konkurrenzkämpfen, Dumpingpreisen und
Akquiseüberlegungen. Das unengagierte Verhalten des Staates, es sei auch
ein Signal an die Bürger, wie wenig sie ihm wert seien.
In der aktuellen Ausschreibung des Landesverwaltungsamtes ist zumindest ein
einfacher Blumenschmuck für alle ordnungsbehördlichen Bestattungen
vorgesehen. In der Kapelle des Alten Domfriedhofs wird er dann vor der
schmucklosen Aschekapsel stehen, mit ihr zum Urnengrab getragen. Was in
dieser Gesellschaft als würdevoller Abschied angesehen wird – auch für
Menschen, an deren Grab vielleicht niemand steht – wird also weiter
verhandelt.
Eines aber, sagt Galina Kalugina von der Friedhofsverwaltung des Alten
Domfriedhofs, dürfe man dabei nicht aus den Augen verlieren: Ein einsamer
Tod in Armut sei vor allem ein Symptom für ein einsames, armes Leben. „Ist
das nicht der viel größere Skandal?“
Mitarbeit: Luise Land
26 Feb 2020
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Manuela Heim
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