# taz.de -- Forderungen nach dem Anschlag von Halle: Politik reagiert auf Terro… | |
> Nach dem antisemitischen Anschlag in Halle fordert die Politik mehr Härte | |
> gegen Online-Hetzer, Überwachung und Verbote. Auch Gamer sind im Fokus. | |
Bild: Gedenken an die Opfer des Anschlags von Halle am Sonntag in Berlin | |
BERLIN/MAGDEBURG taz | Nach dem rechtsterroristischen Anschlag von Halle | |
mit zwei Toten diskutiert die Politik eine Vielzahl an Forderungen, wie auf | |
die Gewalttat zu reagieren ist. Gleichzeitig tagte am Montag der | |
Innenausschuss in Sachsen-Anhalt in einer Sondersitzung zu der Tat, ebenso | |
das Parlamentarische Kontrollgremium im Bundestag. | |
Am Mittwoch hatte der Rechtsextremist Stephan B. versucht, [1][schwer | |
bewaffnet die jüdische Synagoge in Halle zu stürmen]. Als dies misslang, | |
erschoss er eine Passantin und später einen Mann in einem Dönerimbiss. | |
Seine Tat übertrag er live ins Internet. Der 27-Jährige wurde schließlich | |
festgenommen und gestand die Tat. | |
Die Behörden beteuerten hinter den verschlossenen Türen der Ausschüsse laut | |
Teilnehmern erneut, dass Stephan B. bisher nicht nicht auffällig war. Dass | |
sie den Attentäter nicht auf dem Schirm hatten, wird für sie nun aber auch | |
zum Problem: Denn B. war politisch ja durchaus aktiv – offensichtlich als | |
[2][Teil einer rechtsextremen Onlinekultur, auf sogenannten Imageboards]. | |
Die Forderungen, welche die Politik nun erhebt, haben damit zu tun – aber | |
nicht nur. | |
## Vorgehen gegen Online-/Gamer-Plattformen | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer kündigte an, [3][die Gamer-Szene | |
„stärker in den Blick zu nehmen“]. Nach prompter Kritik präzisierte der | |
CSU-Mann: Nicht alle Gamer seien das Problem, aber ihre Plattformen würden | |
von Rechtsextremisten „als Bühne für ihre rechtswidrigen Inhalte | |
missbraucht“. Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster ging weiter: „Braucht | |
die Menschheit ein Spiel, wo es darum geht, Punkte zu sammeln, wenn man | |
möglichst viele Menschen tötet? Ich glaube, diese Frage darf man stellen.“ | |
Opposition und SPD hielten dagegen. „Das Problem heißt Rechtsextremismus, | |
nicht Gamer oder sonst was“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Auch | |
CSU-Verkehrsminister Markus Scheuer warnte vor „Pauschalurteilen“. | |
Tatsächlich werden auf einigen Online- und Gaming-Plattformen auch | |
Rechtsterroristen gefeiert. Auf einem postete auch Stephan B. vor seiner | |
Tat seinen Anschlagsplan, auf dem Streamingdienst Twitch übertrug er den | |
Angriff live. Die Behörden reagierten auf diese Szene spät. Denn schon der | |
NSU-Terrorist Uwe Mundlos soll über Teamspeak kommuniziert haben, das Gamer | |
für ihre Chats nutzen. Und auch David S., der 2016 in München neun | |
Migranten erschoss, bewegte sich auf Spieleplattformen wie Steam, seine | |
Waffe bezog er über das Darknet. | |
Der Verfassungsschutz sprach zuletzt von mehreren hundert Internetprofilen | |
der rechtsextremen Szene, die man im Blick habe. Die Zahl der Kanäle und | |
deren Fluktuation sei aber hoch. Es sei unmöglich, alles im Blick zu haben. | |
Der CDU-Vorstand beschloss am Montag ein Maßnahmenpaket, in dem nun der | |
Einsatz von Software zur Analyse von „big data“ gefordert wird – eine Art | |
digitale Rasterfahndung. Damit könnte das Netz nach bestimmten Stichworten | |
oder IP-Adressen durchsucht werden. | |
Der Verfassungsschutz will zudem, laut einem internen Papier, demnächst ein | |
„digitales Lagebild“ erstellen. Relevante Plattformen sollen dafür | |
systemisch ausgewertet, und mit einem „Zielpersonen-Monitoring“ soll auch | |
gezielt nach Radikalisierungen einzelner Nutzer Ausschau gehalten werden. | |
[4][Auch das Bundeskriminalamt kündigte den Aufbau einer „nationalen | |
Zentralstelle“ an], um die Verfasser von Hasspostings zu identifizieren und | |
zu verfolgen. Diese Maßnahmen wurden indes bereits nach dem Mord am | |
Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke angeschoben – bei dem die | |
Behörden den Täter ebenfalls nicht auf dem Schirm hatten. | |
## Vorgehen gegen Hasspostings | |
Hier sind sich Seehofer und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) | |
einig: Hasspostings auf Internetportalen müssten konsequenter bestraft | |
werden. Bei Hetzbeiträgen sollten Provider verpflichtet werden, die | |
IP-Adressen der Nutzer an das Bundeskriminalamt übermitteln, so Seehofer. | |
Auch sollten Strafen für Hasspostings verschärft werden. | |
Geschehen müsste dies über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, mit dem | |
[5][Betreiber wie Facebook verpflichtet werden, Hasspostings zu entfernen]. | |
Aber: Online-Gaming-Portale sind von der Koalition, anders als anfänglich | |
geplant, davon gar nicht umfasst. Nun solle das Gesetz erweitert werden, | |
heißt es im CDU-Papier. | |
## Mehr Überwachung durch den Verfassungsschutz | |
Der Vorschlag liegt schon lange auf dem Tisch: Der Verfassungsschutz soll | |
verschlüsselte Nachrichten von Messengerdiensten wie Whatsapp mitlesen | |
dürfen. Zudem soll dem Amt erlaubt werden, Online-Durchsuchungen auf PCs | |
durchzuführen. Gleiches soll auch für die Bundespolizei gelten. [6][Über | |
einen solchen Gesetzentwurf streitet das Innenministerium seit Monaten mit | |
dem Justizministerium]. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht | |
(CDU) bekräftigte am Montag, die Behörden dürften im Digitalen „nicht blind | |
und taub sein“. Aber: Stephan B. hätten diese überhaupt erst mal im Blick | |
haben müssen, um ihn zu überwachen – was ja nicht der Fall war. | |
Die CDU fordert zudem die Rückkehr der Vorratsdatenspeicherung. Telefon- | |
und Internetfirmen müssten dann speichern, wann und mit wem Kunden | |
kommunizierten. [7][Der Europäische Gerichtshof hält die Speicherung aber | |
für unverhältnismäßig]. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber | |
warnte davor, nun „pauschal die anlasslose und automatisierte Auswertung | |
von Kommunikation zu ermöglichen“. Dies wäre ein tiefer Einschnitt in die | |
Grundrechte auch von unbescholtenen Bürgern. | |
## Verbote | |
Schon nach dem Lübcke-Mord kündigte Seehofer Verbote von rechtsextremen | |
Gruppen an, [8][namentlich etwa Combat18]. Dies bekräftigt er nun: Derzeit | |
liefen sechs Verbotsprüfungen. | |
SPD-Politiker forderten nun auch ein Verbot der Identitären – welche die | |
geistigen Brandstifter für die Tat seien. Ein direkter Bezug von Stephan B. | |
zu den Gruppen ist bisher nicht bekannt. Allerdings wetterte auch B. in | |
seinem Tatvideo gegen „Masseneinwanderung“ – das Leitthema der Identitär… | |
Auch die AfD steht im Fokus: Mehrere Innenpolitiker forderten, die Partei | |
komplett unter Beobachtung zu stellen. Bislang prüft der Verfassungsschutz | |
nur eine Beobachtung des rechtsextremen „Flügels“ in der Partei. Auch | |
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte die AfD als „politischen Arm | |
des Rechtsradikalismus“ bezeichnet. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak warf | |
der Partei am Montag das Schüren von Hass vor. | |
## Schutz jüdischer Einrichtungen | |
Schon direkt nach der Tat beschloss Sachsen-Anhalt, künftig alle Synagogen | |
im Land rund um die Uhr durch Polizisten zu beschützen. Inzwischen gilt das | |
auch für Moscheen. Seehofer will zudem Synagogen bundesweit baulich besser | |
schützen. | |
Bei dem Anschlag in Halle war die Synagoge nicht von Polizisten geschützt. | |
Die Gemeinde hatte kritisiert, dass ihr trotz Anfragen Schutz verwehrt | |
wurde. Stahlknecht sagte, er könne nachweisen, dass man keine Bitte | |
ausgeschlagen habe. Man sei im Gespräch mit der Gemeinde. | |
14 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Attentaeter-von-Halle/!5629072 | |
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[3] /Rechtsextremistischer-Anschlag-in-Halle/!5632848 | |
[4] /Bekaempfung-des-Rechtsextremismus/!5618856 | |
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[6] /Seehofer-will-Verfassungsschutz-aufruesten/!5580037 | |
[7] /Bundesverwaltungsgericht-zu-Datenschutz/!5630121 | |
[8] /Moegliches-Verbot-von-Combat-18/!5625774 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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