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# taz.de -- Anschlag auf Synagoge in Halle: Terrorist fuhr an Polizei vorbei
> Das Innenministerium von Magdeburg veröffentlicht ein neues
> Minutenprotokoll. Es gibt Widersprüche zwischen den Angaben und dem Video
> des Täters.
Bild: Polizei in Halle am Tag des Anschlags
Berlin/Magdeburg taz | Die Polizei in Sachsen-Anhalt hätte den
[1][Attentäter von Halle, Stephan B.], bereits früher stoppen können, als
bislang bekannt war. Nach dem neuen, detaillierteren Einsatzprotokoll, das
am Montag im Innenausschuss im Magdeburger Landtag vorgestellt wurde und
der taz vorliegt, konnte der rechtsextremistische Terrorist auf seinem
Fluchtweg an einer Polizeistreife direkt [2][vor der Synagoge]
vorbeifahren.
Stephan B. nahm als Fluchtweg zunächst exakt die Route zurück, auf der er
von der Synagoge zum Döner-Imbiss gefahren war, in dem er seinen zweiten
Mord verübte. Um 12.11 Uhr, sieben Minuten nach dem ersten Notruf, traf der
erste Polizeiwagen vor der Synagoge an der Humboldtstraße ein, drei Minuten
später eilte eine zweite Streife herbei, „um den Tatort Humboldtstraße von
beiden Seiten abzusperren“, wie es im Bericht des Landesinnenministeriums
heißt.
Auf seinem Fluchtweg fuhr Stephan B. laut Bericht „auf dem Fußweg“ an der
Streife vorbei. In dem Moment standen demnach die Polizisten auf der Straße
neben ihrem Auto, um schusssichere Westen anzulegen, und konnten offenbar
nicht schnell genug in ihr Auto springen und die Verfolgung aufnehmen. Wo
der zweite Polizeiwagen zu dem Zeitpunkt stand, geht aus dem Bericht nicht
hervor. In dem Video des Terroristen ist zu sehen, wie Stephan B. kurz vor
der Synagoge das Lenkrad nach links reißt – womöglich um der Polizei
auszuweichen. Wortlos und mit normaler Geschwindigkeit fährt er an ihr
vorbei.
Danach konnte er sich absetzen; erst rund eine Stunde später wurde er auf
der Autobahn 9 wieder gesichtet und wenig später bei Zeitz südlich von
Halle gestellt – von normalen Beamten der örtlichen Polizei. In der
Zwischenzeit hatte er zwei Menschen östlich von Halle beim Versuch, ein
Fluchtfahrzeug zu rauben, angeschossen und schwer verletzt.
## Unklare Angaben zum zweiten Mord
Widersprüchlich bleiben die Details des Einsatzes der Polizei am
Döner-Imbiss, in dem ein 20-jähriger Kunde vom Täter regelrecht
hingerichtet wurde. Stephan B. hatte genug Zeit, um – nach der Zeitabfolge
des Videos um 12.17 Uhr – wieder in den Imbiss zu gehen, wo er noch einmal
auf das wehrlose Opfer schoss und es vermutlich tötete.
Laut Bericht des Innenministeriums war ein erster Streifenwagen bereits
zwei Minuten vorher kurz vor dem Imbiss eingetroffen – hielt aber Abstand
zum Tatort und griff nicht ein. „Unmittelbar danach“ kam es demnach zum
Schusswechsel mit der Polizei, und um 12.16 Uhr soll der Terrorist von
Polizeischüssen verletzt worden sein. Nach der Zeitfolge im Video fallen
die Schüsse aber erst zwei Minuten später. „Oh, da ist Polizei, jetzt sterb
ich“, nuschelt Stephan B., hält an und steigt aus. Es kommt zu einem
Schusswechsel mit der Polizei, Stephan B. wird am Hals getroffen, fällt und
liegt für etwa fünf Sekunden am Boden. Danach steigt er wieder ein und
flüchtet.
Nach dem Terroranschlag hatte es Kritik gegeben, dass die Polizei zu lange
gebraucht habe, um zu den Tatorten kommen. Ebenso kritisiert der Präsident
des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, scharf, dass die
Synagoge von Polizeikräften nicht gesichert wurde – so wie es bei jüdischen
Gotteshäusern in anderen Bundesländern getan wird.
Politiker der schwarz-rot-grünen Koalition in Magdeburg nahmen am Montag
Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) in Schutz. Der innenpolitische
Rüdiger Erben (SPD) sagte laut Magdeburger Volksstimme: „Es ist sehr, sehr
viel richtig gemacht worden“. Sein Kollege von den Grünen, Sebastian
Striegel, befand: „Der Polizeieinsatz ist insgesamt erfolgreich verlaufen.“
15 Oct 2019
## LINKS
[1] /Attentaeter-von-Halle/!5629072
[2] /Das-Attentat-von-Halle/!5628896
## AUTOREN
Gunnar Hinck
## TAGS
Halle
Antisemitismus
Synagoge
Rechtsextremismus
Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Games
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