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# taz.de -- Europa-Wahl: Der Norden ist grün
> Auch in Norddeutschland triumphieren die Ökos, in Hamburg und
> Schleswig-Holstein sogar als stärkste Partei. Die SPD stürzt überall ab.
Bild: Europa hat ziemlich grün gewählt. Das gilt auch für Norddeutschland
Hamburg taz | In Schleswig-Holstein geht kein Weg an Robert Habeck vorbei,
auch nicht nach dem Wechsel des grünen Polit-Stars in die Bundespolitik.
„Dass mein Landesverband so fantastisch abschneidet, lässt mein
lokalpatriotisches Herz doppelt so schnell schlagen“, sagt der Grünen-Chef
über die Europa-Wahl im hohen Norden. Mit 29,1 Prozent – ein Plus von 16,7
Prozent gegenüber der Europawahl 2014 – wurden die Grünen im konservativ
geprägten Land zwischen den Meeren erstmals stärkste politische Kraft.
Einige Beobachter gehen bereits davon aus, dass sich die Statik im
regierenden Jamaika-Bündnis zulasten von CDU und FDP verschieben wird.
## Schleswig-Holstein
Die Union von Ministerpräsident Daniel Günther erreichte nach dem
vorläufigen Landesergebnis nur 26,2 Prozent (2014: 34,4 Prozent) und
schnitt damit schlechter ab als die CDU im Bundesdurchschnitt. Die SPD
sackte noch stärker ein: von 31,9 Prozent vor fünf Jahren auf 17,1 Prozent.
Die AfD holte 7,4 Prozent, die FDP 5,9, die Linke 3,7 Prozent und die
Piraten mit 0,7 Prozent einen Sitz im Europaparlament, weil es bei der
kontinentalen Wahl keine Prozent-Hürde gibt.
Die Spitzenresultate verbuchten die Grünen in den beiden größten Städten
Schleswig-Holsteins, die traditionell SPD-Hochburgen waren. In Kiel wurden
sie mit 37,0 Prozent stärker als CDU (16,8) und SPD (16,4) zusammen. Auch
in Lübeck liegen die Grünen mit 31,6 vor der CDU mit 20,4 Prozent und der
SPD mit 19,5 Prozent.
Der Wahlausgang werde die Atmosphäre in der seit knapp zwei Jahren
amtierenden Jamaika-Koalition beeinflussen, glaubt der Kieler
Politikwissenschaftler Wilhelm Knelangen. Die Grünen stünden jetzt vor der
Frage, „ob sie nicht auch eine Regierung führen können“ – und dürften
künftig noch selbstbewusster auftreten, etwa im koalitionsinternen Konflikt
um den Ausbau der Windenergie sowie in der Verkehrs- und Klimapolitik.
## Hamburg
Ein ähnliches Szenario steht Hamburg und der dortigen rot-grünen Koalition
bevor. Hier erreichten die Grünen 31,2 Prozent – ein Plus von 14,0 Prozent
gegenüber 2014. Die SPD hingegen stürzte um 14,0 Punkte auf 19,8 Prozent
ab. Zu erwarten ist, dass sich dieses Ergebnis auch bei den Wahlen zu den
sieben Bezirksversammlungen, die ebenfalls am Sonntag durchgeführt wurden,
wiederholt. Ein vorläufiges Ergebnis sollte im Laufe der Nacht zu Dienstag
vorliegen.
Die Hamburger CDU verlor weiterhin an Boden: 17,7 Prozent bedeuteten
Einbußen von 6,9 Punkten. Mit 7,0 Prozent musste die Linke einen leichten
Verlust von 1,6 Punkten hinnehmen. Zulegen konnten die FDP um 1,9 Punkte
auf 5,6 Prozent und die AfD um 0,5 Punkte auf 6,5 Prozent. Die
Satire-Partei „Die Partei“ landete mit einem Plus von 2,9 Punkten bei 3,8
Prozent und entsendet einen Abgeordneten nach Europa. Nico Semsrott
versprach noch am Wahlabend seinen WählerInnen: „Ich werde Euch auf jeden
Fall enttäuschen.“
Besondere Brisanz kommt dem Hamburger Ergebnis zu, weil dort in neun
Monaten die Bürgerschaft neu gewählt wird. Sollten die Grünen dann erneut
stärkste Partei werden, könnten sie mit ihrer Spitzenkandidatin Katharina
Fegebank Hamburgs erste Erste Bürgermeisterin stellen – und sich den
Koalitionspartner aussuchen. Nach heutigem Stand würde es für Grün-Rot wie
auch für Grün-Schwarz reichen.
## Niedersachsen
Ein „Hammerergebnis“ nennt Katrin Langensiepen, grüne EU-Spitzenkandidatin
aus Niedersachsen, das Ergebnis ihrer Partei: Mit 22,6 Prozent liegt die
Öko-Partei zwar hinter der CDU mit nicht ganz 30 Prozent, aber vor der SPD
mit nicht einmal 21 Prozent. Damit schreitet deren Bedeutungsverlust weiter
voran. Für SPD-Ministerpräsident Stephan Weil war der Sonntag ein
„schlimmer Abend“, wie er im NDR betonte. Bei der Europawahl 2014 wurde
seine Partei noch zweitstärkste Kraft, jetzt hat sie 11,6 Prozentpunkte
verloren. Bei der Landtagswahl 2017 war sie mit nicht ganz 37 Prozent sogar
noch absolute Favoritin.
Das ist jetzt alles vorbei, nun hat die SPD in Weils Augen „jede Menge
Baustellen“. Denen wolle er sich als Landesvater aber weiter stellen,
Ambitionen in der Bundespolitik habe er nicht.
Auch bei der CDU war mit Einbußen gerechnet worden. Zwar landeten die
niedersächsischen Christdemokraten auf dem ersten Platz, büßten aber im
Vergleich zur EU-Wahl vor fünf Jahren 9,5 Prozentpunkte ein. „Das Ergebnis
entspricht nicht unserem Anspruch als Volkspartei“, zeigte sich
CDU-Landeschef Bernd Althusmann reumütig.
Als absolute Überraschung dürfen aber die Grünen-Ergebnisse einzelner
Regionen sowie – gemäß dem Bundestrend – in größeren Städten gezählt
werden. So wurden die Grünen in den Landkreisen Lüchow-Dannenberg und
Lüneburg mit jeweils 28,6 Prozent stärkste Kraft, ebenso in Städten wie
Oldenburg mit 35,7 Prozent und Osnabrück mit 33,3 Prozent.
In Hannover landete die Ökopartei zum ersten Mal an der Spitze: Mit über 31
Prozent ließ sie CDU (19,7 Prozent) und SPD (19,5 Prozent) weit hinter
sich. „Das ist ein sensationelles Ergebnis“, sagte Gisela Witte,
Vorsitzende des Grünen-Stadtverbandes. „Jetzt sind wir mit der SPD und der
CDU auf Augenhöhe.“ Nun hofft die Partei auf „Rückenwind“ bei der Wahl …
neuen Oberbürgermeister in Hannover im November. Der SPD-Politiker Stefan
Schostok ist wegen der sogenannten „Rathausaffäre“ vor einem Monat
zurückgetreten.
Wen die Grünen nominieren werden, wollen sie am 12. Juni bekannt geben –
wahrscheinlich eine Frau.
## Bremen
Besonders kompliziert ist die Lage in Bremen, wo am Sonntag Europa- und
Bürgerschaftswahl zusammen stattfanden – mit durchaus unterschiedlichen
Resultaten. Bei der Europawahl blieb die SPD mit 24,4 Prozent stärkste
Partei vor den Grünen mit 22,7 Prozent und der CDU mit 21,9 Prozent. Mit
deutlichen Abständen kamen die Linke auf 7,9 Prozent, die AfD auf 7,7
Prozent und die FDP auf 4,7 Prozent.
Bei der Bürgerschaftswahl hingegen verlor die SPD erstmals seit 1949 den
ersten Platz. Die CDU liegt mit 24,8 Prozent knapp vor der SPD mit 23,9
Prozent. Die Grünen erreichten nur 16,4, die Linken dafür 10,3 Prozent. Die
FDP kam auf 5,8 und die AfD auf 6,2 Prozent. Jetzt wollen CDU und SPD um
die Grünen als Koalitionspartner werben.
28 May 2019
## AUTOREN
Simone Schmollack
Sven-Michael Veit
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