| # taz.de -- Grünen-Europapolitiker über Lobbyismus: „In Berlin hängt die L… | |
| > Die EU unternehme viel gegen den Einfluss von Lobbyisten, sagt der Grüne | |
| > Sven Giegold. Davon müsse Deutschland lernen. | |
| Bild: Hat eine große Lobby: Das Berlaymont in Brüssel, der Sitz der EU-Kommis… | |
| taz: Herr Giegold, Konzerne haben zu viel Macht in Europa: [1][Das | |
| kritisiert Lobbycontrol]. Die Lage in Brüssel sei aber besser als in | |
| Berlin. Teilen Sie das? | |
| Sven Giegold: Ja, aber nur weil in Berlin [2][die Latte maximal tief hängt] | |
| und viel zu wenig gegen verdeckten Einfluss von Lobbys unternommen wird – | |
| dort gibt es nicht einmal ein Lobbyregister, geschweige denn | |
| Lobbytransparenz im Bundestag oder bei der Regierung. Das ist leider nicht | |
| ungewöhnlich, weil wir in fast allen EU-Ländern weit schwächere Regeln | |
| haben als in Brüssel. | |
| Was läuft besser in Brüssel? | |
| Die Liste ist lang. Das Wichtigste ist vielleicht, dass Lobbyisten weder | |
| bei den Kommissaren noch bei ihren engsten Mitarbeitern Termine bekommen, | |
| ohne dass das registriert wird. Alle Lobbytermine werden öffentlich | |
| gemacht. Man kann auch einsehen, wer die bezahlenden Auftraggeber hinter | |
| den Lobbyisten und wie hoch die Lobbybudgets sind. | |
| Und obwohl die Christdemokraten und Liberalen die Transparenz scheuen wie | |
| der Teufel das Weihwasser und auch die Sozialdemokraten gezaudert haben, | |
| haben wir als Grüne im Europaparlament in einem dreijährigen Tauziehen viel | |
| durchgesetzt. In Zukunft werden auch im Parlament immerhin alle wichtigen | |
| Lobbytreffen offengelegt. Da sollte der Bundestag nachziehen. | |
| Bei der [3][Reform des EU-Urheberrechts] bombardierten Lobbyisten das | |
| Parlament regelrecht. | |
| Ja. Die Befürworter von Artikel 13 haben Google & Co. beschuldigt und die | |
| Gegner haben die Verlage attackiert. Letztlich haben beide Seiten nicht mit | |
| Marzipankartoffeln geschossen. Es war viel, aber es war auch verteilt. Es | |
| wäre ja schön, wenn es immer so wäre. Aber die Realität ist ja doch, dass | |
| die Lobbymacht nicht fair aufgeteilt ist. Die Konzerne haben mehr | |
| Ressourcen, da reicht der Blick auf die fossile Energielobby. Transparenz | |
| allein reicht nicht. Wir müssen auch die politische und wirtschaftliche | |
| Ungerechtigkeit dahinter begrenzen. | |
| Unternehmen und Politiker klagen, die NGOs bekämen immer mehr Macht, etwa | |
| durch Internet-Kampagnen. | |
| Ich bitte Sie. Sicherlich gibt es NGOs, die clevere Kampagnen machen oder | |
| genügend Spender im Rücken haben. Und sicher gibt es auch Politikfelder, in | |
| denen das Ungleichheitgewicht nicht so groß ist wie in anderen. Aber ein | |
| Blick in das Lobbyregister der EU zeigt, dass die größten Geldgeber | |
| regelmäßig die Wirtschaftsverbände und Unternehmen sind. Dasselbe zeigt | |
| sich, wenn man sich die Liste derjenigen anschaut, die nach dem Ausscheiden | |
| aus öffentlichen Ämtern in Lobbyjobs gelandet sind. Die landen in aller | |
| Regel nicht bei den kritischen NGOs. | |
| Die Seitenwechsel von Politikern sorgen in Brüssel immer wieder für | |
| Schlagzeilen. Der ehemalige Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat | |
| einen hoch dotierten Job bei Goldman Sachs gefunden, der frühere | |
| Generalsekretär der EU-Kommission, Alexander Italianer, berät nun eine | |
| Lobbyfirma. Was halten Sie davon? | |
| Beides ist enormes Fehlverhalten und geeignet, den Ruf der europäischen | |
| Institutionen schwer zu beschädigen. Wobei der Fall Italianer vermutlich | |
| noch schlimmer ist als der Seitenwechsel von Barroso. Denn Italianer war | |
| der Chef der Wettbewerbsbehörde, die über milliardenschwere Fusionen | |
| entscheidet – man denke nur an [4][Bayer und Monsanto]. | |
| Dann zu einer Beratungsfirma im gleichen Bereich zu wechseln, das | |
| beschädigt die Integrität der europäischen Institutionen. Das Problem ist, | |
| dass der Integritätsausschuss, der diese Fragen regeln soll, selbst | |
| intransparent ist. Wir brauchen einen starken, unabhängigen und | |
| transparenten Ethikausschuss, damit Fälle wie Barroso und Italianer sich | |
| nicht wiederholen können. | |
| Was muss sich noch ändern, um für Transparenz zu sorgen? | |
| Die größte Lücke sind die Mitgliedsländer. Es gibt keine wirksamere Lobby | |
| der Autoindustrie als die deutsche Große Koalition. Wenn man den Lobbyismus | |
| in der EU transparent machen will, dann müssen auch die Regierungen der | |
| Mitgliedsländer transparent werden. Dazu müssten auch die Ständigen | |
| Vertretungen der Mitgliedsländer in Brüssel ihre Treffen offenlegen. Die | |
| Finnen tun es bereits. | |
| 29 Apr 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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