# taz.de -- Rechter Terror in Deutschland: Nicht die erste Drohung | |
> Seit Jahren werden in Deutschland Moscheen attackiert. Nach Christchurch | |
> fürchten Muslime, dass es zum Schlimmsten kommt. | |
Bild: Wenn aus Propaganda Taten folgen: Dresden im September 2016 | |
Berlin taz | Es ist erst einige Wochen her, da bekam Aiman Mazyek eine | |
E-Mail. Es ist ein Aufruf, ihn „abzuschlachten“ und „eure Gebetshäuser | |
niederzubrennen“. „Möge das Blut in den Straßen in Strömen fließen“, … | |
es darin. Unterzeichnet war das Schreiben mit „NSU 2.0“. | |
Es war nicht die erste Drohung. Schon seit Jahren erhält der Vorsitzende | |
des Zentralrats der Muslime Morddrohungen. Als es vor einem Jahr immer | |
heftiger wurde, als er auch am Telefon bedroht wurde und schließlich ein | |
Brief mit weißem Pulver eintraf, beschloss Mazyek die Geschäftsstelle des | |
Zentralrats in Köln vorübergehend zu schließen. Aber es ging weiter. | |
Das „NSU 2.0“-Schreiben nennt Mazyek, ein kräftiger, sonst gelassener | |
Mann, „drastisch und abstoßend“. „Ich nehme das durchaus ernst.“ Er ha… | |
das Schreiben damals umgehend an die Polizei weitergeleitet. Das Einzige, | |
das er darauf gehört hat: Es gebe keine akute Bedrohung. | |
Aiman Mazyek aber hat Angst, dass das nicht stimmt. Dass es nicht bei | |
Drohungen bleibt. | |
Denn in Christchurch verübte vor einer Woche ein Rechtsextremist ein | |
Attentat: Mit Gewehren stürmte Brenton Tarrant in zwei Moscheen und | |
erschoss 50 Menschen. In einem „Manifest“, 74 Seiten, rühmte er seine Tat | |
als Widerstandsakt gegen eine angeblich muslimische „Invasion“. [1][Es war | |
eine der schwersten Rechtsterrortaten] weltweit. | |
## 578 islamfeindliche Straftaten | |
Könnte so ein Anschlag auch in Deutschland passieren? | |
Aiman Mazyek glaubt, es könnte. „Seit Jahren werden Moscheen auch hier | |
bedroht und angegriffen. Nach Christchurch herrscht in vielen Gemeinden | |
richtige Angst.“ Die Stadt in Neuseeland ist mehr als 18.000 Kilometer weit | |
weg. Aber doch sehr nah. | |
Tatsächlich zählte die Polizei im vergangenen Jahr allein bis Ende | |
September 578 islamfeindliche Straftaten – Sachbeschädigungen, | |
Körperverletzungen, Beleidigungen. Der Zentralrat der Muslime notierte in | |
diesem Jahr bereits 20 Angriffe auf muslimische Einrichtungen. In Stuttgart | |
gab es eine Brandstiftung, in Rostock legten Unbekannte einen Schweinekopf | |
und Tierpfoten auf das Baugelände einer Moschee, in Halle wurden bei einer | |
von Muslimen betriebenen Flüchtlingseinrichtung die Fensterscheiben | |
eingeworfen. Zuvor schon wurde in der Stadt eine Moschee wiederholt mit | |
einem Luftgewehr beschossen. | |
Auch in Erfurt herrscht jetzt wieder Angst. „So ein Anschlag wie in | |
Christchurch kann jederzeit und überall stattfinden“, sagt auch Suleman | |
Malik, Sprecher der örtlichen Ahmadiyya-Gemeinde. Im November hatte diese | |
den Grundstein für eine neue Moschee gelegt, nach acht Jahren Planung. Er | |
sei in dieser Zeit mehrfach angespuckt und verbal bedroht worden, erzählt | |
Malik. Am Bauplatz stellten Unbekannte meterhohe Holzkreuze auf, ein | |
anderes Mal wurden Schweinekadaver aufgespießt. | |
## Eine Herausforderung | |
Immer wieder gebe es Aufrufe zu Gewalt in den sozialen Medien, sagt Malik, | |
zu Brandstiftung etwa. „Wenn so etwas vorkommt, oder jetzt nach dem | |
Anschlag in Christchurch, übernachtet auch jemand auf der Baustelle.“ | |
Es ist nicht nur die Angst. Suleman Malik bewegt dieser Tage noch etwas: | |
das Gefühl alleingelassen zu werden. „Keiner hat uns gefragt, wie es uns | |
geht“, sagt er. Auch von der Stadt oder Polizei habe sich niemand an die | |
Gemeinde gewandt. „Als wäre nichts passiert.“ | |
Eigentlich sucht die Ahmadiyya-Gemeinschaft die Öffentlichkeit. Zuletzt | |
habe er mehrere Tage mit einem Plakat auf dem „Thüringentag“ gestanden und | |
über den Moscheebau informiert, erzählt Malik. Doch mehr als den Dialog | |
anbieten, könnten sie nicht tun. „Es ist eine Aufgabe für die gesamte | |
Gesellschaft, zusammenzustehen und etwas gegen den Rechtsruck und den Hass | |
zu tun.“ | |
Aber das passiert nicht, so sieht es zumindest Malik: Es sei ein Klima in | |
Deutschland entstanden, dass den Muslimen eine Art Mitschuld an allen | |
möglichen Problemen gebe. „Die Rechtspopulisten haben es geschafft, | |
Rassismus und Islamophobie inmitten der Gesellschaft zu verankern“, sagt | |
er. Das wiederum ermutige zunehmend Menschen, die Hassrede in Taten | |
umzusetzen. „Es ist schwierig für mich als Muslim, hier in Würde zu leben�… | |
sagt Malik mit leiser Stimme. „Es wird mehr und mehr zu einer | |
Herausforderung.“ | |
## Radikalisierung auf einer Europareise | |
Noch sind die Bedrohungen in Deutschland weit von dem Massaker in | |
Christchurch entfernt. Aber der Terror war auch hierzulande schon ganz nah. | |
Bereits 2009 tötete ein Rechtsextremist in Dresden die Muslimin [2][Marwa | |
El-Sherbini mit 16 Messerstichen]. Die Ägypterin beschimpfte er als | |
„Terroristin“, die in Deutschland nichts zu suchen habe. Dem Gericht | |
schrieb der Mann später, der Islam sei eine „verrückte Religion“, ihre | |
Anhänger sehe er als „Feinde“. Ganz ähnlich klingt das jetzt im „Manife… | |
des Christchurch-Attentäters. | |
Auch die Neonazigruppe „Oldschool Society“ diskutierte schon 2015 über | |
einen „bewaffneten Kampf gegen Salafisten“. Ihr Chef [3][schlug vor:] | |
„Waffen besorgen, Moschee reinrennen, bambam, fertig.“ Die Polizei nahm die | |
Gruppe hoch, bevor ihre Pläne zu Taten wurden. Das Führungsquartett bekam | |
wegen Rechtsterrorismus Haftstrafen von bis zu fünf Jahren. | |
Ein Pegida-Anhänger schritt 2017 dagegen zur Tat: Er zündete einen | |
Sprengsatz vor einer Moschee in Dresden. Verletzt wurde niemand. Der | |
Rechtsextremist sitzt nun knapp zehn Jahre Haft ab, wegen versuchten | |
Mordes. Die Todesschüsse von Christchurch haben nun auch die deutschen | |
Sicherheitsbehörden aufgeschreckt. Sofort nach dem Attentat prüften sie: | |
Drohen Nachahmertaten hierzulande? Gibt es Bezüge des Attentäters Brenton | |
Tarrant nach Deutschland? Hatte er hier Kontaktleute? War er mal vor Ort? | |
Die Behörden geben bisher Entwarnung: Noch gibt es nur Hinweise auf einen | |
touristischen Besuch Tarrants in Deutschland. Fotos, die er auf seinem | |
Facebook-Profil postete, zeigen das Schloss Neuschwanstein. Auch die Gefahr | |
von Nachahmertaten bleibe bisher „abstrakt“, heißt es in | |
Sicherheitskreisen. Dennoch seien die Polizeidienstellen „sensibilisiert“ | |
worden. | |
Es war Europa, wo sich Brenton Tarrant offenbar radikalisierte. 2017 reiste | |
er laut seines „Manifests“ über Monate durch mehrere Länder. In Frankreich | |
sei sein Entschluss zum Anschlag gefallen – als er die dortige „Invasion“ | |
von Migranten erlebt habe. Warum tue niemand etwas dagegen, habe er sich | |
gefragt. „Dann beschloss ich, selbst etwas zu tun.“ | |
## Mit Breiviks Segen | |
Und Tarrant informierte sich sehr genau über europäische Rechtsterroristen. | |
In seinem Manifest lobt er einen jungen Schweden, der 2015 in einen Schule | |
zwei Erzieher und einen Schüler tötete – in einem Abschiedsbrief | |
kritisierte dieser die Zuwanderungspolitik. Tarrant nennt auch einen | |
Rechtsextremisten, der 2017 in London mit einem Lieferwagen nahe einer | |
Moschee einen Menschen tötete und zehn weitere verletzte. Als Motiv gab | |
dieser Hass auf den Islam an. Oder einen Mann, der im italienischen | |
Macerata 2018 aus seinem Auto auf Migranten schoss und sechs von ihnen | |
verletzte. Die Namen der drei schrieb Tarrant auch auf seine Gewehre, mit | |
denen er in Christchurch tötete. | |
Sein Vorbild aber war vor allem: der Norweger Anders Breivik. Der tötete | |
2011 in Oslo und der Insel Utøya 77 Menschen, die meisten davon Jugendliche | |
eines Feriencamps der Sozialdemokraten. Auch Breivik verklärte dies als Akt | |
gegen eine vermeintliche „islamische Kolonisation“. Tarrant behauptet, | |
Breivik kontaktiert und dessen Segen für seine Tat erhalten zu haben. | |
Es war auf den Tag genau fünf Jahre später, als auch in Deutschland ein | |
junger Mann ein Attentat verübte: David S. erschoss am | |
Olympia-Einkaufszentrum in München neun Migranten. Bis heute wird über das | |
Motiv gestritten. Bayerische Ermittler führen Mobbing an. David S. aber | |
bezeichnete sich auch als Arier, ätzte über „ausländische Untermenschen“… | |
und zielte am Ende nur auf Migranten. Und auch er bewunderte Anders | |
Breivik. | |
Brenton Tarrant erwähnt David S. in seinem „Manifest“ nicht. Aber er | |
schaute durchaus auch nach Deutschland. Die Ereignisse der Kölner | |
Silvesternacht 2015 geißelt er als „schockierend“. Und er benennt | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel als eine seiner größten Feinde: Wenige hätten | |
mehr dafür getan, Europas Bevölkerung „rassisch auszulöschen“. Merkel st… | |
„ganz oben auf der Liste“ derjenigen, die ermordet gehörten. | |
## Ankündigung einer „Systemwende“ | |
Der Hass auf Muslime und Zuwanderer, das Herbeireden einer „Invasion“ – a… | |
das machen auch deutsche Rechtsextremisten. Zuletzt nahm die | |
Bundesanwaltschaft die Gruppe „Revolution Chemnitz“ hoch. Bald sollen sie | |
wegen Rechtsterrors angeklagt werden. Die acht Neonazis sollen Anschläge | |
auf Migranten und politische Gegner geplant haben, sie suchten nach | |
Schusswaffen. Im Zentrum von Chemnitz griffen sie bereits eine Gruppe | |
Iraner an. „Es ist an der Zeit, nicht nur Worte sprechen zu lassen, sondern | |
auch Taten“, hieß es in ihrem internen Chat. Es gehe um eine „Systemwende�… | |
In mindestens sechs weiteren Komplexen ermittelt die Bundesanwaltschaft | |
derzeit zu Rechtsterrorismus, darunter das Unterstützerfeld des NSU und des | |
Kameradschaftsbunds „Aryans“. Im Bereich Islamismus leitete die Behörde im | |
vergangenen Jahr 855 Verfahren ein. | |
Aiman Mazyek, der Zentralrats-Vorsitzende, kann diese Zahlen nicht | |
nachvollziehen. „Ich habe den Eindruck, dass die Behörden im Feld | |
Rechtsterrorismus genauer hingucken müssen. Das Problem wird unterschätzt.“ | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte nach dem | |
Christchurch-Attentat dagegen, dass die Behörden alles täten, um in | |
Deutschland terroristische Angriffe zu verhindern – egal welcher Art. Auch | |
Angriffen auf Moscheen gelte es, „mit aller Härte des Rechtsstaats | |
entgegenzutreten“. | |
Doch haben die Sicherheitsbehörden die Lage wirklich im Griff? | |
## „9mm für Anja und Wolfgang Schmidt“ | |
In der Nacht nach dem Attentat von Christchurch sprühten Unbekannte einen | |
Schriftzug an eine Hauswand in Berlin-Neukölln: „9mm für Anja und Wolfgang | |
Schmidt“. Dazu mehrere Keltenkreuze, ein rechtsextremes Symbol. 9mm, das | |
steht für eine Pistolenpatrone. Ein Mordaufruf. | |
Wolfgang Schmidt ist in Berlin für sein Engagement gegen rechts bekannt. Er | |
und seine Partnerin heißen eigentlich anders. Doch weil die | |
Veröffentlichung ihrer richtigen Namen weitere Angriffe nach sich ziehen | |
könnte, verzichtet die taz darauf. Drei weitere linke Aktivisten waren in | |
Berlin-Neukölln ebenfalls betroffen, auch an ihre Privatadressen wurden in | |
der Nacht Drohungen gesprüht. | |
Viel spricht dafür, dass die Schmierereien zu einer rechtsextremen | |
Angriffsserie gehören, die den Berliner Bezirk bereits seit Mai 2016 | |
erschüttert. Zu dieser Serie gehören 15 Brandanschläge auf die Autos | |
verschiedener Personen, die sich im Bezirk gegen Rechtsextremismus | |
einsetzen. Obwohl die Polizei eine eigene Ermittlungsgruppe zu den | |
Straftaten eingerichtet hat, gibt es bislang keinerlei bekannte | |
Fahndungserfolge. Recherchen der taz zeigten, dass der Verfassungsschutz | |
bei mindestens einem Brandanschlag schon vor der Tat [4][Kenntnis darüber | |
hatte], dass das spätere Opfer von zwei bekannten Neuköllner Rechtsextremen | |
ausspioniert wurde. Warum dennoch weder das Opfer gewarnt noch die Tat | |
verhindert oder die Täter gefasst wurden, ist bis heute nicht aufgeklärt. | |
In einem anderen Fall gab es einen Ermittlungserfolg: Die | |
Bundesanwaltschaft ließ im April 2017 einen 29-jährigen Bundeswehrsoldat | |
festnehmen: [5][Franco A.] Dieser soll einen Anschlag geplant haben, wegen | |
der „aus seiner Sicht verfehlten Ausländer- und Flüchtlingspolitik“, so d… | |
Vorwurf. Franco A. hatte eine Waffe im Flughafen Wien versteckt und habe | |
sich eigens als Geflüchteter in Bayern registrieren lassen – um nach dem | |
Anschlag „den Verdacht auf Asylbewerber zu lenken“. | |
Vier Monate später ließ die Bundesanwaltschaft dann mehrere Grundstücke in | |
Mecklenburg-Vorpommern durchsuchen. Auch hier hegte sie einen | |
Rechtsterrorverdacht: Zwei Männer aus dem Prepper-Milieu, ein Polizist und | |
ein Anwalt, seien ebenfalls Gegner der derzeitigen Zuwanderungspolitik. Sie | |
hätten sich auf einen Tag X vorbereitet und in diesem Fall Linke | |
„festsetzen und mit ihren Waffen töten“ wollen. Die taz deckte auf, dass | |
die beiden Männer mit anderen Polizisten, Soldaten und Behördenmitarbeitern | |
in mehreren Chatgruppen waren, die [6][zu dem bundesweiten | |
„Hannibal“-Netzwerk gehören]. Im Süden mit dabei: Franco A. | |
## „Beängstigende Parallelen“ | |
Bei Franco A. ist bis heute kein Prozess eröffnet, die anderen beiden | |
Männer sind nicht einmal angeklagt. Weil die Beweislage diffus bleibt. Aber | |
die Ermittler fanden bei Franco A. Notizzettel: „Leute wie ihr saugen uns | |
unser Volk aus, das müsst ihr bezahlen“, soll er dort etwa über die Grünen | |
geschrieben haben. Und die Polizisten stießen auf Franco A.s Masterarbeit: | |
Dort heißt es, die „Ursache des heutigen Genozids der Völker in Westeuropa | |
ist die Einwanderung“. | |
Fast genauso schreibt es auch der Christchurch-Attentäter in seinem | |
„Manifest“. Er schwadroniert über eine „Masseneinwanderung“, über ein… | |
„Genozid an den Weißen“. Und nur wenige Tage vor seinem Attentat teilte er | |
auf seinem Twitter-Account einen älteren Artikel über Rechtsextreme in der | |
Bundeswehr. Die Ideologie des Rechtsterrors, sie verfängt längst global. | |
Der Verfassungsschutz stellt fest, dass es eine solche Gefahr auch für | |
Deutschland gibt. Gerade erst stockte das Bundesamt für Verfassungsschutz | |
(BfV) seine Rechtsextremismusabteilung um 50 Prozent auf. „Ein in | |
Einzelfällen fließender Übergang von aggressiver Rhetorik zu konkreten | |
Planungen oder zu tatsächlichen Gewalttaten mit rechtsterroristischen | |
Dimensionen scheint auch künftig möglich“, heißt es vom BfV. Auch | |
„schwerste Straftaten von radikalisierten Einzeltätern“ blieben ein Risiko. | |
Von Leuten wie Franco A.? Wie konkret die Terrorpläne des Soldaten waren, | |
bleibt bis heute unklar. Aber auch der Soldat hatte offenbar schon Ziele im | |
Blick. Ermittler fanden bei ihm eine Liste, die sie für eine „Feindesliste“ | |
halten. Heiko Maas ist dort aufgeführt, Claudia Roth oder Joachim Gauck. | |
Und der Zentralrat der Muslime. | |
Von „beängstigenden Parallelen“ zwischen Christchurch und dem deutschen | |
Rechtsterrorismus, spricht Aiman Mazyek. „Der deutsche Staat darf nicht | |
zulassen, dass sich solche Ideologien und Netzwerke ausbreiten.“ | |
## Keine akute Bedrohung? | |
Und dann sind da noch die „NSU 2.0“-Drohschreiben, mit wüstesten | |
Gewaltandrohungen, von denen auch Mazyeks Zentralrat eines bekam. Mehr als | |
100 solcher Schreiben zählt die Staatsanwaltschaft Berlin inzwischen, bei | |
der die Ermittlungen gebündelt sind. Absender habe man „bislang noch nicht | |
namhaft machen“ können. Mazyek kritisiert die Ermittlungsarbeit: Alles, was | |
ihm die Polizei zu dem „NSU 2.0“-Schreiben mitgeteilt habe, sei, dass es | |
keine akute Bedrohung gebe. | |
Inzwischen nehmen einige muslimische Gemeinden ihre Sicherheit in die | |
eigenen Hände – auch die Ahmadiyya-Gläubigen in Erfurt. Als diese im | |
November ihre Grundsteinlegung feierten, organisierten sie sich ihren | |
Schutz selbst. Das Gelände, auf dem das weiße Festzelt stand, war mit | |
Gittern abgesperrt. Gäste hatten sich namentlich anmelden müssen, die | |
Gemeinde organisierte Einlass- und Taschenkontrollen. | |
Auch für die anderen Moscheen der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Deutschland | |
gebe es eigene Sicherheitskonzepte, berichtet Malik. „Vor allem bei | |
Veranstaltungen und beim Freitagsgebet halten wir immer ein Auge offen.“ | |
Dabei sei es eigentlich Aufgabe des Staats, für die Sicherheit seiner | |
Bürger zu sorgen. Dass solche Maßnahmen überhaupt nötig sind, betrübt | |
Malik. „Gotteshäuser, egal welcher Religion, sollten offene Orte sein.“ | |
Auch Aiman Mazyek sieht den Staat in der Pflicht. Am Dienstag lud er zu | |
einer Pressekonferenz in Berlin – und forderte mehr Schutz für deutsche | |
Moscheen. „Es reicht nicht mehr, an einigen Objekten ab und zu eine Streife | |
vorbeizuschicken.“ Wo nötig, brauche es festen Objektschutz, fordert | |
Mazyek. „Es wäre auch ein Symbol: Der Staat stellt sich schützend vor die | |
Muslime.“ | |
## „Sichtbare Präsenz“ vor Moscheen | |
Seehofer versprach hier nun Hilfe. „Wenn es Anhaltspunkte für Gefahren | |
gibt, wird der Schutz verstärkt“, erklärte der Bundesinnenminister. Auch | |
die Länder reagieren. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) versprach | |
Muslimen, „dass wir alles für Ihren Schutz tun werden, was wir können“. D… | |
Polizei werde „sichtbare Präsenz“ vor Moscheen zeigen, auch Spezialkräfte | |
einsetzen. Polizeigewerkschafter kritisierten umgehend: Angesichts des | |
vorhandenen Personals spreche man hier von einer, „wenn überhaupt, temporär | |
umsetzbaren Symbolpolitik“. | |
Am Freitag aber wird das Versprechen eingelöst. Aiman Mazyek ist zum | |
Freitagsgebet in die Dar-Al-Salam-Moschee in Berlin-Neukölln gekommen. Auch | |
der DGB-Chef Reiner Hoffmann ist dabei, eine Geste der Solidarität. An der | |
Moschee hängt ein großes schwarzes Banner mit den Namen aller 50 | |
Christchurch-Opfer. Und vor der Tür stehen diesmal Polizisten, auch in | |
Zivil. | |
Mazyek spricht vor vollen Reihen von dem „schrecklichen Massaker“ in | |
Neuseeland und der beeindruckenden Solidarität der Gesellschaft dort. | |
Dankbar sei er auch für die „praktischen Schritte“ des Berliner | |
Innensenators. Er hoffe, dass nun auch andere Bundesländer folgten. | |
Wachsam, aber nicht in Panik. „Wir lieben unsere Heimat“, sagt Mazyek. „W… | |
stehen zusammen mit unseren Freunden.“ Die Gläubigen applaudieren. | |
23 Mar 2019 | |
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