# taz.de -- Deutsche Muslime nach Christchurch: In den Moscheen herrscht Angst | |
> Nach dem Attentat in Neuseeland fordert der Vorsitzende des Zentralrats | |
> der Muslime mehr Schutz. Dieses Jahr gab es 20 Angriffe auf Moscheen. | |
Bild: „Nicht spalten lassen“: Gebet in einer Moschee in Hamburg | |
Berlin taz | Aiman Mazyek ist in Sorge. „In unseren Moscheen herrscht | |
teilweise richtige Angst“, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime | |
am Dienstag in Berlin. Nach dem antimuslimischen Attentat im | |
neuseeländischen Christchurch erhalte er viele „sehr, sehr besorgte | |
Rückmeldungen“ auch aus den deutschen Gemeinden. Mazyeks Forderung: Der | |
Staat müsse die Moscheen besser schützen. | |
Am Freitag hatte in Christchurch ein Rechtsextremist bei einem Attentat auf | |
zwei Moscheen 50 Menschen getötet. Von einem „schändlichen Massaker“ | |
spricht Mazyek. Am Dienstagmorgen besucht er mit den | |
Bundestagsvizepräsidenten Claudia Roth und Thomas Oppermann die | |
neuseeländische Botschaft in Berlin und kondoliert. „Wir sind alle | |
Neuseeländer“, erklärt Mazyek dem neuseeländischen Botschafter Rupert | |
Holborow. Der bedankt sich für die große Anteilnahme der letzten Tage. Am | |
Montag kondolierte bereits Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. | |
Holborow appelliert „in so turbulenten Zeiten“ an die Einigkeit einer | |
„inklusiven und toleranten Gesellschaft“. | |
„Unsere Gemeinschaft steht weiterhin für Menschlichkeit und den Respekt vor | |
dem Individuum“, sagt Holborow der taz. Alle Neuseeländer*innen, muslimisch | |
und nichtmuslimisch, müssten nun zusammenstehen. Die gleiche Botschaft | |
vermittelt derzeit die neuseeländische Premierministerin Jacinda Arden, | |
demonstrativ trug sie zuletzt auch ein Kopftuch. „Wir dürfen uns durch den | |
rechten Terror nicht spalten lassen“, sagt Holborow. Am Eingang zu den | |
Botschaftsräumen leuchtet ein weinender Kiwi, das Nationaltier des Landes. | |
Am Nachmittag lenkt Mazyek auf einer Pressekonferenz den Blick auf | |
Deutschland. Nach Christchurch sei die Verunsicherung auch in den hiesigen | |
Gemeinden groß, sagt der Zentralratsvorsitzende. Die Bedrohungslage sei | |
aber schon vorher ernst gewesen. | |
## Bedrohung von Muslimen ernster nehmen | |
Tatsächlich zählte die Polizei im vergangenen Jahr allein bis Ende | |
September 539 islamfeindliche Straftaten in Deutschland. Nach einer eigenen | |
Zählung des Zentralrats waren es seit 2017 mehr als 1.000 Delikte. So | |
fielen etwa in Halle wiederholt Luftgewehrschüsse auf ein muslimisches | |
Kulturzentrum, vor einer Dresdner Moschee wurde ein Sprengsatz gezündet. | |
Laut Mazyek gab es auch in diesem Jahr bereits 20 Angriffe auf Moscheen. | |
Für keine einzige Moschee in Deutschland gebe es bisher dauerhaften Schutz, | |
erklärt Mazyek. Dies müsse sich ändern. „Es reicht nicht mehr, an einigen | |
Objekten ab und zu eine Streife vorbeizuschicken.“ Bund und Länder müssten | |
sich mit den Moscheen zusammensetzen und neue Sicherheitskonzepte | |
erarbeiten. Dies wäre auch ein Symbol: Der Staat stelle sich schützend vor | |
die Muslime. Auch Abdassamad El Yazidi, Generalsekretär des Zentralrats, | |
appelliert: „Die Gemeinden dürfen nicht das Gefühl bekommen, allein | |
gelassen zu werden.“ | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagt am Dienstag Hilfe zu. | |
„Islamfeindliche Straftaten und Angriffe auf Moscheen gilt es mit aller | |
Härte des Rechtsstaats entgegenzutreten. Wenn es Anhaltspunkte für Gefahren | |
gibt, wird der Schutz verstärkt.“ Die Polizeien der Länder berieten | |
gefährdete Einrichtungen, so Seehofer. „Mit großem personellen Aufwand“ | |
werde Objektschutz durchgeführt, wo erforderlich auch Personenschutz. „Der | |
Bundesregierung ist die freie Religionsausübung ein Kernanliegen.“ | |
Mazyek lobt die Ansage: Diese sei „sehr zu begrüßen“. Insgesamt aber werde | |
die Bedrohung von Muslimen und die Gefahr des Rechtsterrorismus hierzulande | |
unterschätzt, kritisiert Mazyek. Die Angriffe auf Moscheen, die | |
Drohschreiben eines „NSU 2.0“, von dem auch der Zentralrat eines erhielt, | |
die verrohte Rhetorik bei Identitären oder Pegida: „Das muss man weitaus | |
ernster nehmen als bisher.“ | |
19 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Kevin Culina | |
Konrad Litschko | |
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