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# taz.de -- Nach dem Terrorangriff auf Moscheen: Erdoğan brüskiert Neuseeland
> In Christchurch werden die ersten Opfer des Anschlags beerdigt. Der
> türkische Präsident Erdoğan nutzt den Terror für Propaganda.
Bild: Trauernde tragen die Leiche eines Opfers des rassistisch motivierten Atte…
Canberra taz | Ein Vater und sein Sohn – sie waren [1][die ersten Opfer]
[2][des Terrorangriffs vom vergangenen Freitag], die am Mittwoch beerdigt
werden konnten. Khaled Mustafa (44) und Hamsa (16) waren als Flüchtlinge
aus dem kriegsgeplagten Syrien nach Neuseeland gekommen, nur um ein Jahr
später in der Moschee in der Stadt Christchurch im Kugelhagel [3][eines
fanatischen Rassisten] zu sterben. Die Körper der beiden wurden auf einem
Friedhof der südneuseeländischen Stadt zu Grabe getragen, nur einen
Steinwurf entfernt von dem Ort, wo sie gestorben waren.
Zaid Mustafa, der zweite Sohn von Khaled, saß bei der Beerdigung in einem
Rollstuhl. Er war den Schüssen aus den Waffen des 28-jährigen Australiers
zwar mit dem Leben entkommen, wurde aber verletzt. „Ich sollte nicht vor
euch stehen“, so Zaid am Grab, „ich sollte neben euch liegen“, soll er
einem Verwandten gesagt haben.
Bei den Terroranschlägen auf zwei Moscheen starben insgesamt 50 Menschen.
30 weitere wurden verletzt. Bis Dienstag hatten die Behörden die Autopsien
aller Opfer abgeschlossen. Es seien allerdings erst zwölf Tote „zur
Zufriedenheit des Gerichtsmediziners identifiziert worden“.
Während sechs der Todesopfer der ewigen Ruhe übergeben wurden, eskalierte
am Mittwoch in der Hauptstadt Wellington ein politisches Drama.
Premierministerin Jacinda Ardern beauftragte ihren Außenminister Winston
Peters, in die Türkei zu fliegen und die türkische Regierung mit den
Bemerkungen „zu konfrontieren“, die Präsident Recep Tayyip Erdoğan am
Dienstag während einer Wahlveranstaltung gemacht hatte.
## Erdoğan zeigt das Video des Attentäters
Er hatte den Angriff des Rechtsextremisten als „das jüngste Beispiel des
wachsenden Rassismus und der Islamophobie“ des Westens kritisiert. Der
Präsident verlangte die Todesstrafe für den mutmaßlichen Täter und meinte,
„wenn Neuseeland ihn nicht zur Rechenschaft zieht, werden wir dies tun –
auf die eine oder andere Weise“.
Erdoğan zeigte während Wahlkampfveranstaltungen auch Ausschnitte aus den
Videoaufnahmen des mutmaßlichen Täters von Christchurch. Die
neuseeländische Regierung hatte die Öffentlichkeit seit Tagen aufgefordert,
das Video weder zu anzusehen noch es zu teilen. Zwei Männer sind in
Neuseeland bereits festgenommen worden. Sie werden sich wegen „Verbreitung
unzulässigen Materials“ vor Gericht verantworten müssen. Besuchern der
Türkei, die eine „antimuslimische Gesinnung“ hätten, drohte Erdoğan, sie
würden „in Särgen zurückgeschickt, wie ihre Großväter“ aus den Reihen …
Truppen Großbritanniens und der Empire-Länder Neuseeland und Australien.
Bei der Schlacht von Gallipoli von 1915 bis 1916 gegen eine primär
osmanische Streitmacht starben insgesamt rund 10.000 australische und
neuseeländische Soldaten, die im sogenannten Australian and New Zealand
Army Corps (Anzac) unter britischer Führung gekämpft hatten.
## Geburtsstunde des modernen Australiens
Der konservative Premierminister Australiens, Scott Morrison, reagierte am
Mittwoch mit der Einbestellung des türkischen Botschafters in sein Büro.
Erdogan habe die im Ersten Weltkrieg gefallenen australischen und
neuseeländischen Soldaten „hochgradig beleidigt“. Der Regierungschef zeigte
sich nach dem Besuch des Botschafters nicht befriedigt von dessen
Erklärungen. „Alles ist auf dem Tisch“, wenn es um weitere Schritte gegen
die Türkei gehe, so Morrison vor den Medien.
Er forderte Erdoğan auf, seine Bemerkungen umgehend zurückzunehmen. Am
Mittwoch schrieb der türkische Präsident in der Washington Post, zwischen
dem Amokläufer von Christchurch und Mitgliedern der Terrororganisation
„Islamischer Staat“ gebe es keinen Unterschied. Australien hat in den
letzten Jahren eine besonders starke Tradition entwickelt, die Leistungen
der „Anzac“-Soldaten zu zelebrieren. Der jährliche „Anzac-Tag“ mit
Aufmärschen, Morgenandachten, Kranzniederlegungen und Reden erinnert
Beobachter an eine fast religiöse Heldenverehrung.
Jedes Jahr reisen zudem Tausende von meist jungen, patriotischen
Australiern nach Gallipoli, um den Ort zu ehren, wo ihre Groß- und
Urgroßväter gefallen sind. Für viele Australierinnen und Australier gilt
Gallipoli als Geburtsstunde des modernen Australien. Historiker dagegen
meinen, das Land zelebriere damit eine der größten militärischen
Niederlagen der jüngeren Geschichte.
20 Mar 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Urs Wälterlin
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
Recep Tayyip Erdoğan
Neuseeland
Terroranschlag
Türkei
Schwerpunkt Rassismus
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