| # taz.de -- Aktivist und Jurist zu White Supremacy: „Ich fühle mich nicht me… | |
| > Der US-amerikanische Jura-Professor Khaled Beydoun erinnert auf Twitter | |
| > an die Geschichten der Christchurch-Opfer. Auch Trumps Rhetorik ermuntere | |
| > zu Verbrechen. | |
| Bild: Nö, diese Krone ist nicht für White Supremacists | |
| taz: Herr Beydoun, seit dem [1][Massaker in Christchurch] | |
| [2][veröffentlichen Sie auf Twitter] Fotos und Geschichten der Opfer. Wie | |
| kamen Sie dazu? | |
| Khaled Beydoun: Ich war sehr traurig. Denn die Opfer haben dieselben | |
| Religion wie ich und sie sind wegen dieser Religion und beim Gebet | |
| angegriffen worden. Ich wollte sie und ihre Leben feiern. Der Terrorist hat | |
| mich nicht interessiert. | |
| Fühlen Sie Sich in Ihrem Land sicher? | |
| Insbesondere mit Präsident Trump fühle ich mich nicht mehr sicher. Wegen | |
| seiner islamophoben Rhetorik. Wegen seiner Haltung gegen Immigranten. | |
| [3][Er benutzt eine Sprache], die White Supremacists und ihren Terrorismus | |
| ermuntert. Die Hassverbrechen in den USA haben seit Trumps Amtsantritt | |
| beträchtlich zugenommen. | |
| Sie beschreiben ein kollektives Klima. Aber der Angreifer von Christchurch | |
| soll ein Einzeltäter gewesen sein | |
| Wenn ein Täter ein weißer Mann ist, dann wird er meist als Einzeltäter | |
| behandelt. Wenn er hingegen ein Araber, ein Muslim, braun oder Schwarz ist, | |
| dann heißt es sofort, dass er zu einer Terrorzelle gehört und vom IS | |
| radikalisiert worden ist. Rasse und Religion spielen eine riesige Rolle bei | |
| der Einstufung als Einzeltäter oder nicht. | |
| Also waren auch die Reaktionen auf das Massaker in Christchurch rassistisch | |
| geprägt? | |
| Ja. Einerseits war die Attacke, wie man in dem Manifest des Terroristen | |
| nachlesen kann, von antimuslimischen Rassismus getrieben. Andererseits ist | |
| die Einschätzung als Einzeltäter ein Resultat spezifischer | |
| Unterscheidungen und Privilegien zu Gunsten weißer Terroristen. | |
| Ist Islamophobie ein Ergebnis der Attentate vom 11. September 2001? | |
| Islamophobie hat schon vorher in den USA existiert. Aber nach den | |
| Anschlägen von 9/11 ist sie ungezügelt und robust geworden. 18 Jahre nach | |
| dem Beginn des Kriegs gegen den Terror haben wir neue Gesetze, die eine | |
| Überwachung ermöglichen und neue Einschränkungen der Einwanderung aus der | |
| muslimischen Welt: Wir haben Informanten in den Moscheen, wir haben auf | |
| Muslime ausgerichtete Einreiseverbote, ja es kursiert sogar die Idee eines | |
| Muslim-Registers. | |
| Wollen Sie sagen, dass es bei dem Umgang mit dem Islam keinen Unterschied | |
| macht, wer im Weißen Haus sitzt? | |
| Doch, es macht einen Unterschied. Bush und Trump sind beide Republikaner. | |
| Aber die Islamophobie ihrer Regierungen sieht unterschiedlich aus. Bush war | |
| um eine tolerante Rhetorik bemüht. Zehn Tage nach 9/11 sagte er: „Islam ist | |
| Frieden“. Das würde Trump nie sagen. Er sagt: „Der Islam hasst uns.“ Und… | |
| bezeichnet Immigranten als Invasoren. Diese explizite Rhetorik ermuntert | |
| Individuen, die Muslime hassen, sie zu bestrafen. | |
| Zwischen Bush und Trump war ein Demokrat im Weißen Haus. | |
| Präsident Obama hat zu Anfang seiner Regierung eine wunderbare Rede in | |
| Kairo gehalten, bei der er sagte, es sei Zeit für die USA, die Wunden in | |
| der muslimischen Welt zu heilen. Aber zugleich hat seine Regierung mit dem | |
| Programm „Countering Violent Extremism“ die zerstörerischste Form von | |
| staatlicher Islamophobie eingeführt. Es schleust Informanten in Moscheen | |
| quer durch die USA. Das ist strukturelle Islamophobie, die von einer | |
| demokratisch verantworteten Regierung ausging. | |
| Das Weiße Haus sagt, Trump sei kein Rassist. | |
| Seine Taten sprechen eine andere Sprache. | |
| Wer sind die Vordenker und Strippenzieher der gewalttätigen Islamhasser? | |
| In Washington gibt es eine Menge Lobbyisten, Think Tanks und | |
| Organisationen, die darauf spezialisiert sind, Muslime zu verleumden und zu | |
| dämonisieren. Sie forschen, sie sagen bei Hearings im Kongress aus, sie | |
| tweeten, sie machen Radio. | |
| Nennen Sie ein paar Namen. | |
| Unter ihnen sind Pamela Geller, Ben Shapiro, Robert Spencer. Dazu kommen | |
| Akademiker. Was sie publizieren, gelangt in verkürzter Form als O-Töne in | |
| die Medien. Ich lebe in Arkansas. Da kann ich täglich auf vier oder fünf | |
| konservativen Radiostationen Diskussionen über das Scharia-Recht hören. | |
| Irgendwann stellt sich bei den Zuhörern das Gefühl ein, dass dieses Land | |
| von Muslimen übernommen werde und dass sie aufpassen müssen. | |
| Trump hat weder nach der rassistischen Gewalt in Charlottesville im Sommer | |
| 2017 noch jetzt, nach dem Massaker in Christchurch, ausdrücklich vor der | |
| Gefahr durch weißen Rassismus gewarnt und ihn verurteilt. Warum tut er sich | |
| so schwer damit? | |
| Er braucht diese Leute. Er weiß, dass sie ihn unterstützt und ihn gewählt | |
| haben. | |
| Sind Islamophobie und White Supremacy Synonyme? | |
| Islamophobie ist ein Teil des weißen Rassismus. Aber der hat noch weitere | |
| Dimensionen – wie den Antisemitismus, den Rassismus gegen Schwarze, die | |
| Fremdenfeindlichkeit. Sie alle entstehen auf der Basis der White Supremacy | |
| – aus der politischen, zivilisatorischen und rassistischen Vision, nach der | |
| dieses Land den Weißen gehört und zwar vor allem weißen Christen. | |
| Was sind die Ähnlichkeiten und was die Unterschiede zwischen Islamophobie | |
| und Antisemitismus? | |
| Eine der Hauptähnlichkeiten ist, dass glühende White Supremacists weder | |
| Juden noch Muslime für legitime Amerikaner halten. Im letzten Jahr haben | |
| wir das auf dramatische Weise in Pittsburgh gesehen, als ein Terrorist in | |
| einer Synagoge elf Menschen getötet hat. Ein Unterschied ist, dass White | |
| Supremacists Muslime als aggressiver und militanter ansehen und als | |
| entschlossener, die USA zu übernehmen. | |
| Es gab schon vor dem Massaker von Christchurch Attentate auf religiöse | |
| Zentren: die von Ihnen erwähnte Synagoge, eine schwarze Kirche in | |
| Charleston, ein Sikh-Tempel in Wisconsin. Nimmt Gewalt gegen Religionen | |
| gerade zu? | |
| Es ist nicht unbedingt eine Gewalt gegen Religionen, sondern gegen | |
| religiöse Zentren, die White Supremacists für Anti-Weiß halten. Im | |
| Vergleich zu den 1980er und 1990er Jahren hat sich die Demografie | |
| wesentlich verändert. Das Forschungszentrum Pew prognostiziert, dass die | |
| Weißen in den USA im Jahr 2043 nicht mehr die Mehrheit sein werden. Die | |
| White Supremacists befürchten, dass dieses Land von Immigranten, Muslimen | |
| und Schwarzen Leuten übernommen wird. | |
| Sie beschreiben die USA. Aber das Phänomen der Islamophobie geht weit über | |
| die Landesgrenzen hinaus. | |
| Es ist ein globales Phänomen. Deutschland hat eine riesige muslimische | |
| Community, vor allem türkische Muslime und jetzt auch syrische Immigranten | |
| wegen des Kriegs in Syrien. Und wir sehen in Deutschland, in Australien, in | |
| Frankreich wie rechte Politiker, insbesondere Populisten, Einwanderer in | |
| ihren politischen Kampagnen für ökonomische Abwärtstrends und für die | |
| Arbeitslosigkeit von armen Weißen verantwortlich machen. Trump hat das mit | |
| „Make America Great Again“ getan. | |
| Wie kann Islamophobie gestoppt werden? | |
| Diese populistischen Bewegungen, die politisches Kapital aus einer | |
| aggressiven Sprache schlagen, von der bekannt ist, dass sie einen Effekt | |
| auf den Terrorismus hat, müssen bekämpft werden. Wir müssen auch Gesetze, | |
| sowie eine Politik und Kriege stoppen, die vereinfachend unterstellen, dass | |
| eine ganze Religion mit dem Terrorismus verbunden sei. Wenn eine Nation | |
| ihre Ressourcen allein dafür einsetzt, um eine bestimmte Gruppe zu | |
| bekämpfen, dann öffnet sie zugleich die Tür für andere gewalttätige | |
| Gruppen. Die White-Supremacist-Terroristen werden stärker, weil sie nicht | |
| überwacht und bekämpft werden. Sie können tun, was sie wollen. Wenn diese | |
| Leute beobachtet würden, wäre das das eine echte Prävention gegen ihre | |
| Gewaltakte. | |
| Aber der Terrorismus im Namen des Islam liefert den White Supremacists | |
| immer neue Argumente. Ohne ihn könnten sie den Islam nicht als | |
| „Hass-Religion“ bezeichnen. | |
| Natürlich müssen radikale muslimische Organisationen, die eine gewalttätige | |
| Interpretationen des Islam haben – wie IS und Boko Haram und al-Shabaab – | |
| bekämpft werden. Aber in den USA werden 64 Prozent aller Massenschießereien | |
| von weißen Männern begangen. Doch 95 Prozent der Ressourcen und Energien | |
| des Counterterrorismus gehen in die Beobachtung von Muslimen. | |
| 20 Mar 2019 | |
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| [2] https://twitter.com/KhaledBeydoun | |
| [3] /Debatte-Reden-wie-Donald-Trump/!5371979 | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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