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# taz.de -- Leipziger Autoritarismus-Studie: Rassismus auch in der Mitte
> Rechtsextreme Einstellungen bleiben in Deutschland auf hohem Niveau.
> Jeder dritte Deutsche stimmt laut einer Studie rassistischen Aussagen zu.
Bild: Auch in der Mitte der Gesellschaft sind rechtsextreme Einstellungen verbr…
Berlin taz | Rechtsextreme Einstellungen sind in Deutschland weiterhin auf
hohem Niveau und steigen teilweise an. Sechs Prozent der Deutschen
vertreten ein geschlossen rechtsextremes Weltbild, fast jeder dritte
Deutsche stimmt „ausländerfeindlichen Aussagen“ zu. Dies sind die
[1][Ergebnisse der „Leipziger Autoritarismus-Studie“,] vormals [2][als
„Mitte-Studie“ bekannt,] die vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus-
und Demokratieforschung der Universität Leipzig in Kooperation mit der
Heinrich-Böll- und der Otto Brenner Stiftung erstellt und am Mittwoch in
Berlin vorgestellt wurde.
Rassistische Einstellungen wurden dabei durch die Zustimmung zu folgenden
Aussagen gemessen: „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren
Sozialstaat auszunutzen“ (gesamt: 35,7 Prozent, Ost: 47,1 Prozent, West:
32,7 Prozent), „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer
wieder in ihre Heimat zurückschicken“ (26,5/32,4/25) und „Die
Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß
überfremdet“ (35,6/44,6/33,3).
Sie werden demnach nicht „nur“ von Rechtsextremen vertreten, sondern sind
auch in der Mitte der Gesellschaft verbreitet. So ist laut Studie im Osten
jeder Dritte, im Westen jeder Vierte „manifest-ausländerfeindlich“
eingestellt. Mit Ausnahme von Bayern gilt dabei: Je weniger Migranten im
Bundesland, desto stärker fühlen die Menschen sich „überfremdet“.
Ein weiteres zentrales Ergebnis: Autoritäre Sehnsüchte gegen Asylsuchende
sowie Sinti und Roma nehmen bundesweit zu. Und: Autoritäre Charakterzüge
sind eine der Hauptursachen für rechtsextreme Einstellungen. Als weitere
Einflussfaktoren gelten den Wissenschaftlern eine Verschwörungsmentalität
und die gefühlte verweigerte Anerkennung als Person oder als Bürger.
## Keine Entwarnung
„Die Verschwörungsmentalität macht durch Projektion das Gefühl möglich, in
der unübersichtlichen Welt die Orientierung zu behalten“, heißt es in der
Studie. So teilen 30 Prozent der Befragten die Aussage, dass Politiker
[3][„nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte“] seien.
Autoritäre Syndrome, wie die Flucht aus der Verantwortung, der Wunsch nach
Teilhabe an Größe und Macht sowie Aggressionen gegenüber „Abweichung“ und
Differenz sind weit verbreitet. So stimmen beispielsweise 19,4 Prozent der
Befragten eindeutig und 24 Prozent der Befragten teilweise der Aussage
dazu, dass das was Deutschland jetzt brauche, „eine einzige starke Partei,
die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“, sei.
Der Antisemitismus sei bundesweit leicht rückläufig. Entwarnung will Decker
allerdings nicht geben: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich antisemitische
Denkmuster nach wie vor in gefährlichen Größenordnungen bewegen.“
Problematisch ist jedoch, dass die Studie nicht alle aktuell verbreiteten
Erscheinungsformen des Antisemitismus misst.
Beispielsweise gibt es keine Frage, in der das Wort „Jude“ nicht enthalten
ist. Eine [4][Umwegkommunikation des Hasses auf Juden auf den Staat Israel]
kann so nicht erfasst werden. Beispielsweise von dem Antisemitismusforscher
Samuel Salzborn wurde die Studie [5][dafür bereits in der Vergangenheit
kritisiert.]
## Abwertung von Sinti und Roma
44,1 Prozent der Befragten meinen, dass Muslimen die Zuwanderung nach
Deutschland untersagt werden sollte – im Osten stimmen sogar über 50
Prozent dieser Aussage zu. In der Studie wird dies als „Muslimfeindschaft“
bezeichnet, die im Vergleich zu den Studien aus den Jahren 2014 und 2016
erneut angestiegen ist.
Die Autoren sprechen dabei explizit nicht von „Islamophobie“, wie Oliver
Decker bei der Vorstellung begründet. „Als Wissenschaftler ist uns
Religionskritik nicht unsympathisch. Hier geht es allerdings nicht um die
Abwertung einer Religion, sondern um die Abwertung von Menschen, die
scheinbar einer Religion angehören.“
Die Abwertung von Sinti und Roma müsse in Zukunft viel stärker thematisiert
werden, forderte Decker weiter. Diese ist unverändert hoch: 49,2 Prozent
der Befragten wollen Sinti und Roma aus den Innenstädten verbannen, 56
Prozent hätten Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in ihrer Gegend
aufhalten würden.
„Die Studie bestätigt, worauf der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma seit
Jahren hinweist, dass nämlich die jahrhundertealten Klischees des
Antiziganismus virulent in der Mitte der Gesellschaft präsent sind und das
antiziganistische Bild von der Minderheit prägen und tradieren“, sagte
[6][Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma,] in
einem Statement zur Vorstellung.
## „Lauter Weckruf“
„Es bedarf großer Anstrengungen des Rechtsstaats und seiner
Bildungseinrichtungen diesen gefährlichen Einstellungen entgegenzuwirken,
die schon in vielen Ländern Europas und in Deutschland durch
antiziganistische Hetze zu zunehmender Gewalt gegen die Minderheit geführt
haben“, so Rose weiter.
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Anton Hofreiter, bezeichnete
die Studie als „lauten Weckruf.“ „Die Ergebnisse der Studie senden ein
deutliches Signal an die demokratischen Parteien, sich gegen eine Politik
der Spaltung und Polarisierung zu stellen. Die Ereignisse – etwa in
Chemnitz – haben uns in erschreckender Weise vor Augen geführt, wie sich
die demokratiefeindlichen Kräfte weiter radikalisieren und wie schnell aus
Hass in Worten Taten werden“, sagte er weiter.
Für die repräsentative Studie wurden im Mai und Juni diesen Jahres 1918
Personen aus West- sowie 498 Personen aus Ostdeutschland befragt. Die
Befragten waren zwischen 14 und 93 Jahre alt. Als Dimensionen der
rechtsextremen Einstellungen gelten in der Studie die Befürwortung einer
rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit,
Antisemitismus, Sozialdarwinismus und die Verharmlosung des
Nationalsozialismus. Die Entwicklung dieser Einstellungen wird von Decker
und seinem Kollegen Elmar Brähler seit 2002 beobachtet und verglichen.
7 Nov 2018
## LINKS
[1] https://www.kredo.uni-leipzig.de/die-leipziger-autoritarismus-studie/
[2] /Studie-zur-politischen-Mitte/!5313851
[3] /Xavier-Naidoo-und-der-Soehne-Song/!5404496
[4] /Kommentar-Antisemitismus/!5516058
[5] https://www.tagesspiegel.de/politik/mitte-studie-der-uni-leipzig-sterben-di…
[6] /Biografie-von-Romani-Rose/!5425093
## AUTOREN
Frederik Schindler
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