# taz.de -- Nazi-Schläger: Seltener, aber brutaler | |
> Im vergangenen Jahr wurden in Schleswig-Holstein weniger Menschen Opfer | |
> rechter oder rassistisch motivierter Gewalt – kein Grund zur Entwarnung. | |
Bild: Verrußtes Fensterloch: Früher äußerte sich die Gewalt besonders in Br… | |
KIEL taz | Erst gab es dumme Sprüche, dann Handgreiflichkeiten: Die | |
AngreiferInnen schubsten ihr Opfer so massiv, dass die Frau sich an der | |
Hand verletzte und ein chronischer Schaden bleiben wird. Die Frau wurde | |
wegen ihrer Hautfarbe und Kleidung beleidigt und angegriffen, sie ist eines | |
der 69 Opfer rechter und rassistischer Gewalt, die die Beratungsstelle | |
Zebra im Jahr 2018 in Schleswig-Holstein gezählt hat. | |
Die Zahl der Opfer rassistisch motivierter Straftaten nahm im Vergleich zum | |
Vorjahr leicht ab, die Brutalität der Taten aber stieg. Jedes fünfte Opfer | |
war ein Kind oder Jugendlicher. „Entwarnung können wir also nicht geben“, | |
sagt Kai Stoltmann, Berater vom Zentrum für Betroffene rechter Angriffe | |
(Zebra), der in Kiel mit seiner Kollegin Lisa Luckschus die Statistik | |
vorstellte. | |
Die Zahlen stellen im Westen der Republik eine Besonderheit dar. Zwar gibt | |
es Beratungsstellen für Opfer rechter und rassistischer Gewalt in fast | |
allen Ländern, auch in Hamburg, Niedersachsen und Bremen, aber außer | |
Schleswig-Holstein legt nur Nordrhein-Westfalen ein Gewalt-Monitoring vor. | |
Aufgenommen werden Vorfälle, die als Straftaten einzustufen sind, damit sie | |
sich mit den Polizeistatistiken vergleichen lassen. So fließen also | |
Bedrohungen und einfache Sachbeschädigungen wie Schmierereien nicht in das | |
Monitoring ein. Die Umstände müssen auf rechte Motive hinweisen, etwa durch | |
rassistische Beleidigungen, die Wahl des Opfers oder den Ort, zum Beispiel | |
im Umfeld einer Demo gegen rechts. | |
## Weniger Brandanschläge auf Geflüchtete | |
Diese Taten haben zugenommen, sagt Stoltmann. Gesunken ist dagegen die Zahl | |
von Brandstiftungen auf Häuser, in denen Geflüchtete untergekommen waren. | |
Diese Taten bildeten 2016 einen Schwerpunkt. 2018 waren die meisten | |
erfassten Taten Körperverletzungen, gefolgt von Nötigungen und Bedrohungen. | |
Das überwiegende Motiv war Rassismus, zu einem kleineren Teil wurden | |
politische GegnerInnen angegriffen. | |
Damit glichen die Zahlen aus Schleswig-Holstein denen aus den östlichen | |
Bundesländern (siehe Kasten). Es sei wichtig, dass es ein unabhängiges | |
Monitoring von rechter Gewalt und Hasskriminalität gebe, sagte der | |
SPD-Landtagsabgeordnete Tobias von Pein. „Die Fallzahlen mögen nicht hoch | |
erscheinen, aber jede Tat ist eine zu viel“, sagt er. | |
Zudem sei von einer deutlich erhöhten Dunkelziffer auszugehen. Von Pein | |
warnt vor einer „Verrohung der Debatte, die dazu führt, dass Gewalt immer | |
häufiger ein legitimes Mittel der Konfliktbearbeitung zu sein scheint“. | |
Die Beratungsstelle Zebra, die Fördermittel vom Land und dem Bundesprogramm | |
„Demokratie leben“ erhält, hat ihren Sitz in Kiel. Die MitarbeiterInnen | |
besuchen Gewaltopfer aber meist zu Hause und bieten rechtliche oder | |
psychosoziale Beratung an. Dabei müssen die Beratungskräfte | |
Überzeugungsarbeit leisten: „Viele haben schlechte Erfahrungen mit Behörden | |
gemacht, in ihren Herkunftsländern und teilweise auch hier, sie sind daher | |
misstrauisch“, sagt Luckschus. | |
Teilweise gehen Zebra-BeraterInnen mit zur Polizei oder sie vermitteln an | |
therapeutische Praxen. Hilfe brauchen oft die Kinder, die vielleicht nicht | |
selbst verletzt wurden, aber einen Angriff auf die Eltern erlebt haben. | |
Selten melden sich die Opfer bei der Beratungsstelle, sondern Luckschus und | |
ihre KollegInnen werden über Medienberichte, soziale Plattformen oder durch | |
Hinweise dritter auf die rechten Übergriffe aufmerksam. In den ersten | |
Monaten 2019 nahmen die gemeldeten Taten zu. Stoltmann befürchtet: „Wenn | |
das so weitergeht, gibt es einen Höchststand.“ | |
4 Apr 2019 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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