# taz.de -- Chemnitz-Prozess auf der Kippe: Zentraler Zeuge verweigert Aussage | |
> Im Prozess zur tödlichen Messerattacke in Chemnitz hält die Anwältin des | |
> Angeklagten einen Freispruch für unausweichlich. | |
Bild: Nur ein Zeuge will gesehen haben, dass es Alaa S. war, der im August zust… | |
DRESDEN taz | Der [1][Prozess zum tödlichen Messerangriff auf den | |
Chemnitzer Daniel H.] steht auf der Kippe. Nachdem der Hauptbelastungszeuge | |
seine Aussage verweigert, sieht die Verteidigung einen Freispruch des | |
Angeklagten Alaa S. als unausweichlich. „Eine Verurteilung unseres | |
Mandanten würde jetzt noch abwegiger“, erklärt dessen Verteidigerin Ricarda | |
Lang am Donnerstag der taz. „Alaa S. ist unschuldig.“ | |
Am 26. August 2018 war der 35-jährige Daniel H. nach einem Stadtfest in | |
Chemnitz erstochen worden, mutmaßlich von zwei Geflüchteten. [2][Die Tat | |
sorgte für Aufruhr]: Wochenlang protestieren Rechte in der Stadt, es kam | |
zu Übergriffen auf Migranten. | |
Seit Mitte März läuft nun der Prozess zu der Tat. Der Hauptverdächtige ist | |
flüchtig, angeklagt ist der Syrer Alaa S. Indes: DNA-Spuren von ihm am | |
Tatort gibt es nicht und nur ein Zeuge will direkt gesehen haben, dass Alaa | |
S. es war, der zustach. | |
Dieser Mann, Younis al-N., der in einem Dönerimbiss neben dem Tatort | |
arbeitet, sollte nun am Mittwoch im Prozess aussagen. Aus etwa 40 Meter | |
Entfernung will er die Tat beobachtet haben. Vor Gericht aber bestätigte er | |
nur, dass er damals im Bistro gearbeitet habe – dann verweigerte er die | |
Aussage. | |
## Einziger Zeuge verstrickt sich in Widersprüchen | |
Gleich zu Beginn hatte Verteidigerin Lang darauf hingewiesen, dass Younis | |
al-N. sich strafbar machen könne: In seinen Vernehmungen bei der Polizei | |
und dem Ermittlungsrichter habe er sich in Widersprüche verstrickt. Sprach | |
er zuerst von Messerstichen durch Alaa S., waren es später Schläge. Es | |
stehe eine Falschaussage im Raum. | |
Tatsächlich hatte Richterin Simone Herberger Younis al-N. zunächst nicht zu | |
der Gefahr einer Selbstbelastung belehrt. Nun beorderte sie in einer Pause | |
einen Anwalt für ihn herbei, den Dresdner Ulf Israel. Und der erklärte, der | |
Zeuge verweigere tatsächlich die Aussage, um sich nicht selbst zu belasten. | |
Bei der Polizei hatte Younis al-N. zudem angegeben, wegen seiner Angaben | |
von Bekannten von Alaa S. bedroht zu werden. Herberger verhängte ein | |
Ordnungsgeld von 300 Euro gegen den Libanesen – und lud ihn für den 26. | |
April erneut vor. | |
Anwalt Israel will nun Beschwerde beim Oberlandesgericht einlegen: Das soll | |
entscheiden, ob der Koch wirklich aussagen muss. „Je vertiefter sich mein | |
Mandat einlässt, umso mehr riskiert er eine Strafverfolgung“, erklärte | |
Israel am Donnerstag der taz. | |
## Kein anderer Zeuge konnte Täter benennen | |
Bleibt es bei der Aussageverweigerung, dann müssten die Angaben von Younis | |
al-N. indirekt in den Prozess eingeführt werden: über Befragungen der | |
Polizisten und des Richters, die den Koch ursprünglich vernahmen. Dann | |
jedoch blieben dessen Widersprüche unaufgeklärt. Und auch die anderen | |
bisher im Prozess befragten Zeugen waren keine Hilfe: Keiner konnte Alaa S. | |
eindeutig als Täter benennen. | |
Die Verteidiger von Alaa S., Ricarda Lang und Frank Drücke, beantragten | |
schon zu Prozessbeginn die Einstellung des Verfahrens und Freilassung des | |
Angeklagten. Bisher aber zeige das Gericht, dass es „offensichtlich eine | |
Verurteilung um jeden Preis“ wolle, sagte Lang der taz. „Ich sehe nicht, | |
dass die Richter ein Interesse haben, aufzuklären, was in der damaligen | |
Nacht wirklich geschah. Stattdessen werden strafprozessuale Vorschriften | |
unter den Tisch gekehrt, um Annahmen der Anklage auf Biegen und Brechen | |
aufrechtzuhalten.“ | |
Richterin Herberger lehnte derweil einen Befangenheitsantrag gegen die | |
Kammer ab. Die Verteidiger hatten eine Erklärung verlangt, ob Richter und | |
Schöffen rechten Organisationen nahestehen. Eine derartige | |
Gesinnungsprüfung sehe die Rechtsordnung nicht vor, so Herberger. Auch | |
stelle der Antrag eine Verunglimpfung Sachsens „als braunes Bundesland“ | |
dar. | |
4 Apr 2019 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
Konrad Litschko | |
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