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# taz.de -- Prozess gegen Neonazi: Vermummt in Chemnitz
> Die Neonazi-Gruppe „Revolution Chemnitz“ soll Anschläge geplant haben.
> Ihr mutmaßlicher Rädelsführer stand jetzt vor Gericht.
Bild: August 2018 in Chemnitz: Rechte DemonstrantInnen bedrohen GegnerInnen und…
Chemnitz taz | In Handschellen und bewacht von zwei Beamten tritt Christian
K. am Dienstagmorgen in den Saal des Amtsgerichts Chemnitz. Der
großflächtig tätowierte 31-Jährige sieht angespannt aus, knetet die Hände,
nur für eine Freundin unter den Zuschauern gibt es ein kurzes Lächeln. Er
kommt direkt aus der JVA Zwickau.
Seit vergangenem September sitzt Christian K. dort. Und die Vorwürfe, wegen
denen er nun vor Gericht erscheint, sind dabei noch die geringsten: Er soll
Teil der rechten Krawalldemos in Chemnitz gewesen sein, die im Sommer 2018
in der Stadt losbrachen, nachdem mutmaßlich zwei Geflüchtete einen
35-Jährigen erstachen. Christian K.s Pläne aber gingen offenbar noch
weiter: Die Bundesanwaltschaft sieht ihn als Anführer des
rechtsterroristischen „Revolution Chemnitz“, das Anschläge gegen Migranten
und Politiker geplant habe. Nach taz-Informationen steht eine Anklage
unmittelbar bevor.
Am Dienstag geht es vorerst nur um die Demonstrationen im August. Bis zu
8.000 Rechtsextreme und Bürger marschierten damals in Chemnitz auf, am
Rande kam es zu Angriffen auf Migranten, Gegendemonstranten und
Journalisten. Gut 120 Ermittlungsverfahren leitete die Justiz danach ein.
Christian K. soll an mindestens zwei Aufmärschen teilgenommen haben,
jeweils schwarz gekleidet, mit einem Schal zur Vermummung, mit
Schlagschutzhandschuhen, Stichschutzweste und Zahnschutz – eine
„Schutzbewaffnung“, wie die Anklage festhält, ein Verstoß gegen das
Versammlungsgesetz.
## Keine Handschuhe, kein Zahnschutz
Nun ist sein Auftritt ein anderer. Im Polohemd und kurzer Karohose sitzt
Christian K. im Gericht, die Haare akkurat gescheitelt. Bereitwillig gibt
er dem Richter Auskunft. Er sei zuletzt ohne festen Wohnsitz gewesen, habe
als Sicherheitsmann gearbeitet, erzählt er. Und ja, er sei auf den Demos
gewesen. Aber er habe keine Handschuhe und keinen Zahnschutz getragen. Und
die Weste nur ohne „Protektoren“, weil er wisse, dass das sonst auf Demos
verboten sei.
Warum überhaupt die Weste? Christian K. eiert herum. „Aus Protest“, sagt
er. Aber auch, dass er sich eben um seine Sicherheit sorge. Er trage die
Weste öfter, weil es auch anderenorts in Chemnitz nicht sicher sein. Vor
der zweiten Demo sei er aber eigentlich auf dem Weg nach Hause gewesen, um
die Weste noch auszuziehen.
Das Gericht schaut sich Videos von einem der Aufzüge an. „Widerstand,
Widerstand“, skandiert die Masse. „Wir sind das Volk.“ Christian K. aber
bestreitet, der Vermummte auf einem der Bilder zu sein. Der Richter
verweist auf die Brille, den Haaransatz – der 31-Jährige bleibt dennoch
dabei. Das Gericht beantragt darauf, ein Gutachten einzuholen. Der Prozess
wird ausgesetzt.
## Der Plan: Die „Systemwende“
Demnächst dürfte nun ein Terrorprozess folgen. Schon vor Jahren hatte sich
Christian K. im Umfeld der rechtsextremen Kameradschaft „Sturm 34“ bewegt,
mit ihr soll er 2006 die Wohnung eines Chemnitzers angegriffen haben. Nun
soll er mit sieben weiteren Rechtsextremen „Revolution Chemnitz“ gegründet
haben. In internen Chats war die Rede von Anschlägen, mit denen man eine
„Systemwende“ schaffen werde. Dagegen sei der NSU eine
„Kindergartenvorschulgruppe“, tönte Christian K. Die Neonazis waren bereits
auf der Suche nach Schusswaffen.
Einen „Probelauf“ unternahmen sie schon Mitte September: Auf der
Schlossteichinsel in Chemnitz „kontrollierten“ und bedrängten sie
Migranten, einem Iraner warfen sie eine Flasche an den Kopf. Christian K.
wurde bereits damals festgenommen – und sitzt seitdem in Haft. Den Rest der
Gruppe nahm die Bundesanwaltschaft Anfang Oktober 2018 hoch.
Der Verteidiger von Christian K. weist am Dienstag die Terrorvorwürfe
zurück: Die Beweise seien „ziemlich dünne“. Die Bundesanwaltschaft sieht …
anders. Für sie waren die Anschlagspläne real – und Christian K. hatte die
„zentrale Führungsposition“ inne.
23 Apr 2019
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
Chemnitz
Prozess
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Opferberatung
Lesestück Recherche und Reportage
Chemnitz
Rechtsextremismus
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