# taz.de -- Streit um Straßenumbenennung: „Afrika“ kommt nicht zur Ruhe | |
> Debatte über Straßenumbenennungen im Afrikanischen Viertel kocht wieder | |
> hoch, Geschäftsleute haben ihr Veto eingelegt – die Stadträtin ist | |
> überrascht. | |
Bild: Diese Straßenschilder werden ausgewechselt – früher oder später | |
Wieder einmal ist das Afrikanische Viertel in aller Munde. Anfang Januar | |
ging beim Bezirksamt von Mitte der Sammelwiderspruch von mehr als 200 | |
Gewerbetreibenden gegen die Umbenennung dreier Straßen ein. Seither wird in | |
Wedding wieder hitzig diskutiert – über das Verfahren, die neuen Namen, was | |
demokratisch ist, was sinnvoll, was nicht. Die zuständige Bezirksstadträtin | |
Sabine Weißler (Grüne) zeigt sich gegenüber der taz überrascht: „Ich hät… | |
gedacht, dass das Thema langsam durch ist.“ | |
Tatsächlich schien die Sache erledigt: Nach Jahren der Debatte über | |
Straßennamen mit einem ehrenden Kolonialbezug hatten | |
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte und Bezirksamt im April | |
beschlossen, die Lüderitzstraße in Cornelius-Fredericks-Straße | |
umzubenennen, den Nachtigalplatz in Bell-Platz, die Petersallee in einem | |
Teilstück in Anna-Mungunda-Allee und in einem anderen in Maji-Maji-Allee. | |
Die neuen Namen waren in einem zweistufigen Verfahren gefunden worden. | |
Zunächst hatte eine mehrheitlich mit People of Colour besetzte Jury aus | |
knapp 200 Vorschlägen der Bevölkerung sechs ausgewählt. Weil es jedoch | |
scharfe Kritik an einem der Namen gab – Königin Ana Nzinga war sowohl | |
antikoloniale Kämpferin als auch Sklavenhändlerin gewesen –, startete der | |
Bezirk das Verfahren neu und ließ die Namensvorschläge durch von den | |
Fraktionen benannte Experten beurteilen. | |
Doch auch ein Dreivierteljahr nach der Namensentscheidung sind die Schilder | |
noch nicht aufgehängt. Dies gehe erst, erklärt Weißler, wenn alle | |
Widersprüche von BürgerInnen beschieden und mögliche Klagen abgewendet | |
sind. Die Frist für die Anna-Mungunda- respektive Maji-Maji-Allee endete am | |
6. Januar. Die Frist für die Cornelius-Fredericks-Straße am 11. Januar. Der | |
Name sei zuerst falsch geschrieben worden, so Weißler, daher habe der | |
Beschluss neu gefasst werden müssen. Für den Bell-Platz gibt es noch keine | |
Frist. Der Bezirk habe den Namen nach einem Einspruch der Feuerwehr im | |
Oktober noch mal ändern müssen in Manga-Bell-Platz, sagt die Stadträtin, | |
dies sei aber noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht worden. | |
## „Es geht uns um Mitbestimmung“ | |
Organisiert hat den Sammelwiderspruch der Geschäftsleute Magdalena | |
Sokolowska, die in der Noch-Lüderitzstraße ein Büro für „Büroservice und | |
Versicherungen“ betreibt. Sie ärgert nicht nur der „große, unnötige | |
finanzielle Aufwand“, wie es im Widerspruch heißt, den Gewerbetreibende | |
durch die Umbenennung hätten. „Es geht uns um Mitbestimmung und ein | |
demokratisches Verfahren“, sagte sie der taz. Sie seien als Geschäftsleute | |
über den Umbenennungsprozess weder informiert noch – anders als die | |
AnwohnerInnen – zu Namensvorschlägen aufgefordert worden. Begründung des | |
Bezirks: Man sei als Gewerbetreibender nicht polizeilich dort gemeldet. | |
„Dabei zahlen wir die meisten Steuern! Das ist eine Lücke im Gesetz“, | |
erregt sich Sokolowska. | |
Ihr Vorschlag, den sie im Widerspruch formuliert hat: Man solle doch die | |
alten Namen behalten, aber umwidmen, wie es zuvor bereits die | |
[1][Bürgerinitiative Pro Afrikanisches Viertel] – und mit ihr die CDU – | |
vorgeschlagen hatte. Dass für diese Idee jetzt 214 Gewerbeleute im Kiez vom | |
kleinen Blumenladen bis zum Edeka unterschrieben haben, „hat mich selbst | |
überrascht“. | |
Den Vorwurf der mangelnden Mitbestimmung und Geheimniskrämerei weist | |
Stadträtin Weißler allerdings weit von sich. Es habe sogar ein | |
Gewerbetreibender in der Jury gesessen, erwidert sie. „Und von wegen | |
Intransparenz: Schauen Sie auf unsere Webseite! Da steht alles akribisch | |
drin!“ Alle BVV-Beschlüsse seien öffentlich diskutiert und entschieden, die | |
Anlieger alle angeschrieben und informiert worden. | |
Demokratisch sei der Prozess ebenso legitimiert, sagt die | |
Grünen-Politikerin: Der Beschluss, in dem die BVV ihren grundsätzlichen | |
Willen zur Umbenennung bekundet hatte, sei ja schon vor der Bezirks- und | |
Abgeordnetenhauswahl 2016 gefallen. „Und Linke und Grüne, die dafür waren, | |
haben im Afrikanischen Viertel sogar einen Stimmenzuwachs bekommen.“ | |
## Nur knapp 20 Vorschläge aus der Gegend | |
Karina Filusch, Sprecherin der [2][Bürgerinitiative Pro Afrikanisches | |
Viertel], findet, „so demokratisch“ sei der Prozess nun auch nicht gewesen. | |
Nach ihrer Ansicht gab es seitens der „Schildstürmer“, wie sie die | |
Umbenennungsbefürworter nennt, einen durchaus „ruppigen Umgangston mit | |
Anwohnern und Einheimischen, etwa den Gewerbetreibenden, zum Wohle | |
ortsfremder Interessen“. | |
Als Beleg für Letzteres sagt Filusch, dass von den 196 Namensvorschlägen | |
nur knapp 20 von AnwohnerInnen aus der Gegend gekommen seien, wie eine | |
Einwohneranfrage ans Licht gebracht habe. Die anderen Vorschläge seien „aus | |
der ganzen Welt“ gekommen. Auch wisse sie von AnwohnerInnen, die keine | |
Informationspost vom Bezirk bekommen hätten. Last but not least kritisiert | |
Filusch, die nun beschlossenen Namen seien schlicht „nicht gut“. Man hätte | |
„moderne afrikanische Demokraten“ wie Nelson Mandela nehmen sollen statt | |
Könige wie Manga Bell. Und wenn schon nicht dies, dann sei eine Umwidmung | |
der alten Namen immer noch der bessere Kompromiss. | |
Wie geht es nun weiter? Filusch hofft noch immer, „dass die Politiker sich | |
entschuldigen und das Verfahren auf Anfang stellen“. Für Weißler kommt das | |
offenkundig nicht infrage. Allerdings, sagt sie, könne es wegen möglicher | |
Klagen noch Jahre dauern, bis die neuen Straßennamen Wirklichkeit werden. | |
15 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.pro-afrikanisches-viertel.de/ | |
[2] https://www.pro-afrikanisches-viertel.de/ | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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