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# taz.de -- Straßenumbenennung im Wedding: Der König ist tot, lang lebe der K…
> Die Gegner der neuen Straßennamen frohlocken: Ein Brief ist aufgetaucht,
> in dem sich ein Kameruner König beschwert. Leider stimmt die Story nicht
> ganz.
Bild: Rudolf Duala Manga Bell, König des Duala-Volkes im heutigen Kamerun, wur…
Berlin taz | Die „Initiative Pro Afrikanisches Viertel“ (IPAV) gibt nicht
auf. Seit der Bezirk Mitte vor gut einem Jahr die Umbenennung von drei nach
deutschen Kolonialisten benannten Straßen im Wedding beschlossen hat, läuft
die Ini, die anders als ihr Name vermuten lässt, von jeher gegen
Umbenennungen ist, verbissen Sturm. Jeder Schritt der beteiligten Ämter,
jede Nachricht wird zum Anlass genommen, über das angeblich „zutiefst
undemokratische Verfahren“ zu lamentieren und den verantwortlichen
PolitikerInnen Kolonialherren-Manier, Paternalismus und andere
Schlechtigkeiten vorzuwerfen.
Für die heutige Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat IPAV
mal wieder „Einwohneranfragen“ gestellt. Dieses Mal drehen sie sich um
einen Brief, den ein Großneffe des Königs Rudolf Duala Manga Bell, nach dem
der Nachtigalplatz in Manga-Bell-Platz unbenannt werden soll, an den
Vorsteher der BVV geschrieben hat. Der Absender, ein pensionierter Lehrer
aus Bayern, schreibt, dass er dem aktuellen König von den Plänen des
Bezirks telefonisch berichtet habe.
Beim Gespräch darüber sei ihnen „ein für uns gravierender Fehler“
aufgefallen, schreibt der Großneffe. So sei der Name Manga Bell „eine
Erfindung der Kolinialherren“, die seinerzeit für ihre afrikanischen
Untertanen einen Familiennamen brauchten; der eigentliche Name des Königs
sei Duala gewesen. Bei aller Freude über die geplante Umbenennung: Man
bitte diese Änderung zu veranlassen. Der Brief schließt mit der
Feststellung, der König würde sich freuen, zur Umbenennungsfeier eingeladen
zu werden.
Für die BI ist das selbstredend ein gefundenes Fressen: Ob jetzt die
„Umbenennung der schon einmal umbenannten Umbenennung vorgesehen“ sei (man
hatte bereits den Bell-Platz wegen Einsprüchen der Feuerwehr in
Manga-Bell-Platz ändern müssen), will man nun in der BVV wissen? Ob der
aktuelle König denn zur Feier eingeladen werde? Ob dessen Belehrung über
„die fehlerhafte, nämlich auf Kolonialisten-Perspektive“ basierende
Namensgebung Konsequenzen habe für die anderen Straßennamen?
## „Durch Boten – EILT!“
Nun hat auch die Autorin dieser Zeilen diesen „brisanten“ Brief bekommen –
in einem anonym abgegebenen Umschlag mit dem Hinweis „Durch Boten – EILT!“
Eilig ist die Sache allerdings weniger, wie ein kurzer Anruf beim Absender
klärte. Er habe den Brief schon im März geschrieben, sagt der Großneffe des
1914 von den Deutschen ermordeten Königs. Die Sache sei für ihn auch längst
erledigt.
Ach, so schnell? Ja, beteuert der Bayer. Der (am Umbenennungsprozess
beteiligte) Verein Africavenir habe ihn angerufen und die Zusage gegeben,
dass ein Schild über den Namensgeber des Manga-Bell-Platzes und die
„kolonialistische Erfindung des Namens“ informieren werde. Und weil sie die
Umbenennung grundsätzlich „natürlich befürworten“, hätten der aktuelle
König und er diesen Kompromiss akzeptiert, „um die ganze Sache nicht zu
gefährden“. Die Berliner hätten ihm erklärt, dass es ohnehin noch dauern
werde mit den neuen Namen.
In der Tat: Der Bezirk muss in den kommenden Monaten erst einmal zu den
rund 1.200 Widersprüchen von 400 Einzelpersonen gegen die insgesamt drei
Umbenennungen Stellung nehmen. Wo er ablehnt, dürfte es Klagen hageln,
dafür wird IPAV schon sorgen. Das ganze Verfahren werde wohl noch Jahre
dauern, sagte kürzlich Bezirksbürgermeister Stephan Dassel (Grüne).
## Cui bono?
Zurück zum Großneffen: Der erklärt glaubwürdig, dass er voriges Wochenende
nicht in Berlin war und seinen zwei Monate alten Brief auch nicht bei der
taz abgegeben hat. Aber wer dann? Wem würde es nützen, wenn Berliner Medien
Artikel schreiben mit Überschriften wie „König Douala Bell kritisiert
Straßenumbenennung“, wie es der Tagesspiegel Checkpoint am Mittwoch dann
wirklich tat?
Anruf bei der Initiative Pro Afrikanisches Viertel. Nein, sie könne nicht
sagen, wer den Brief der taz gebracht habe, erklärt Sprecherin Karina
Filusch – und setzt hinzu: wenn derjenige das nicht möchte. Hmm…
So gibt es am Ende dieser Geschichte zwar keinen Skandal mehr, den einige
offenkundig wollten. Dafür sitzt in Bayern nun ein Mann, der, wie er sagt,
„Angst hat, dass mein Brief den Gegnern der Umbenennung in die Hände
spielt.“ Der IPAV dürfte das egal sein: Schließlich schwingt sie sich gerne
ungefragt zu Fürsprechern afrikanischer Interessen auf.
Erst kürzlich sagte Filusch in der Berliner Zeitung als Argument gegen die
Umbenennungen, auch Berliner „mit afrikanischem Hintergrund mögen es nicht,
in die Sonderrolle von Opfern gedrängt zu werden“. Was in Einzelfällen
stimmen mag, insgesamt aber natürlich ein Affront gegenüber den vielen
politisch organisierten Schwarzen ist, die sich seit Jahren für die
Umbenennung von Straßen mit kolonialen Unrechtsbezügen engagieren.
Zum Schluss noch eine gute Nachricht (von der Gruppe Berlin Postkolonial):
Der König wird selbstverständlich eingeladen! Nur das Datum für die große
Umbenennungsparty steht noch nicht.
15 May 2019
## AUTOREN
Susanne Memarnia
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