# taz.de -- Literatur glokal: „Afrolution“ startet im Wedding | |
> Das Literaturfestival „Afrolution“ bringt große Namen nach Berlin und | |
> erinnert an den ersten Panafrikanischen Kongress vor 100 Jahren. | |
Bild: Smarte Perspektive auf die Afrolution 2018 | |
Es sind keineswegs die beschämenden kolonialen Straßennamen, die den | |
Wedding in erster Linie zum afrikanischen Viertel Berlins machen. | |
Umtriebige afrikanische, Schwarze und afrodeutsche Gemeinschaften prägen | |
den Stadtteil und revolutionieren weiße deutsche Selbstverständnisse. Der | |
mühsame Kampf um die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte im | |
öffentlichen Raum und auf Straßenschildern – angeführt vom Verein Berlin | |
Postkolonial – ist dabei nur eine Frontlinie. | |
Eine weitere, im vermeintlich säkularen Berlin weniger sichtbare Revolution | |
ist die religiöse: Während die staatlich privilegierten und mehrheitlich | |
weißen Großkirchen stetig Mitglieder verlieren, florieren im Wedding die | |
afrikanischen Freikirchen. Dass schließlich auch die dritte „Afrolution“ | |
Berlins – nämlich die literarische – vom Wedding ausgeht, überrascht dann | |
nur wenig. | |
Bereits zum zweiten Mal findet im Wedding vom Donnerstag bis zum Sonntag | |
das vom Verein Each One Teach One (EOTO) veranstaltete Afrolution | |
Literaturfestival statt. An den sechs Tagen stehen neben literarischen | |
Lesungen auch Musik, Tanz, literarische Kulinarik, spirituelle Impulse und | |
wissenschaftliche Vorträge auf dem Programm. Schauplatz des Festivals sind | |
neben der EOTO-Kiezbibliothek in der Togostraße auch die Galerien aptm und | |
Scriptings in der Kameruner Straße, das Restaurant Salone Market und der | |
Humboldthain Club. Am Samstag bieten darüber hinaus der | |
Politikwissenschaftler Joshua Kwesi Aikins und der deutsch-tansanische | |
Aktivist Mnyaka Sururu Mboro einen dekolonialen Kiezspaziergang durch das | |
Afrikanische Viertel an. | |
Im Zentrum des diesjährigen Festivals steht die Bewegung des | |
Panafrikanismus. Denn 2019 jährt sich neben den revolutionären Aufständen | |
Weddinger Arbeiter*innen von 1919 auch der erste Panafrikanische Kongress | |
zum 100. Mal. | |
## Antikoloniale Befreiungsbewegung | |
Im Februar 1919 hatten der Soziologe W.E.B. DuBois und die feministische | |
Bürgerrechtlerin Ida Gibbs-Hunt in Paris den Kongress initiiert. Er sollte | |
strategische Verbindungen zwischen afrikanischen antikolonialen | |
Befreiungsbewegungen und dem Widerstand Schwarzer Intellektueller, | |
Arbeiter*innen und Soldaten der afrikanischen Diasporas in Europa und den | |
Amerikas schaffen. Eine Forderung des Kongresses war auch die | |
Selbstverwaltung der gerade aufgegebenen deutschen Kolonien. | |
In der Tradition des Kongresses versteht sich auch das Weddinger Festival | |
als Teil einer „transnationalen intellektuellen, politischen und | |
kulturellen Bewegung, die die solidarischen Bande, geteilten Erfahrungen | |
und verflochtenen Geschichte(n) zwischen Menschen afrikanischer Herkunft | |
weltweit betont“, wie es im Ankündigungstext heißt. | |
Ausdruck dieser transnationalen Orientierung seien auch die Kooperation der | |
Weddinger Afrolution mit dem Aké Arts & Book Festival im nigerianischen | |
Lagos und die internationale Gästeliste, sagte Festivalleiterin Nadja | |
Ofuatey-Alazard am Mittwoch der taz: „Wir konnten wirklich große | |
Künstler*innen und Denker*innen für das diesjährige Festival gewinnen.“ | |
Auch die renommierte afrofuturistische Autorin Nnedi Okorafor werde bei | |
Afrolution lesen und diskutieren – „sie ist besonders bekannt für ihre | |
Black-Panther-Bücher“. | |
Der im Jahr 2012 gegründete Verein Each One Teach One versteht sich als ein | |
von der Schwarzen Gemeinschaft getragenes Projekt, das sich Bildungs- und | |
Selbstbestimmungsarbeit zum Ziel gesetzt hat. Zentrum ist dabei die | |
Weddinger EOTO-Kiezbibliothek, die Werke von afrikanischen, | |
afrodiasporischen und Schwarzen Autor*innen sammelt. | |
Der Name „Each One Teach One“ bezieht sich auf ein afroamerikanisches | |
Sprichwort, das zur Zeit der Sklaverei entstanden ist. Weil weiße Besitzer | |
und staatliche Autoritäten den Sklav*innen Bildung versagten, | |
verpflichteten sich diese dazu, jedes angeeignete Wissen mit anderen | |
Schwarzen zu teilen. | |
12 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Stefan Hunglinger | |
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taz lab 2023 | |
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