# taz.de -- Antirassistische Bibliothek: „Schwarze Frauen sichtbar machen“ | |
> Die Bibliothek „Audream“ soll Literatur und Wissen Schwarzer Frauen | |
> zugänglich machen. Das Besondere: Die Bücherei ist mobil. | |
> Projektinitiatorin Chima Ugwuoke über ihre Idee. | |
Bild: Projektinitiatorin Chima Ugwuoke | |
taz: Frau Ugwuoke, haben Sie ein Lieblingsmedium in der Bibliothek? | |
Chima Ugwuoke: Eines meiner Lieblingsbücher ist „Sisters and Souls“ von | |
Natasha Kelly. Es entstand zum 20. Todestag der afrodeutschen Poetin May | |
Ayim und versammelt verschiedene Stimmen Schwarzer Frauen. Die beziehen | |
sich einerseits auf vergangene Kämpfe; andere zeigen aktuelle Konflikte | |
Schwarzer junger Frauen auf. Zudem werden verschiedene Projekte | |
vorgestellt. Das Buch könnte sinnbildlich gut für unser Bibliotheksprojekt | |
stehen. | |
Wer steht hinter dem Projekt? | |
Wir sind ein Team, das seit Längerem politische Bildungsarbeit bei den | |
Berliner Falken [SPD-nahe Jugendorganisation; d. Red.] macht und das | |
rassismuskritische Festival In*vision organisiert. | |
Was hat Sie und das Team dazu bewogen, die Bibliothek zu gründen? | |
Wir haben immer wieder festgestellt, dass es super schwierig ist, an Texte, | |
Erzählungen und auch Referent*innen zu kommen, die Schwarze feministische | |
Perspektiven vertreten – obwohl es die natürlich gibt. Wenn wir Texte | |
gefunden haben, waren die meist auf Englisch. Die Bibliothek soll die | |
Suche vereinfachen und das Wissen leichter zugänglich machen. | |
Und warum mobil? | |
Im Wedding gibt es zum Beispiel beim Verein Each One Teach One schon das | |
Archiv von Vera Heyer, die alles Mögliche an Werken von Schwarzen | |
Autor*innen gesammelt hat. Dort kann man hingehen und sich das anschauen. | |
Aber es ist eben nur beschränkt zugänglich. Darum haben wir das Format der | |
mobilen Bibliothek gewählt. | |
Was finden Nutzer*innen in der Bibliothek? | |
Momentan haben wir etwa 100 Bücher und DVDs zu Themen wie Schwarze | |
Geschichte oder Rassismuskritik. Wir haben auch einfach Romane, die wir | |
toll finden, weil sie eben nicht die rassistischen und stereotypen | |
Darstellungen von Schwarzen Menschen als Nebenfiguren, Witzfiguren oder die | |
vermeintlich Anderen reproduzieren. Viele der Romane sind von Schwarzen | |
Autor*innen: Das, was man alltäglich liest, muss also nicht aus einer | |
weißen männlichen Perspektive geschrieben sein. Wir haben auch einige | |
Kinderbücher: Auch davon sind die meisten auf Englisch verfasst oder nur | |
noch antiquarisch zu bekommen. | |
Was ist das Besondere an den Kinderbüchern? | |
Ganz wichtig ist, dass Schwarze Kinder Hauptakteur*innen sind. Manche der | |
Bücher beschäftigen sich mit Rassismus und Ausgrenzungserfahrungen. Andere | |
erzählen alltägliche Geschichten darüber, was Kinder so bewegt – und wie es | |
sie eben tausendfach über weiße Kinder gibt. Solche Geschichten sind | |
wichtig, damit sich Schwarze Kinder positiv identifizieren können. | |
Was machen diese Bücher mit Kindern, die sich sonst selten in Geschichten | |
wiederfinden? | |
Als Kind habe ich zum Beispiel das Buch „Erstaunliche Grace“ gelesen. Die | |
Geschichte handelt von einem Schwarzen Mädchen, das in einem | |
Schultheaterstück die Rolle von Peter Pan übernehmen will, von weißen | |
Kindern dann aber zu hören bekommt, sie könne die Rolle nicht übernehmen, | |
weil sie ein Mädchen und Schwarz sei. Vor Kurzem habe ich mir mein Buch | |
noch mal angeschaut: Ich habe damals auf jede Seite groß meinen Namen | |
geschrieben. Bei Diskriminierung geht es meiner Meinung nach häufig darum, | |
dass die eigenen Erfahrungen gar keinen Raum haben. | |
Können Sie das genauer erklären? | |
Als Schwarzes Mädchen in einem mehrheitlich weißen Umfeld gibt es sehr, | |
sehr wenige Möglichkeiten, sich zu identifizieren. Und in einer | |
Gesellschaft, die so stark durch Rassismus geprägt ist wie die deutsche | |
Gesellschaft, sind dann für Schwarze Mädchen die einzige öffentliche | |
Repräsentation diese Anzeigen mit Spendenaufrufen, die ein Kind mit | |
Hungerbauch zeigen. | |
Was steht hinter dem Namen „Audream“? | |
„Audream“ ist eine Mischung aus dem Namen der afroamerikanischen Aktivistin | |
Audre Lorde und aus „Our Dreams“, also „unsere Träume“. | |
Warum ausgerechnet Audre Lorde? | |
Audre Lorde hat die Schwarze deutsche Frauenbewegung wesentlich inspiriert | |
und Frauen dazu ermutigt, ihre Geschichten aufzuschreiben. Für mich steht | |
die Zusammenstellung der Bibliothek in Kontinuität mit dieser | |
Frauenbewegung. Das, was Frauen da geschaffen haben, das Wissen, was sie | |
generiert haben, soll zugänglich sein. Leute sollen darauf aufmerksam | |
gemacht werden, um sicherzustellen, dass dieses Wissen nicht in | |
Vergessenheit gerät. Es ist also auf unsere Art die Fortführung der Kämpfe | |
um Sichtbarkeit und Hörbarkeit von Schwarzen Frauen und Frauen of Colour. | |
Wie finanziert sich die Bibliothek? | |
Die Startfinanzierung lief über die Falken Berlin und eine Förderung der | |
Kreuzberger Kinderstiftung. Momentan zahlen wir das Projekt aber aus | |
eigener Tasche und sind künftig auf Spenden angewiesen. | |
Wie kann man die Bibliothek buchen? | |
Alle Informationen über die mobile Bibliothek findet man online und dann | |
reicht eine E-Mail. Der Verleih ist unentgeltlich. Wer etwas ausleiht, muss | |
nur zusichern, dass die Bibliothek die Medien auch zurückbekommt. Darüber | |
hinaus können uns Leute für Veranstaltungen anfragen, zum Beispiel für | |
Lesungen, Workshops, Veranstaltungen mit Kindern oder Ähnliches. | |
17 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Anne Pollmann | |
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