# taz.de -- Symbolische Umbenennungen in Berlin: Benno statt William! | |
> Die Berliner Geschichtswerkstatt hat den Shakespeareplatz an der | |
> Deutschen Oper in Benno-Ohnesorg-Platz umgetauft. Das wurde auch Zeit. | |
Bild: Jürgen Karwelat von der Berliner Geschichtswerkstatt bei der symbolische… | |
Anfang 2018 hat das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf beschlossen zu | |
prüfen. Damals entschied die Bezirksverordnetenversammlung, dass der Platz | |
vor der Deutschen Oper demnächst nicht mehr fantasielos Shakespeareplatz, | |
sondern Benno-Ohnesorg-Platz heißen soll. Denn genau an diesem Ort wurde am | |
2. Juni 1967 der Student [1][Benno Ohnesorg] bei einer Demonstration gegen | |
den Staatsbesuch des persischen Schahs mit einem Pistolenschuss aus kurzer | |
Distanz in den Hinterkopf vom Berliner Polizisten Karl-Heinz Kurras | |
erschossen. | |
Es war das erste Mal, dass Ohnesorg, 26 Jahre alt, frisch verheiratet und | |
Mitglied der Evangelischen Studentengemeinde, an einer Demo teilgenommen | |
hatte. Das Foto einer Studentin, die ihre Handtasche unter den Kopf des | |
Sterbenden geschoben hatte und nach Hilfe ruft, ist weltbekannt. Erst 2009 | |
kam heraus, dass Kurras geheimer Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit | |
gewesen ist. Die gesellschaftspolitischen Folgen dieses Tages sind bekannt: | |
Ohne ihn hätte sich die Studentenbewegung in der ganzen Bundespolitik wohl | |
völlig anders entwickelt, sie hätte sich womöglich auch nicht so | |
radikalisiert. | |
Doch seit 2018 ist in puncto Prüfung und Umbenennung herzlich wenig | |
passiert im Bezirksamt. Dies jedenfalls kritisiert die Berliner | |
Geschichtswerkstatt, die deshalb den Platz am Dienstag schon einmal | |
symbolisch umbenannt hat. „Wir begrüßen die Idee der Platzumbenennung auch | |
deswegen, weil dies ein kleines Symbol der Wiedergutmachung für Lukas | |
Ohnesorg, den Sohn von Benno Ohnesorg, wäre. Lukas hat seinen Vater nie | |
kennengelernt, weil er erst nach dem Tod des Vaters geboren wurde“, so | |
Jürgen Karwelat von der Geschichtswerkstatt. | |
Schon 2018 waren kritische Stimmen aus der Politik laut geworden, die diese | |
Umbenennung als überfällig bewerteten. Eine von ihnen stammt vom früheren | |
Berliner Grünen-Abgeordneten, Justizsenator und Bundestagsabgeordneten | |
Wolfgang Wieland, der selbst 1967 auf der Demo gegen den Schah-Besuch dabei | |
gewesen ist. Auch eine Entschuldigung des gesamten Senats fehle bisher, | |
kritisierte damals Wieland. Lediglich Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) | |
hatte sich am 2. Juni 2017 anlässlich des 50. Todestags von Benno Ohnesorg | |
für den brutalen Polizeieinsatz damals entschuldigt. | |
## Rasantes Mahlen geht anders | |
Dass die bürokratischen Mühlen in Sachen Straßen- und Platzumbenennungen | |
nicht gerade rasant mahlen: Das ist in Berlin allerdings nichts Neues. | |
Daran wird wohl auch nicht ändern, dass symbolische Umbenennungen | |
inzwischen schon zu den festen Ritualen zivilgesellschaftlicher Initiativen | |
geworden sind. Erst am Montag hat das Internationale Auschwitz Komitee an | |
den vor einem Jahr ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke | |
erinnert, indem es die Sigismundstraße in Tiergarten kurzzeitig nach dem | |
CDU-Politiker umbenannte. | |
Auch, wenn sie moralisch natürlich im Recht ist: Die Berliner | |
Geschichtswerkstatt sollte sich vielleicht in Zukunft innovativere Formen | |
des Protestes überlegen, wenn sie an Dinge erinnern will, die manche | |
Berlinerinnen und Berliner vielleicht ganz gern vergessen und vergeben | |
würden. | |
3 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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