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# taz.de -- Einigung in Asylstreit: Koalition will Asylrecht verschärfen
> Seehofer soll nun bilaterale Abkommen aushandeln. Die SPD will bald ein
> Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen. Pro Asyl übt scharfe Kritik an
> dem Deal.
Bild: „Die nationalen Egoismen dominieren und zerfressen die Wertebasis Europ…
Berlin dpa/afp | Es ist das Ende eines nervenzehrenden Asylstreits: Die
große Koalition hat sich auf ein Paket geeinigt, das irreguläre Migration
weiter eindämmen soll. Darauf hatte vor allem CSU-Chef und Innenminister
Horst Seehofer gedrungen. „Das ist alles von A bis Z so, wie man sich das
als zuständiger Minister wünscht“, sagte Seehofer am Donnerstagabend nach
der Einigung bei einem Spitzentreffen von Union und SPD in Berlin.
Allerdings sollen an der Grenze zu Österreich weit weniger Menschen
zurückgewiesen werden als von Seehofer zunächst geplant. Zudem setzte die
SPD durch, dass noch 2018 ein Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht
werden soll, um gezielt Fachkräfte anzuwerben.
Seehofer hatte noch am Sonntag im unionsinternen Streit mit Rücktritt
gedroht und von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) [1][mehr Härte in der
Flüchtlingspolitik] verlangt. Er konnte sich aber nicht mit einseitigen
Zurückweisungen von Menschen an der Südgrenze durchsetzen, die schon in
einem anderen EU-Staat Asyl beantragt haben. Seehofer soll stattdessen mit
den Staaten Abkommen aushandeln, damit diese die Betreffenden zurücknehmen.
Gibt es die Abkommen, sollen für das „Transitverfahren“ bestehende
Einrichtungen der Bundespolizei in Grenznähe genutzt werden, „sofern die
Personen nicht unmittelbar in die bestehende Unterbringungsmöglichkeit im
Transitbereich des Flughafens München gebracht werden und von dort aus in
den Erstaufnahmestaat zurückkehren können“, heißt es in dem Einigungspapier
der großen Koalition. Wie beim bestehenden Flughafenverfahren würden die
Personen rechtlich nicht nach Deutschland einreisen. Die Zurückweisung soll
innerhalb von 48 Stunden erfolgen. Die bislang von der Union benutzte und
von der SPD abgelehnte Bezeichnung „Transitzentren“ taucht in dem Papier
nicht mehr auf.
Das Verfahren soll nur an der deutsch-österreichischen Grenze zum Einsatz
kommen – damit es funktioniert, müssen bilaterale Abkommen vor allem mit
Italien und Griechenland ausgehandelt werden, von wo die meisten Migranten
kommen, die bereits Asyl beantragt haben.
## „Sommertheater“ nun beendet
Bisher gibt es lediglich rund 150 Fälle im Monat in Bayern, auf die das
Verfahren angewendet werden könnte. SPD-Chefin Andrea Nahles betonte: „Es
wird keine nationalen Alleingänge geben.“ Vizekanzler Olaf Scholz sagte,
die SPD hoffe, dass das vorgezogene „Sommertheater“ nun beendet sei.
Seehofer spricht nun von „Transferzentren“. Auf die Frage, ob sich der
ganze Streit gelohnt habe, sagte Seehofer: An der Grenze werde nun der
Rechtsstaat durchgesetzt. „Da kommt's nicht auf die Masse an.“ Es soll
zudem schneller geklärt werden, welches EU-Land für einen Asylbewerber
zuständig ist. Außerdem sind hinter den Grenzen – und zwar bundesweit,
nicht nur in Bayern – mehr Schleierfahndungen und „sonstige intelligente
grenzpolizeiliche Handlungsansätze“ geplant.
Dadurch sollen auch mehr Menschen gefasst werden, die schon in einem
anderen EU-Land registriert sind, und dann umgehend in die sogenannten
„Ankerzentren“ gebracht werden. Das betrifft deutlich mehr Personen als
solche, die woanders auch schon einen Asylantrag gestellt haben: Seehofer
sprach von 46 .000 Fällen im Jahr.
Im Papier heißt es: „Das Recht auf Asyl beinhaltet nicht das Recht, sich
das europäische Land aussuchen zu können, in dem man das Asyl erhält.“ Das
beschleunigte Verfahren für Migranten, die bei der Einreise etwa in Italien
oder Griechenland lediglich registriert wurden, soll demnach in einer
eigenen Vorschrift normiert werden. Unter anderem sollen die Betroffenen
einer Residenzpflicht in den noch zu gründenden Ankerzentren unterliegen;
sie sollen nicht auf die Kommunen verteilt werden.
## Rückführungen sollen von Bund übernommen werden
Der Bund will zudem den Ländern verstärkt die Abschiebung von Flüchtlingen
ohne Bleibeperspektive abnehmen. Um die Rückkehr zu beschleunigen, werde
der Bund dies für die Fälle von Menschen anbieten, die bereits in einem
anderen EU-Staat registriert worden sind und die in eines der geplanten
neuen „Ankerzentren“ gekommen sind. Dort sollen Schutzsuchende das gesamte
Asylverfahren durchlaufen – Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung
beziehungsweise Rückführung (kurz: AnkER).
Vor dem Durchbruch hatte die Bundesregierung einige Dämpfer erlitten im
Ringen um eine raschere Rückführung von Menschen ohne Bleibeperspektive.
Weder Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, den Seehofer am Donnerstag traf,
noch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der die Kanzlerin besuchte,
ließen sich zu Zugeständnissen bewegen bei der Rücknahme von Asylbewerbern.
Beide sehen sich als nicht zuständig für Asylbewerber, die bereits in einem
anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben. Auch eine entsprechende
Vereinbarung mit dem wichtigen Ersteinreiseland Italien erscheint nahezu
aussichtslos, nachdem die Regierung in Rom bereits abgeblockt hat. „Das
werden nicht ganz einfache Verhandlungen“, räumte Seehofer ein. Letztlich
sehe er die Verantwortung für Rücknahmevereinbarungen mit anderen
EU-Ländern bei Merkel.
„Ich gehe davon aus, dass wegen der Komplexität und der europäischen
Dimension nach meiner Einschätzung am Ende die wichtigsten Punkte dieser
Vereinbarung von den Regierungschefs fixiert werden müssen“, sagte der
Innenminister. Mit Kanzler Kurz kam Seehofer aber überein, dass sich
Österreich und Deutschland gemeinsam mit Italien dafür einsetzen wollen,
die Mittelmeer-Route für Flüchtlinge zu schließen.
## Keinerlei Annäherung mit Ungarns Regierungschef
Bereits in der kommenden Woche solle in Innsbruck ein Treffen der drei
Innenminister aus Deutschland, Österreich und Italien stattfinden, um das
weitere Vorgehen zu besprechen. „Das ist im Interesse Italiens, aber auch
Österreichs und Deutschlands, wenn der Migrationsdruck über diese Route
weniger wird“, sagte Kanzler Kurz.
Keinerlei Annäherung brachte das Treffen von Merkel mit Ungarns
Regierungschef. Orban machte deutlich, dass Ungarn keine Asylbewerber
aufnehmen will, die von Deutschland nach den Dublin-Regeln der EU
zurückgeschickt werden: „Es ist nämlich so, dass Ungarn nicht der erste
Zutrittspunkt ist, wenn es darum geht, EU-Gebiet zu betreten. Der
Ersteintrittspunkt ist Griechenland.“ Deshalb müsse Deutschland diese
Menschen nach Griechenland zurückbringen und nicht nach Ungarn. Durch den
besseren Schutz seiner Südgrenze nehme Ungarn Deutschland „eine immense
Last“ ab. Deshalb sei es „unfair, dass man uns in Deutschland oft mangelnde
Solidarität vorwirft“.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat die geplante
Asylrechtsverschärfung scharf kritisiert. „Die reichste Industrienation
drückt die Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte von
Flüchtlingen systematisch den ärmeren Grenzstaaten, insbesondere
Griechenland auf, die ökonomisch von Deutschland abhängig sind“, erklärte
der Geschäftsführer Günter Burkhardt am Donnerstagabend.
„Flüchtlinge funken in ganz Europa SOS, aber es ist kein Land in Sicht, das
sie schützen will“, kritisierte Burkhardt. „Die nationalen Egoismen
dominieren und zerfressen die Wertebasis Europas, die Achtung der
Menschenrechte.“
6 Jul 2018
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