# taz.de -- G20-Polizeigewalt nicht zu ermitteln: „Kein gezielter Wurf“ | |
> Unverhältnismäßige Polizeigewalt ist strukturell schwer aufzuklären. Das | |
> belegen die internen Ermittlungen der Hamburger Polizei nach G20. | |
Bild: Bei der Aktion „Colour the Red Zone“ gegen den G20-Gipfel ist eine De… | |
HAMBURG taz | Ein Großteil der Fälle von mutmaßlich strafbarer | |
Polizeigewalt beim G20-Gipfel bleibt voraussichtlich unaufgeklärt. 52, fast | |
die Hälfte der 124 Verfahren wegen Körperverletzung im Amt, sind bereits | |
eingestellt. Aus einer Anfrage der Linksfraktion in der Hamburger | |
Bürgerschaft gehen nun erstmals die Gründe dafür vor: In 20 Fällen sei die | |
Tat nicht nachweisbar gewesen. Elfmal sei es unmöglich gewesen, mutmaßliche | |
Täter*innen zu ermitteln, in lediglich drei Situationen sei ein | |
Gewalteinsatz gerechtfertigt gewesen. | |
Bei weiteren Fällen fehlten Anhaltspunkte für Straftaten, Strafanträge oder | |
weitere Dinge. Lediglich in sechs der eingestellten Fälle wurden Zeugen | |
vernommen, viermal mussten beschuldigte Polizist*innen aussagen. Zudem sei | |
in den insgesamt 155 Ermittlungsverfahren die Identität von 69 Geschädigten | |
nicht bekannt. | |
„Viele Betroffene von Polizeigewalt erstatten aus Angst vor Gegenanzeigen | |
selbst keine Anzeige“, sagt Christiane Schneider (Linke). Sie geht davon | |
aus, dass nur ein Bruchteil von unverhältnismäßiger Polizeigewalt überhaupt | |
zur Anzeige kommt. Dass rund ein Jahr nach G20 noch keine einzige Anklage | |
erhoben sei, sei ein „unerträglicher Zustand, der bei Betroffenen zu | |
Verbitterung führt“. | |
Die Linke fordert nun eine Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen in | |
Hamburg sowie eine unabhängige Kontrollinstanz mit Ermittlungsbefugnis, | |
ähnlich einer Landesdatenschutzbeauftragten. Bisher gibt es für die | |
Aufklärung von unverhältnismäßiger Polizeigewalt die formal unabhängige | |
Dienststelle interne Ermittlungen: „Aber Polizisten bei den internen | |
Ermittlungen sind nur auf Zeit abgeordnet und gehen danach in den | |
Regeldienst zurück – das ist keine richtige Unabhängigkeit“, so Schneider. | |
Hamburgs Oberstaatsanwältin Nana Frombach bestätigte der taz, mehrere | |
Staatsanwält*innen hätten bemerkt, dass in Verfahren gegen die Polizei | |
wenig Geschädigte und Zeug*innen aussagten. „Wir würden uns wünschen, dass | |
alle zur Aufklärung beitragen könnten“, so Frombach. Warum es so wenige | |
Verfahren gebe, könne sie nicht beantworten. Mit einer Praxis der | |
Gegenanzeige hängt das aus ihrer Sicht jedoch nicht zusammen, weil die | |
Anzahl der Gegenanzeigen bei G20 nur im einstelligen Bereich sei. | |
Während Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) stumpf und | |
sachlich falsch behauptet hatte, es habe während des G20-Gipfels keine | |
Polizeigewalt gegeben, gab es große öffentliche Empörung über ausufernde | |
Polizeieinsätze. Unverhältnismäßig wirkte Polizeigewalt insbesondere, wenn | |
sie sich gegen Unbeteiligte oder Journalist*innen richtete, dokumentiert in | |
[1][zahlreichen brutalen Videos und Augenzeugenberichten]. Wenn Gewalt zum | |
Selbstzweck wird, hört das staatliche Gewaltmonopol allerdings auf. Der | |
Staat darf Gewalt nur zielgerichtet und verhältnismäßig einsetzen. | |
15 Ermittler*innen sind seitdem bei den Internen Ermittlungen mit der | |
Aufarbeitung mutmaßlicher Polizei-Straftaten befasst – zur Verfügung stand | |
ihnen dabei genau so viel Videomaterial, rund 100 Terabyte, wie der Soko | |
„Schwarzer Block“, die allerdings mit 144 Polizist*innen mutmaßliche | |
G20-Straftäter*innen jagen – teilweise sogar mit internationalen | |
Öffentlichkeitsfahndungen unter großflächiger Unterstützung von | |
Boulevardmedien. 714 Strafverfahren allein rund um die autonomen | |
„Welcome-To-Hell“-Demo stellte Soko-Chef [2][Jan Hieber dem | |
G20-Sonderausschuss kürzlich in Aussicht]. | |
Die Zwischenbilanz der internen Ermittler*innen fällt im Vergleich dazu | |
eher mager aus, obwohl der Polizeieinsatz bei dieser autonomen Demo | |
besonders umstritten war. Ein Verfahren gegen einen Polizisten etwa, der | |
bei „Welcome To Hell“ einen Feuerlöscher in Richtung von Demonstrant*innen | |
geworfen haben soll, ist bereits eingestellt. Begründung: Es sei „kein | |
gezielter Wurf in Richtung der Demonstranten nachweisbar“, zudem niemand | |
geschädigt worden. Schneider regt der Fall auf: „Gegen Protestierende wird | |
jeder Flaschenwurf angeklagt – da wird nicht der gleiche Maßstab angelegt.“ | |
6 Jun 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://g20-doku.org/ | |
[2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/ | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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