# taz.de -- Anwalt über Klage zur G20-Polizeigewalt: „Demos müssen sichtbar… | |
> Der Anwalt Dieter Magsam verklagt die Stadt Hamburg, weil diese | |
> Grundrechte verletzt habe. Seiner Ansicht nach war der Einsatz der | |
> Polizei rechtswidrig. | |
Bild: Spezialkräfte der Polizei am Abend des 7. Juli im Hamburger Schanzenvier… | |
taz: Herr Magsam, Sie verklagen die Stadt Hamburg. Wieso? | |
Dieter Magsam: Weil die Polizei bei G20 Grundrechte verletzt hat. Schon das | |
flächendeckende Versammlungsverbot für die Innenstadt halte ich für | |
rechtswidrig. Und auch die Menschen, die innerhalb dieser Verbotszone | |
friedlich demonstriert haben, standen unter dem Schutz des | |
Versammlungsrechts – solange, bis die Demo aufgelöst wurde, und das ist | |
nicht passiert. Die Polizei hat die Leute einfach zusammengeschlagen. Auch | |
meine MandantInnen, die am Morgen des 7. Juli bei einer absolut friedlichen | |
Demonstration in der Nähe der Außenalster zu Schaden gekommen sind. | |
Geht es Ihnen um den gesamten Polizeieinsatz oder um den Einzelfall? | |
Es gibt in Deutschland nicht die Möglichkeit zur Popularklage. Es geht erst | |
einmal nur um das Grundrecht der Betroffenen auf körperliche Unversehrtheit | |
gerade bei Demonstrationen, also Artikel 2 und 8 des Grundgesetzes. Aber im | |
Rahmen dessen wird sich das Verwaltungsgericht natürlich mit der Frage | |
beschäftigen müssen, ob der Polizeieinsatz insgesamt rechtswidrig war. Ohne | |
Verschwörungstheorien verbreiten zu wollen: Einigen Innenministern ist das | |
Demonstrationsrecht schon lange ein Dorn im Auge. Die staatliche Gewalt war | |
schon in der Planung des Events angelegt. | |
Diese Perspektive wird das Gericht doch niemals bestätigen. | |
Wahrscheinlich nicht, aber es wird die Frage stellen müssen, wie es dazu | |
kommt, dass lange angekündigte friedliche Demonstrationen ohne | |
Auflösungsverfügung und ohne jede weitere Ankündigung mit Tränengas, | |
Schlagstöcken und Fußtritten aufgemischt werden und Leute mit Verletzungen | |
im Krankenhaus landen. Da stellt sich natürlich die Frage: Hat das jemand | |
angeordnet und von wie weit oben kam diese Entscheidung? Dazu gibt es ein | |
halbes Jahr später noch immer keine Ermittlungen – die Polizei ermittelt | |
vorzugsweise in die andere Richtung, wie die letzte Öffentlichkeitsfahndung | |
zeigt. An so etwas darf man sich nicht gewöhnen. Uns geht es um die Frage | |
nach der Strategie, mit der Hamburg den Einsatz gemanagt hat. | |
Wie ist das Ihrer Ansicht nach abgelaufen? | |
Wenn ein bestimmtes Ereignis durchgedrückt werden soll – ob es die | |
Castortransporte sind oder G20 – gibt es ab einem bestimmten Punkt kein | |
Zurück mehr für die Polizei. Da wird das Demorecht zugunsten eines eher | |
militärischen Zugangs der Polizei außer Kraft gesetzt. Die wollen dann eben | |
was durchsetzen. Dass das Bundesverfassungsgericht schon 1985 im Fall von | |
Brokdorf gesagt hat, dass das Demorecht Korrektiv politischer | |
Entscheidungen von unten ist und auch dort ausgeübt werden darf, wo sich | |
der Gegenstand des Protestes befindet, spielt keine Rolle mehr. Aber | |
Demonstrationen müssen sichtbar sein, genau wie der Handschlag von Putin | |
und Erdogan sichtbar ist. Wenn die Bilder des Handschlags um die Welt gehen | |
können, aber die darauf bezogenen Demobilder nicht, wird der Beitrag zur | |
Meinungsbildung von unten verhindert. Das ist Unrecht. | |
Haben Sie juristisch denn überhaupt eine Chance? | |
Ja klar, sonst würde ich das nicht machen. Irgendjemand muss die Polizei ja | |
kontrollieren. Wenn das nicht passiert – und das schleift sich bei diesen | |
Großeinsätzen so ein – dann geht die demokratische Kontrolle verloren. Und | |
natürlich ist die Feststellungsklage, die ich anstrebe, auch die Basis für | |
Ansprüche auf Schadensersatz für meine MandantInnen. Nächste Woche werden | |
wir Klage einreichen. | |
5 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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