# taz.de -- G20-Demonstranten verklagen Hamburg: Polizeieinsatz soll vor Gerich… | |
> Wegen des brutalen G20-Einsatzes haben einige Aktivisten die Stadt | |
> verklagt. Sie wollen ein Gegengewicht in der Debatte schaffen. | |
Bild: Ein Dorn im Auge der CSU: die Rote Flora | |
HAMBURG taz | Mehrere Demonstrant*innen, die bei den G20-Protesten dabei | |
waren, wollen die Stadt Hamburg wegen des brutalen Polizeieinsatzes | |
verklagen. Konkret geht es um die beiden Einsätze an den Protestcamps sowie | |
ein Aufeinandertreffen von Polizei und Demonstrant*innen am 7. Juli in der | |
Nähe der Außenalster. | |
Dort hatten einige Demonstrant*innen versucht, in die Innenstadt zu | |
gelangen, die zur Demo-Verbotszone erklärt worden war. Dabei habe es eine | |
regelrechte Jagd der Polizei auf Demonstrant*innen gegeben, sagt der | |
Rechtsanwalt Dieter Magsam, der drei der Kläger*innen vertritt. | |
Polizist*innen seien aus ihren Autos gesprungen und hätten die Demo | |
auseinandergeprügelt. Bei Youtube gibt es mehrere Videos von der Szene. Auf | |
einem sieht man am Ende eine Demonstrantin auf der Straße sitzen, die am | |
Kopf blutet – eine Platzwunde am Hinterkopf, verursacht durch einen | |
Polizeiknüppel, sagt Magsam. | |
Den Kläger*innen geht es darum, ein Gegengewicht in der Gewaltdebatte um | |
die G20-Proteste zu schaffen, indem sie die Gewalt gegen Demonstrant*innen | |
thematisieren. „Wir wollen nicht über die individuellen Entgleisungen | |
einzelner Polizisten reden, sondern über die Strategie dahinter“, sagt | |
Magsam. | |
Er wolle keine Verschwörungstheorien bemühen und glaube nicht, dass es | |
einen Befehl für die Brutalität des Einsatzes gegeben habe, aber die | |
Erfahrung, zum Beispiel auch von Castortransporten, zeige eben, dass solche | |
Polizeieinsätze eine Eigendynamik entfalten. „Wenn der Castor vor Lüneburg | |
steht, ist klar: Die Demonstrationsfreiheit läuft der Polizeistrategie | |
völlig zuwider. Vom Demonstrationsrecht bleibt dann nichts übrig.“ | |
In Hamburg sei mit der Personalie Hartmut Dudde, der von Innensenator Andy | |
Grote (SPD) zum G20-Gesamteinsatzleiter der Polizei ernannt worden war, | |
klar gewesen, dass der polizeiliche Umgang mit Demonstrant*innen ein | |
„militärischer“ sein werde. Man müsse sich die Frage stellen: „Wollen w… | |
uns daran gewöhnen oder wollen wir dagegen vorgehen?“ Die Hamburger Polizei | |
bestätigte, ein Schreiben von dem Anwalt bekommen zu haben – es liege | |
derzeit zur Prüfung beim Justiziar. | |
## Fast fünf Monate Untersuchungshaft | |
Auch das Komitee für Demokratie und Grundrechte hat die Demo-Verbotszone | |
und die Prozesse gegen G20-Gegner*innen mehrfach kritisiert. Am Montag ging | |
der Prozess gegen den 19-jährigen Angeklagten Fabio V. weiter, der wegen | |
des Verdachts auf schweren Landfriedensbruchs fast fünf Monate lang in | |
Untersuchungshaft saß. Für das Grundrechtekomitee stellt der Prozess einen | |
„Kristallisationspunkt im Ringen um die politische und juristische | |
Aufarbeitung der Gipfelproteste dar“, wie die Prozessbeobachtung Michéle | |
Winkler im Bericht des Komitees schreibt. | |
V. wurde am 7. Juli in der Straße Rondenbarg zusammen mit über 70 anderen | |
festgenommen. Auf der Flucht vor der Polizei stürzten Demonstrant*innen | |
über ein Gitter, elf Schwerverletzte mussten ins Krankenhaus. V. blieb bei | |
einer Frau stehen, die mit einem offenen Bruch am Boden lag. | |
Eine individuelle Gewalttat wird ihm nicht vorgeworfen, lediglich, dabei | |
gewesen zu sein. Er ist bisher der einzige Angeklagte im | |
„Rondenbarg-Komplex“. Die Exekutive stehe unter Druck, den | |
unverhältnismäßigen Einsatz zu rechtfertigen, schreibt Winkler, und | |
befürchtet deshalb eine besonders harte Verurteilung V.s – „unabhängig des | |
Nachweises einer individuellen Straftat“. | |
Während auch die italienische Presse den Prozess gegen ihren Landsmann V. | |
verfolgt, hat es in Hamburg eine andere Akteurin wieder unfreiwillig in die | |
Schlagzeilen geschafft, die eigentlich schon aus der Schusslinie war: die | |
Rote Flora. Wie die Rheinische Post berichtete, fordert die CSU die | |
Schließung des autonomen Zentrums im Schanzenviertel. | |
Die Zeitung beruft sich dabei auf ein Beschlusspapier, das die | |
CSU-Landesgruppe in ihrer Klausur vorstellen will. Darin fordert sie eine | |
„klare Offensive gegen Linksextremismus“. Sie kritisiert, dass das | |
Bundesprogramm „Demokratie leben“ lediglich ein Prozent der Mittel für den | |
Kampf gegen Linksextremismus auszugeben plant, und verweist auf | |
„Gewaltorgien linker Chaoten beim G20-Gipfel in Hamburg“. Die Rote Flora | |
bezeichnet sie als „Keimzelle der Kriminalität“. | |
## CSU fordert Extremistenkartei für Linksradikale | |
Weiter fordert die CSU im Rahmen der „Offensive gegen Linksextremismus“, | |
dass das Vermummungsverbot bundesweit als Straftaten verfolgt und der | |
Tatbestand des Landfriedensbruch verschärft wird, sowie eine europäische | |
Extremistenkartei für Linksradikale. | |
Ganz auf dem neuesten Stand ist sie damit nicht: Wer sich auf einer Demo | |
oder auf dem Weg dorthin vermummt, begeht in den meisten Bundesländern, | |
darunter Hamburg, bereits eine Straftat. Hat man Gegenstände, die sich zur | |
Vermummung eignen, nur dabei, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. | |
Nur wenige Länder haben eigene Versammlungsgesetze, im Norden sind dies | |
Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Dort begehen Vermummte nur eine | |
Ordnungswidrigkeit, die je nach Umstand und Land mit einem Bußgeld bis zu | |
3.000 Euro zu Buche schlagen kann. | |
4 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
Hannes Stepputat | |
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