# taz.de -- G20: Polizist warf Bierdose auf Kollegen: Astra gegen Polizeigewalt | |
> Bei einer G20-Demo schleuderte ein Polizist eine volle Bierdose auf seine | |
> KollegInnen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn. | |
Bild: Bei der Welcome-to-Hell-Demo fliehen G20-Gegner auf eine Flutschutzmauer | |
HAMBURG taz | Er sei wütend gewesen, sagt der Polizist Oliver D., er habe | |
sich ohnmächtig gefühlt angesichts der Ereignisse und er habe Angst vor | |
weiterer Polizeigewalt gehabt. So begründet der bayerische Polizeibeamte | |
seinen spontanen und gezielten Wurf mit einer vollen Bierdose in Richtung | |
anderer Polizeikräfte. | |
Am Vorabend des G20-Gipfels in Hamburg war der 35-jährige Münchener | |
Augenzeuge – und zugleich Opfer – geworden, wie PolizistInnen mehrerer | |
Festnahmeeinheiten ohne Vorwarnung mit gezogenen Knüppeln in die | |
Protestdemonstration „Welcome to Hell“ gestürmt waren. In der Hafenstraße, | |
nur wenige Meter vom Fischmarkt entfernt, wo die Demo mit 12.000 | |
TeilnehmerInnen hatte starten wollen, zerschlugen die BeamtInnen die | |
Versammlung. | |
Die Szenen sind auf mehreren Videos im Internet dokumentiert. Auf einem | |
Video von Spiegel TV sind auch Oliver D. und seine Hamburger | |
Lebensgefährtin Johanna K. zu sehen, zu der er frühmorgens gereist war, um | |
sie zu besuchen. | |
Während eine Einstellung DemonstrantInnen zeigt, die auf der Flucht vor den | |
Politzeiknüppeln die Flutschutzmauer erklimmen, sieht man im nächsten | |
Moment D. und seine Freundin K., sich in der Not über eine Treppe in | |
relative Sicherheit bringen. Im Hintergrund hört man laut die Rufe der | |
DemonstrantInnen in Richtung der Polizei: „Wir sind friedlich, was seid | |
ihr?“ | |
## Interview nach Dosenwurf | |
Als sie an einer Straßenüberführung stehen, sehen die beiden, wie unter der | |
Brücke Beweis- und Festnahmeeinheiten der Polizei DemonstrantInnen | |
nachsetzen, die auf die Straße flüchten. D. schleudert seine Bierdose auf | |
die Straße. | |
Zwei Minuten später gibt das Paar Spiegel TV ein Interview. „Es ist nichts | |
passiert auf dem Platz, und die Bullen sind voll reingegangen“, sagt die | |
29-jährige K. mit einer Bierdose in der Hand. Entrüstet und in bayerischem | |
Dialekt fügt Oliver D. hinzu: „Also, es war wirklich friedlich. Man hat in | |
der Ferne ein, zwei Knalle gehört. Und dann kommt aus jeder Ecke die | |
Polizei. Völlig unverständlich.“ | |
Was der TV-Zuschauer, und wahrscheinlich auch das Team von Spiegel TV in | |
dem Moment nicht weiß: Der Mann, der sich da vor laufender Kamera über die | |
Polizei beschwert, ist selbst Polizist, seit zehn Jahren im Dienst. Er | |
diente in Hundertschaften der bayerischen Bereitschaftspolizei, war bei | |
Demos im Einsatz, fuhr später im Revierdienst in München Streife. Zuletzt | |
arbeitete er in der Notfall-Einsatzzentrale im Münchener Präsidium. | |
Trotz der von ihm im Fernsehen geäußerten Kritik bleibt D. im | |
Polizeiapparat monatelang unbehelligt. Erst im Januar fällt er seinen | |
Vorgesetzten auf: Im Rahmen einer polizeiinternen Fahndung, in der das | |
Bundeskriminalamt nach RandaliererInnen sucht, gehen Videos der | |
G20-Sonderkommission Schwarzer Block nach München. Auf einem davon ist D. | |
zu sehen und wird von Kollegen erkannt. | |
Die kurze Sequenz des Videos von 20:07 Uhr zeigt, wie etwa 20 BeamtInnen | |
mit Helmen und Knüppeln in einen Brückentunnel laufen. Oben am Geländer der | |
Brücke steht ein Mann im Pulk, leger gekleidet mit T-Shirt und Jeans. Er | |
holt mit rechts aus und schmettert eine Bierdose Astra-Pils in die Tiefe. | |
Sie prallt auf Kopfsteinpflaster, hüpft, spritzt, kullert und bleibt | |
liegen. | |
Auf Antrag der Soko Schwarzer Block leitet die Staatsanwaltschaft Hamburg | |
nach der Identifizierung D’s. Ermittlungen gegen D. und K. ein. Der | |
Verdacht: Versuchte gefährliche Körperverletzung und tätlicher Angriff auf | |
Vollstreckungsbeamte. Die Wohnungen des Pärchens in München und Hamburg | |
werden durchsucht, D. vom Dienst suspendiert. | |
## Aufgebracht über Polizeigewalt | |
Für D.sAnwalt Alexander Kienzle liegt keine Straftat vor. „Weder wurde eine | |
Dose auf Polizeibeamte geworfen, noch geschah dies in Verletzungsabsicht“, | |
schreibt Kienzle in einer sogenannten „Schutzschrift“ an die | |
Staatsanwaltschaft. Das Verfahren sei einzustellen, es liege kein | |
hinreichender Tatverdacht vor. D. räume zwar einen Dosenwurf ein, er habe | |
aber so gezielt, dass er niemanden habe treffen können. Zum Zeitpunkt des | |
Aufpralls seien die nächsten Polizisten, die Richtung Tunnel liefen, | |
anderthalb bis zwei Meter entfernt gewesen. | |
Kienzle sagt, D. habe geworfen, nachdem der erste Trupp aus Polizisten | |
unten im Tunnel verschwunden sei. Als die Dose auf dem Boden lag, habe es | |
drei Sekunden gedauert, bis die nächsten Polizisten kamen. Es sei kein | |
Beamter in Gefahr gewesen. | |
Kienzle betont gegenüber der taz, dass diese Angaben keine neu von ihm | |
entwickelte Verteidigungsstrategie seien – vielmehr habe D. schon bei der | |
ersten Vernehmung durch die Münchener Polizei im Januar einen Dosenwurf aus | |
Wut über das Unrecht eingeräumt. Er habe aber keine Kollegen treffen | |
wollen. | |
Dass seine Kollegen die Welcome to Hell-Demo auf dem Fischmarkt mit | |
gezogenem Knüppel aufgelöst hätten, sei mit seinem Verständnis der | |
Rechtslage nicht vereinbar gewesen. Eine Räumung hätte die Polizei, wie es | |
das Versammlungsgesetz vorsieht, ankündigen müssen. | |
Laut der Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft, Nana Frombach, ist | |
bislang noch keine Anklage gegen D. erhoben worden. „Die Federführung der | |
Ermittlungen liegt weiterhin bei der Soko Schwarzer Block, die den Fall | |
noch bewertet“, sagt Frombach. | |
Für D. geht es um die berufliche Existenz. Sollte es zum Prozess und einer | |
Verurteilung kommen, obwohl niemand verletzt wurde, ist er wohl seinen Job | |
los. Allerdings könnte in einem Gerichtsverfahren auch zur Sprache kommen, | |
ob der vom G20-Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde angeordnete Polizeieinsatz | |
vielleicht rechtswidrig war. | |
14 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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