# taz.de -- Kostenlose Kitas im Norden: Gesetz für Besserverdiener | |
> Kostenlose Bildung von Krippe bis Uni – wie gerecht ist das eigentlich? | |
> Ein Blick auf den Norden zur bestehenden und geplanten Gebührenfreiheit | |
> und Alternativen. | |
Bild: Wer hat das Nachsehen? Der Streit um Kitagebühren im Norden ebbt nicht a… | |
Kiel taz | Die Grünen in Niedersachsen fordern eine „Atempause“. Nicht | |
aber, wie von CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann im Wahlkampf mantraartig | |
wiederholt, für die Inklusion, sondern für das bevorstehende neue | |
Kita-Gesetz in Niedersachsen. Die große Koalition aus SPD und CDU will | |
schnellstmöglich die Elternbeiträge für Kitaplätze abschaffen. | |
Den Entwurf für das zugehörige Gesetz halten die Grünen allerdings für | |
„übereilt, unausgegoren und an den Bedarfen vorbei“, sagt die Abgeordnete | |
Julia Hamburg. Sie sorgt sich, dass die Landesregierung, die Qualität in | |
den Kitas für die Beitragsfreiheit opfert. Darüber, wie das Personal | |
finanziert werden soll, gibt es noch offene Fragen. SPD und CDU müssten | |
„das Tempo aus dem Verfahren nehmen“, fordert Hamburg. | |
In der vergangenen Sitzung im Landtag hatten die Parteien das Thema schon | |
leidenschaftlich diskutiert: „Die beitragsfreie Kita entlastet die Mitte | |
der Gesellschaft“, hatte Mareike Wulf von der CDU argumentiert. Auch die | |
SPD ist stolz darauf, dieses zentrale Wahlversprechen umsetzen zu können: | |
„Die Bildung eines Kindes darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. | |
Deswegen wird die SPD alle Eltern von den Kosten des Kindergartenbesuches | |
entlasten“, heißt es in einer euphorischen Pressemitteilung der | |
Sozialdemokraten. | |
## Eltern würden mehr bezahlen | |
Aber: Wollen die Eltern das überhaupt? Laut einer neuen Studie der | |
Bertelsmann-Stiftung, die dazu bundesweit mehr als 10.000 Familien befragt | |
hat, wäre eine Mehrheit der Eltern sogar bereit, mehr für die | |
Kita-Betreuung auszugeben, wenn dafür die Qualität stimmt. Dazu zählt vor | |
allem, ob ausreichend Personal vorhanden ist. Und damit wird es schwierig, | |
wenn durch Null-Beiträge Geld im System fehlt. | |
Hamburg hat die kostenlose Kita schon 2014 eingeführt. Fünf Stunden | |
tägliche Betreuung sind seither „von Geburt bis zur Grundschule“ | |
gebührenfrei für die Eltern. Nur wer sein Kind länger abgeben will, zahlt. | |
Entsprechend gering ist im Durchschnitt der Anteil für Kita-Gebühren am | |
Haushaltseinkommen (siehe Kasten). | |
## Fehlende Fachkräfte | |
Aber es fehlt an Fachkräften – Hamburg hat unter den westdeutschen | |
Bundesländern das schlechteste Verhältnis zwischen ErzieherInnen und | |
Kindern. Die Initiative „Mehr Hände für Hamburgs Kitas“ will diesen | |
Schlüssel verbessern. Mehr als 30.000 Unterschriften konnte die Gruppe | |
schon sammeln, der erste Schritt zu einem Volksentscheid. Der Senat lehnt | |
die Forderung der Initiative bisher ab – das sei viel zu teuer. Wie hoch | |
die Mehrkosten sind, ist umstritten, aber auf jeden Fall „oberhalb der | |
Schallgrenze“, so SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Die Stadt habe die | |
Schuldenbremse einzuhalten. | |
Bremen steht vor ähnlichen Problemen. Der Stadtstaat will die | |
Gebührenfreiheit ab Ende der Sommerferien einführen. Nicht ganz freiwillig: | |
Die rot-grüne Regierung fürchtet, dass junge Familien nach Niedersachsen | |
ausweichen. „Einwohnerbindung“ und „einheitliche Lebensbedingungen“ sind | |
Gründe, die die CDU in ihrem Antrag pro Gebührenfreiheit nennt. Dabei | |
zahlen finanzschwache Familien schon jetzt keine Gebühren – jedenfalls im | |
Prinzip. | |
Auf dieses Problem weist die aktuelle Bertelsmann-Studie hin: Trotz der | |
Sozialstaffeln zahlen überall in Deutschland die weniger begüterten | |
Haushalte relativ gesehen mehr als reichere Elternhäuser. Betroffen sind | |
demnach vor allem die Familien, deren Einkommen knapp oberhalb der | |
Freibetrags-Grenze stehen. Denn bei einem niedrigen Monatsbudget schlägt | |
die Kita-Gebühr logischerweise stärker zu Buche. | |
## Teurer Kita-Besuch | |
Besonders in Schleswig-Holstein kommt der Kita-Besuch teuer: Laut der | |
Bertelsmann-Studie berappen Eltern im Schnitt mehr als einen doppelt so | |
großen Anteil des Monats-Nettos wie in Hamburg (siehe Kasten). Eine | |
allgemeine Gebührenfreiheit ist hier noch nicht in Sicht: „Das bleibt unser | |
Fernziel, ist aber diese Legislatur-Periode nicht zu erreichen“, so Eka von | |
Kalben, Fraktionschefin der Grünen, Koalitionspartner von CDU und FDP. Das | |
Jamaika-Bündnis plant allerdings eine Reform des Kita-Systems. | |
Ziele sind eine Deckelung der Elternbeiträge sowie landesweit | |
vergleichbarere Gebühren – denn die Unterschiede im Flächenland weichen | |
mehrere Hundert Euro voneinander ab. Aber selbst in Schleswig-Holstein | |
wären 51 Prozent der Eltern bereit, noch mehr zu zahlen. | |
5,7 Milliarden Euro würde die Kostenlos-Kita für alle bundesweit kosten – | |
zusätzlich zu den ohnehin schon großen Beträgen, die die öffentliche Hand | |
für die Bildung der Kleinsten ausgibt. Ob sich das lohnt, bezweifeln selbst | |
diejenigen, die im Grundsatz „für kostenlose Bildung von Kita bis Uni“ | |
sind, wie Olaf Korek, bei der Gewerkschaft GEW in Niedersachsen für | |
frühkindliche Förderung zuständig: „Niemand verlangt die kostenlose Kita. | |
Denn finanziell schwächere Familien sind ohnehin von den Beiträgen | |
freigestellt. Daher wären ein kostenloses Mittagessen und ein vernünftiges | |
Konzept für Sprachförderung besser gewesen als Beitragsfreiheit für alle.“ | |
Laut der Bertelsmann-Studie würden 730 Millionen Euro ausreichen, um | |
einkommensschwache Familien zu entlasten. Die Kostenlos-Kita hilft eher den | |
Besserverdienenden. Deutlich sagte das die Bremer FDP in einem Antrag vom | |
Februar, in dem sie Gebührenfreiheit forderten: Der „Gebührenfrust“ mit | |
bis zu 430 Euro im Monat stelle „insbesondere für Ehemänner und Ehefrauen | |
oder Partner und Partnerinnen von einem gutverdienenden Elternteil kein | |
Anreiz dar, eine Arbeit aufzunehmen“. | |
29 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
Andrea Maestro | |
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