# taz.de -- CDU-Spitzenkandidat über seine Pläne: „Probiert’s doch einmal… | |
> Der Unternehmer Carsten Meyer-Heder wird bei der Bremer Bürgerschaftswahl | |
> 2018 als Spitzenkandidat für die CDU antreten. Das Ende der | |
> SPD-Herrschaft ist sein Ziel. | |
Bild: Will nicht bloß verwalten, sondern handeln: Carsten Meyer-Heder | |
taz: Herr Meyer-Heder, was treibt Sie in die Politik? | |
Carsten Meyer-Heder: Ich bin hier jetzt seit 25 Jahren Unternehmer, mache | |
das auch gerne, aber das sind ganz andere Prozesse, Abläufe und | |
Entscheidungen. Sich in diesem neuen Feld zu positionieren, das finde ich | |
reizvoll und spannend. Vor allem aber finde ich: Es muss mal ein Ruck durch | |
Bremen gehen. Wir müssen hier viele Sachen anders machen – besser machen. | |
Und dafür steigen Sie jetzt mal gleich in die Spitze ein, statt an einer | |
Parteibasis mitzuarbeiten? | |
Ich bin immer schon ein Quereinsteiger gewesen: Ich bin auch quer von der | |
Musik in die Wirtschaft gewechselt. Es ist aber nicht so, dass ich | |
losgezogen wäre und gesagt hätte: Ich bin euer Kandidat. | |
Sondern? | |
Ich fand: Immer nur rummeckern nützt nichts. Also bin ich zu Jörg | |
Kastendiek gegangen und habe ihn gefragt: Ich möchte gerne was machen, | |
welche Möglichkeiten gibt es bei euch? | |
Und der hat gesagt: Fein, wir suchen gerade einen Bürgermeisterkandidaten? | |
So ähnlich. Er hatte einen Auftrag von der Partei, extern jemanden zu | |
suchen für die nächste Bürgerschaftswahl. Weil der CDU auch bewusst ist, | |
dass es mit ihren bekannten Köpfen schwierig werden kann, eine Wahl zu | |
gewinnen. Ich finde das einen mutigen Schritt: Ich bin ja nicht so ein | |
klassischer CDU-Kandidat, mit meiner Vita. | |
Nirgends in Deutschland ist die Spreizung zwischen Armut und Reichtum | |
deutlicher ausgeprägt als hier, die Wahlen gelten als sozial nicht mehr | |
repräsentativ – und jetzt drängt jemand aus der Wirtschaft an die Spitze | |
des Gemeinwesens: Ist Ihre Nominierung so gesehen das richtige Signal an | |
unseren gespaltenen Zwei-Städte-Staat? | |
Meine Hoffnung ist, dass ich diese Flügel wieder ein bisschen | |
zusammenbringen kann. Ich kenne beide Seiten. Ich bin nicht reich geboren. | |
Ich habe mich mal selbstständig gemacht, ich habe Zivildienst gemacht, mein | |
erstes Auto war ein gelber R4 und der war echt Vollschrott. Gleichzeitig | |
kenne ich über die Eiswette auch ein paar Leute der Bremer Gesellschaft. | |
Ich glaube, wir brauchen jemanden, der beide Seiten zusammenbringen kann. | |
Der Wirtschaftsmann als jemand, der vernetzt? | |
Ein modernes Unternehmen funktioniert über Networking. Das ist so. Da sitzt | |
nicht mehr ein Chef, der von oben herab alles runterdekretiert und dann | |
laufen sie alle. Man muss die Leute mit auf den Weg nehmen, viel reden und | |
viel Überzeugungsarbeit leisten. Ich glaube: Das genau ist eine Fähigkeit, | |
die ich habe. | |
Vorbehalte gegen Quereinsteiger aus der Wirtschaft hat gerade die Bremer | |
CDU genährt: Da gab’ s Senatoren wie Ulrich Nölle, der schließlich per | |
Haftbefehl gesucht wurde, den Manager Josef Hattig, der sehr viel Geld in | |
erfolglose Großprojekte wie den Spacepark gesteckt hat, und den Banker | |
Peter „Schampus“ Gloystein, der auch bundesweit zur Ikone der Herzlosigkeit | |
avancierte, als er einem Obdachlosen Sekt auf den Kopf gekippt hat. | |
Dafür kann ich nichts. Ich bin mir aber sehr sicher: Ich werde niemandem | |
Champagner über den Kopf gießen. | |
Das ist beruhigend! | |
Ich glaube, ich habe eine relativ breite Sicht auf die Welt. Ich mag | |
Menschen gerne, und habe gerne mit ihnen zu tun … | |
Das zu kommunizieren ist wichtig, um bei der Wahl eine Chance zu haben: | |
Momentan wirken Sie wie jemand, der eher wirtschaftsbezogen denkt … | |
Tue ich das? Wirke ich wirklich so, als würde ich sehr | |
wirtschaftsorientiert denken? | |
Sogar für beitragsfreie Kitas hatten Sie vor allem standortpolitisch | |
argumentiert … | |
Ich argumentiere mit Blick auf die Menschen und für Bremen und Bremerhaven: | |
Wenn ich hier mir meine Mitarbeiter im Unternehmen anschaue, das sind junge | |
Leute, die haben alle ein solides Einkommen und junge Familien. Damit die | |
ins Arbeitsleben kommen können, muss man die Kitas beitragsfrei stellen. | |
Gleichzeitig ist eine verlässliche Kita-Versorgung ein wichtiger Beitrag | |
für die Teilhabe von Alleinerziehenden am Arbeitsleben und damit gegen | |
Kinderarmut. Kinderarmut kommt genau daher, dass das nicht klappt: 29 | |
Prozent der armen Kinder gehören zu Alleinerziehenden-Haushalten. | |
Die mussten schon zuvor keine Beiträge zahlen. Ist Gebührenfreiheit | |
wirklich sozial? | |
Ja, ich finde sie ist sozial: Jeder hat dadurch die Möglichkeit, die Kita | |
für seine Kinder wahrzunehmen und keiner wird aus Kostengründen nach | |
Niedersachsen abwandern. Die Gebühren belasten junge Familien ja erheblich: | |
Wenn jemand zwei Kinder hat, sind das schnell 3.000 Euro aus versteuertem | |
Einkommen. Das ist viel Geld. Soll man dann in Bremen wohnen bleiben, nur | |
um den Kita-Platz zu bezahlen oder lieber über die Landesgrenze nach | |
Niedersachsen wechseln? Das überlegen sich viele zweimal. | |
Als Ihr wichtigstes Thema haben Sie Bildung benannt: Ist das der | |
entscheidende Punkt? | |
Ich habe Kinder an einer öffentlichen Schule, und ich muss sagen: Der | |
Unterrichtsausfall ist dramatisch, ganz zu schweigen von den | |
Vergleichsstudien, nach denen die Bremer Neuntklässler*innen so schlau sind | |
wie die Sechstklässler*innen in Baden-Württemberg. So kann das jedenfalls | |
nicht weitergehen. Aber eher ist das mein Antritt: dass sich etwas ändern | |
muss. Ich liebe diese Stadt, ich lebe gerne hier, aber wenn man ganz ohne | |
ideologische Festlegung auf Bremen schaut, und weiß: Die SPD hält hier seit | |
70 Jahren das Rathaus, und sieht: Was ist aus Bremen geworden? Wo stehen | |
wir im nationalen Vergleich? Dann muss man zu der Erkenntnis kommen: Das | |
hat nicht gut geklappt. Und ich glaube, dass es besser geht. Dafür brauchen | |
wir aber einen Wechsel. Also kann ich nur allen Wählern zurufen: Probiert’s | |
doch einmal anders! Und daran würde ich mich auch messen lassen. | |
Daran, dass Sie alles besser machen? | |
Mir geht es wirklich ums Handeln, nicht bloß ums Verwalten. Ich will Dinge | |
anschieben und auch mal neue Wege ausprobieren. Wir müssen an vielen | |
Schrauben drehen, damit wir Bremen insgesamt nach vorne bringen – und dann | |
finden wir vielleicht auch die engagierte Lehrkraft, die lieber hierher | |
zieht als in eine andere Stadt. Wir müssen Bremen wieder attraktiv machen. | |
Auch eine liberale Drogenpolitik könnte dazu beitragen. Aber da haben Sie | |
ja schon in der Cannabis-Debatte im Februar klar gemacht: mit Ihnen nicht? | |
Nein, ich habe vor allem klar gemacht, dass ich glaube, wir haben | |
dringendere Probleme als die Freigabe von Cannabis. Von mir aus kann man | |
sich gerne Gedanken über eine liberalere Drogenpolitik machen – aber nur | |
koordiniert mit Niedersachsen. | |
Eine Freigabe ließe sich im klar begrenzten Bremen doch viel besser | |
kontrollieren als in einem Flächenland? | |
Ich verstehe das Argument, aber ich teile es nicht. | |
Zu den unliebsamen Themen gehört meist auch die Frage nach dem Geld. Aber | |
ab 2020 bekommt Bremen ja 400 Millionen Euro zusätzlich. Wollen Sie die wie | |
Jens Eckhoff komplett in den Schuldendienst stecken? | |
Schuldentilgung ist eine gute Sache, weil sie eine nachhaltige Wirkung hat | |
und finanzielle Spielräume durch ersparte Zinszahlungen eröffnet. Wir | |
müssen vermeiden, mehr Geld in schlechte Strukturen zu pumpen. Aber wenn | |
wir sinnvolle Projekte haben, werden wir sie aus den ersparten Zinsen | |
finanzieren. | |
Und da haben Sie an was gedacht? | |
Zum Beispiel so etwas wie eine kostenfreie Kita. Das ist ja ein sinnvolles | |
Projekt, das überschaubar viel Geld kostet und sofort eine konkrete Wirkung | |
entfaltet. Und das machen wir dann auch. | |
Mehr Ganztagsschulen? | |
Auf jeden Fall: Das, was wir mit den beitragsfreien Kitas beginnen, muss in | |
der Schule weitergeführt werden. Ganztagsschulen verbessern die | |
Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Eltern und bieten die Chance | |
für eine qualitativ bessere Betreuung und Bildung der Kinder. | |
Ist der OTB auch noch ein sinnvolles Projekt? | |
In der Form nicht mehr, aus meiner Sicht. Aber wir brauchen einen | |
Schwerguthafen, und wir brauchen einen Plan B dafür, falls am Ende die | |
Gerichte die Genehmigung doch noch kassieren. | |
Gibt es für Sie auch einen Plan B? Werden Sie Oppositionsführer, wenn es | |
nicht zum Bürgermeister reicht? | |
Im Augenblick ist der Plan, Bürgermeister zu werden. | |
Klar. Und wenn nicht? | |
Dann gucken wir. | |
24 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
Jan Zier | |
## TAGS | |
CDU Bremen | |
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Elisabeth Motschmann | |
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