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# taz.de -- Interview Grüne in Bremen: „Erneuerung ist kein Selbstzweck“
> Der Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hält es für ein gutes
> Signal, mit drei Spitzenfrauen in die Landtagswahl zu ziehen.
Bild: „Verkehrsberuhigt, fahrradfreundlich, lebenswert“: Das ist Bremen
taz: Herr Kellner, sind die Grünen in Bremen auf dem absteigenden Ast?
Michael Kellner: Die Bremer Grünen sind der erfolgreichste grüne
Landesverband, …
… vor Baden-Württemberg?
Wir haben viele erfolgreiche Landesverbände, das stimmt. Aber die Bremer
Grünen prägen am längsten die Geschicke einer deutschen Großstadt und sind
am längsten Teil einer Landesregierung – die eine ziemlich grüne
Handschrift an den Tag legt. Ich erlebe sie als einen munteren Laden und
verspreche mir viel von den Bremer Grünen für die kommende Wahl.
Die Dauer der Regierungsbeteiligung und die Härten des Sanierungskurses
werden innerparteilich auch für ein Problem gehalten …
Die Grünen haben hier die Ärmel hochgekrempelt und ein Land saniert, das
von einer großen Koalition runtergewirtschaftet worden war. Es hat lange
gedauert, Bremen auf einen erfolgreichen Sanierungspfad zu bringen und
selbstverständlich hat das Kraft gekostet. Aber man sollte sich mal klar
machen, was erreicht wurde: Ich komme in meinem Job wirklich viel rum. Wenn
ich hier diese Innenstadt sehe, merke ich: Wow! Verkehrsberuhigt,
fahrradfreundlich, lebenswert: Die grüne Handschrift hat hier eine gute
Atmosphäre geschaffen. Man spürt, wie intensiv Grüne hier mitgestaltet
haben.
Spürbar ist auch, dass der Sanierungskurs die monetären Defizite in
bauliche und personelle Unterversorgung verwandelt hat: Ist das nachhaltig?
Nun muss man erst einmal sagen: Bremen hat es geschafft, nicht Milliarden
in Banken zu verbrennen, anders als viele andere Bundesländer. Das ist eine
wichtige Leistung. Fragen Sie mal in den Nordländern, oder fragen Sie in
Nordrhein-Westfalen …
Die Pleite der Bremer Landesbank war ein Glanzstück?
Die Verluste sind doch gering, angesichts des Größenwahns, den andere
angeschlagen haben. Vor allem dürfen Sie nicht vergessen: Bremen war ein
Haushaltsnotlageland. Wenn Sie eine leere Geldbörse haben, müssen Sie die
erst wieder füllen. Da kann ich nichts rausnehmen und in Immobilien,
zusätzliche Lehrkräfte, mehr soziale Gerechtigkeit und mehr Ökologie
investieren. Das geht erst jetzt, nachdem der Haushalt in Ordnung gebracht
ist. Wahr ist, dass die Länder eine zu niedrige Investitionsquote haben –
weil sie vom Bund erkennbar mehr Aufgaben aufgebürdet bekommen haben, als
Mittel dafür zur Verfügung stehen.
Wie verträgt sich die Aufbruchs-Inszenierung der Bundespartei mit einem
Landesverband, der personell und inhaltlich auf ein Weiter-so setzt?
Wir sehen auch in Bremen einen wahnsinnigen Zustrom von Mitgliedern: Der
Landesverband hat deutlich mehr Mitglieder als bei der letzten
Bürgerschaftswahl. Und dass Erneuerungsprozesse in der Partei ablaufen, hat
man auch bei der Bundestagswahl bemerkt: Mit Kirsten Kappert-Gonther hat
eine schwungvolle neue Abgeordnete Marieluise Beck abgelöst, die seit 1983
im Bundestag war und sich unglaubliche Verdienste für die Partei erworben
hat. Bei der Landtagswahl sehen wir ein besonders spannendes weibliches
Spitzentrio mit drei Spitzenfrauen.
Noch mal: Welche von denen steht jetzt für Erneuerung?
Erneuerung ist kein Selbstzweck. Zu sagen: Wir hauen erst mal alle alten
Köpfe weg, bloß weil sie alt sind, davon halte ich nichts. Es gibt aber
eine organische Erneuerung: Bremen hat mit Alexandra Werwath eine junge
neue Landesvorsitzende, und es sind gleich zwei aussichtsreiche
Listenplätze für Nachwuchskräfte reserviert. Und dass diejenigen, die in
sehr schwierigen Zeiten hier die Politik mitbestimmt haben, sagen: Jetzt
möchten wir auch in besseren Zeiten mitgestalten, das kann ich gut
verstehen.
Verstehen schon: Aber auch im Bund musste ja Cem Özdemir, zu dem Zeitpunkt
beliebtester Politiker der Republik, gehen, damit die Partei den
Neuaufbruch kommunizieren kann.
Er musste nicht gehen, sondern er wollte. Er hatte das schon lange vor der
Wahl gesagt
Das war echt seine Karriereplanung so?
Ja, er hatte das selbst sehr deutlich erklärt. Zurück zu Bremen: Wir haben
hier mit Karo Linnert eine erfahrene Politikerin, die bundesweit durch ihre
Kompetenz großen Respekt genießt und immer gut für neue Impulse ist. Ich
erlebe sie auch immer wieder in Auseinandersetzungen mit Vertretern unserer
südlichen Landesverbände im herzhaften Dialog über Finanzausgleich,
Umsatzsteuerreform und Föderalismus. Da vertritt sie sehr nachdrücklich und
sehr geschickt die Interessen von Stadtstaaten wie Bremen. Das macht sie
mit einer hohen Anerkennung und Beliebtheit bei uns. Sie ist eine tolle,
erfolgreiche Politikerin. Ich glaube, dass Bremens Grüne sehr viel von der
Mischung aus Erfahrung und neuen, jungen Grünen profitieren werden.
Welche Bedeutung hat die hiesige Regierungsbeteiligung für den Bund?
Das sind wichtige Stimmen für uns im Bundesrat. Bremen ist aus Bundessicht
darüber hinaus ein Beispiel dafür, dass rot-grüne Regierungen möglich sind,
dass Zweierbündnisse möglich sind – und die sind, ich spreche da aus
Sondierungserfahrung mit einer Viererkoalition, nicht nur einfacher zu
verhandeln, sondern auch im laufenden Regierungsgeschäft leichter zu
handeln. Bremen ist da ein Modell.
3 May 2018
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Grüne Bremen
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CDU Bremen
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