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# taz.de -- Soli-Aktion gegen Antisemitismus: 2.500 BerlinerInnen tragen Kippa
> Zur Soli-Demo vor der Jüdischen Gemeinde in Berlin kommen rund 2.500
> Menschen. Vertreter der Gemeinde mahnen, Judenhass nicht kleinzureden.
Bild: Nicht alle mit Kippa, aber solidarisch: die Kundgebung in Berlin-Charlott…
Berlin taz | Man könnte meinen, es wäre alles wie immer an diesem Mittwoch
in Berlin. Am Ku’damm strömen Touristen in Cafés, Fast-Food-Ketten und
Schuhgeschäfte, und betrachten sehnsüchtig die glitzernden Schaufenster von
Armani und Co. Teure Autos parken in zweiter Reihe, Radfahrer schlängeln
sich durch den Feierabendverkehr. Nur das große Polizeiaufgebot mit
mehreren Mannschaftswagen und BeamtInnen in kugelsicheren Westen lässt
darauf schließen, dass ein paar Meter weiter ein bisschen was anders ist im
Stadtteil Charlottenburg.
In der Fasanenstraße haben sich in der Abendsonne rund 2.500 Menschen vor
dem Haus der jüdischen Gemeinde versammelt, um unter dem Motto
#BerlinträgtKippa ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen und [1][dem
Judenhass zu widersprechen]. Erst am Dienstag vergangener Woche [2][waren
zwei Kippa tragende Männer im Ortsteil Prenzlauer Berg von einem Arabisch
sprechenden Mann brutal angegriffen worden]. Die jüdische Gemeinde hatte
daraufhin zur Kundgebung eingeladen, bei der am Mittwochabend ein Dutzend
VertreterInnen verschiedener Parteien und jüdischer Organisationen
sprechen.
Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, warnt davor, den
Judenhass in Deutschland kleinzureden. Viele Juden hätten davor Angst, sich
öffentlich zu ihrem Glauben zu bekennen. Auch der Vorsitzende der Jüdischen
Gemeinde Berlin, Gideon Joffe, warnt vor anwachsendem Antisemitismus in
Deutschland. Es sei „fünf vor Zwölf“, sagt er bei der Kundgebung. „Wir
müssen vorsichtig sein.“
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagt:
„Antisemitismus hat in unserer Stadt keinen Platz“. Der
Unions-Fraktionsvorsitzende in Bundestag, Volker Kauder, betont,
Deutschland akzeptiere den Antisemitismus nicht. „Diejenigen, die hier
leben wollen, müssen das auch wissen.“
Gleichzeitig verweisen die RednerInnen auch darauf, dass Antisemitismus
nicht erst mit Geflüchteten nach Deutschland gekommen sei. Vergangene Woche
erinnerte Bundeskanzlerin Angela Merkel daran, dass in Deutschland
bedrückenderweise kein jüdischer Kindergarten, keine Schule und keine
Synagoge ohne Polizeischutz sein könne.
## Die Demonstrierenden: Ein Querschnitt Berlins
Das mediale Interesse an der Kundgebung ist groß, immer wieder drängen sich
Kamerateams und ReporterInnen durch die wachsende Menschenmenge. Frauen in
weißen Blusen verteilen schwarze Kippas aus glänzendem Stoff an diejenigen,
die selbst keine eigene mitbringen konnten. Menschen machen Gruppenfotos,
tauschen sich aus und lachen.
Das Publikum wirkt beinahe wie ein Querschnitt durch Berlin. Und der
Querschnitt trägt Kippa: Alte und junge, Familien mit Kindern, Männer,
Frauen, Juden, Christen, Muslima mit Kopftuch und solche, die gar nicht
glauben, tragen die Kappe in allen möglichen Formen und Farben.
Es wird Englisch, Deutsch und Spanisch gesprochen, manch eine trägt
Perlenkette und Seidentuch, andere Plunderhosen und Outdoorjacke. Die
Stimmung ist entspannt – nur kurz gibt es ein wenig Aufregung, als ein
Kameramann einen Reporter beschuldigt, sich rassistisch geäußert zu haben.
Die Polizei begleitet den Beschuldigten vom Platz, doch die Situation
bleibt ruhig.
Auch das Ehepaar Schöpp ist gekommen und beobachtet vor Beginn der
Kundgebung die Menge. Der Mann ist 78 Jahre alt und trägt eine blau-weiß
gemusterte Kippa. Er ist kein Jude, doch er ist hier, sagt er, weil er
Solidarität mit der jüdischen Gemeinde ausdrücken möchte, und weil er noch
eine Zeit kenne, in der Antisemitismus schmerzhafter, alltäglicher
Begleiter in Deutschland gewesen ist.
## Nicht nur ein Hashtag
Linus ist mit einem Freund gekommen. Die beiden Studenten tragen keine
Kippa, aber sind hier, um sich zu solidarisieren. „Ich bin gekommen, weil
es mir wichtig ist, dass in Berlin jeder so rumlaufen kann, wie er will“,
sagt der 25-Jährige. Diese Freiheit sieht er nicht erst seit dem
gewalttätigen Übergriff in Prenzlauer Berg bedroht.
Und so ist eben nicht so ganz alles wie immer an diesem Mittwoch in Berlin.
Seit dem 2. Weltkrieg hätten nicht mehr so viele Menschen in Berlin
gesammelt eine Kippa getragen, freut sich Gideon Joffe, Vorsitzender der
Jüdischen Gemeinde in Berlin.
Leider verläuft eine zur gleichen Zeit angemeldete Kundgebung am Neuköllner
Hermannplatz weniger friedlich. Zwei junge Männer, die dort mit
Israelflagge und Kippa demonstrierten, sollen bereits nach 15 Minuten von
einem 50-jährigen Passanten beschimpft worden sein. Wenig später entriss
ein Mann den Demonstranten die Flagge und wurde vorübergehend von der
Polizei in Gewahrsam genommen. Nach Angaben der Berliner Morgenpost wurden
wollten die Demonstranten sich [3][gegen Antisemitismus und
Muslimfeindlichkeit] gleichermaßen aussprechen.
Der Ton und das Zeichen der Veranstaltung in Charlottenburg ist jedoch
klar: Berlin trägt heute Kippa, aber Berlin muss nicht nur heute wachsam
sein. Diese Stadt steht zusammen gegen Antisemitismus, und gegen jegliche
Form von Rassismus. Das ist ist nicht nur ein Hashtag. Das ist Haltung.
25 Apr 2018
## LINKS
[1] /Antisemitismus-in-Deutschland/!5497496
[2] /Nach-antisemitischem-Uebergriff-in-Berlin/!5497206
[3] https://www.morgenpost.de/berlin/article214119641/Passanten-stoeren-Berlin-…
## AUTOREN
Lin Hierse
## TAGS
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Berlin
Antisemitismus
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