| # taz.de -- Kommentar Groko-Sondierung: Die Anti-AfD-Regierung | |
| > Die neue Groko ist für die SPD alternativlos. Doch die pragmatische | |
| > Fortsetzung des Bekannten ist in Zeiten von Trump und Brexit schon etwas | |
| > wert. | |
| Bild: Wird das die erste Große Koalition, die eine Wahl übersteht? Und die le… | |
| Die nächste Große Koalition wird kommen. Die Möglichkeit, dass die SPD doch | |
| noch Nein sagen könnte, ist kaum mehr als ein Restrisiko. Der linke | |
| Parteiflügel ist weitenteils auf Pro-Groko-Kurs eingeschwenkt. Harte | |
| Neinsager finden sich nur noch am Rand der SPD. Beim Parteitag in Berlin | |
| ließen die Genossen, unbemerkt von der Öffentlichkeit, nur zwei Kandidaten | |
| bei der Wahl zum Vorstand durchfallen – Hilde Mattheis und den Afa-Chef | |
| Klaus Barthel. So viel zum Einfluss der entschiedenen Linken in der Partei. | |
| Vor allem aber fehlt dem Widerstand das einleuchtende Ziel, die machbare | |
| Alternative. Die Forderung nach einer Unions-Minderheitsregierung ist nicht | |
| nur unrealistisch, weil Merkel dies nicht machen würde. Sie würde auch die | |
| AfD im Parlament enorm aufwerten. So erfreulich eine Minderheitsregierung | |
| als Vitaminspritze für den verkrusteten, in Machtritualen erstarrten | |
| Parlamentarismus an sich ist – in diesem Bundestag wäre sie ein | |
| Aufputschmittel für die AfD, mit deren Stimmen Gesetze gemacht würden. | |
| Sozial-ökologische Zweckbündnisse haben indes im Bundestag derzeit schlicht | |
| keine Mehrheit. | |
| „Nein“ zur Groko hieße daher – „Ja“ zu Neuwahlen. In Neuwahlen aber … | |
| die SPD mit einem demolierten Kandidaten gehen, ohne zündendes Programm, | |
| ohne jede Aussicht, regieren zu können. Deshalb werden die SPD-Delegierten | |
| und am Ende auch die Genossen sich zähneknirschend in das Unvermeidliche | |
| fügen – ein Manöver, in dem die Sozialdemokratie seit hundert Jahren | |
| gewisse Übung hat. Dass diese missliche Lage das Resultat eines wahren | |
| Hagels politischer Fehler ist, eines zaghaften Wahlkampfs, eines | |
| irrlichternden Kandidaten, der hasenfüßigen Absage an Rot-Rot-Grün, hilft | |
| momentan auch nicht weiter. | |
| Die Große Koalition ist so gesehen für die SPD – man zögert es zu sagen – | |
| alternativlos. Es sein denn, man zieht den chaotischen Zusammenbruch, den | |
| Rücktritt des Parteiestablishments, ohne dass brauchbarer Ersatz in Sicht | |
| wäre, vor. | |
| ## Hartherzig gegenüber Flüchtlingen | |
| Der Regierung von Union und SPD fehlt es, so die naheliegende Einschätzung, | |
| an Ziel und Profil. Das ist halb wahr. Diese Groko hat, trotz aller klein | |
| geraspelten Kompromisse und der bedrückenden Ehrgeizlosigkeit beim | |
| Ökologischen, sehr wohl eine Richtung: Sie wird eine Anti-AfD-Regierung. | |
| Beim Sozialen hat sich, so weit es ging, die SPD durchgesetzt. Diese | |
| Regierung legt ein, wenn auch nur kleinformatiges, Stützungsprogramm für | |
| die Mittelschicht auf, die mehr Kindergeld bekommt, etwas weniger an die | |
| Krankenkassen und etwas weniger Steuern zahlen wird (und irgendwann | |
| bezahlbare Wohnungen bekommt). | |
| Das soll die Gemüter beruhigen und Abstiegsängste mildern, von denen die | |
| Rechtspopulisten profitieren. Kein Wunder, dass manche arbeitgebernahe | |
| Medien, die von großen Steuersenkungen wie in den USA träumen, da | |
| Schnappatmung bekommen.Die zweite Zutat in dem Anti-AfD-Rezept ist | |
| bitterer: Die Merkel-Schulz Regierung setzt bei Flüchtlingen auf | |
| hartherzige Abschreckung, auf Abschiebezentren, Familienzusammenführung nur | |
| im Ausnahmefall. Das ist nicht nur moralisch übel, es fehlt auch der nötige | |
| Schwung zur Integration der Flüchtlinge. So schafft man langfristig gerade | |
| jene Problemzonen, mit denen die Rechtspopulisten Stimmungspolitik machen. | |
| Mehr Geld für Integration von Flüchtlingen ist drängendes Ziel für die | |
| Koalitionsverhandlungen. | |
| Kurzum: Diese Regierung wird der alten mehr als ähnlich sehen. Die Ansage | |
| der SPD, dass man, um nicht schon wieder als Juniorpartner unterzugehen, | |
| nun andere Saiten aufziehen und auch mal Anti-Merkel-Opposition in der | |
| Regierung geben werde, ist nur rhetorische Schaumschlägerei. Die Wahrheit | |
| ist: Die SPD hat keine Ahnung, wie sie verhindern kann, trotz ordentlicher | |
| Regierungsbilanz, immer wieder bei Wahlen krachend zu verlieren. | |
| Erfreulich wäre es, wenn die SPD aufhören würde, die Intelligenz des | |
| Publikums zu beleidigen, indem sie behauptet, es gäbe mit ihr kein „weiter | |
| so“. Doch, genau das wird diese Regierung sein: die pragmatische | |
| Fortsetzung des Bekannten. Das ist außenpolitisch in Zeiten von Trumps | |
| irrsinnigen Egotrips, der schwankenden EU und des fortwährenden Krieges im | |
| Nahen Osten an sich schon etwas wert. | |
| ## Anfang vom Ende des Parteiensystems? | |
| Die nächste Groko verspricht Beruhigung und unaufgeregte Stabilität. Doch | |
| gerade diese Kontinuität bedeutet auch eine tiefe Zäsur für das deutsche | |
| Parteiensystem. Die Merkel/Schulz Regierung wäre ein Bruch – die erste | |
| große Koalition, die seit 1949 fortgesetzt wird. Und wohl auch die letzte, | |
| die man noch so nennen könnte. Denn wenn das Bündnis von Union und SPD von | |
| der Ausnahme zu Regel wird, ist das der Anfang vom Ende des | |
| Parteiensystems. Und das ist, angesichts der Affektlage, die die | |
| Rechtspopulisten derzeit so effektiv bewirtschaften, keine gute Aussicht. | |
| In das trübe Bild passt, dass Sahra Wagenknecht offenbar ernsthaft mit der | |
| Idee spielt, mit einer sarkastischerweise „Sammlungsbewegung“ getauften | |
| Operation, die Linkspartei zu spalten. Denn das wird kein kraftvoller | |
| Aufbruch, kein erlösender Akt, der den Ausweg aus dem untergehenden | |
| Parteiensystem weist. Sondern nur ein weiterer Schritt in der langen | |
| Geschichte der Selbstzerstörung der deutschen Linken. | |
| 13 Jan 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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