# taz.de -- Nach den Sondierungen: Warum die Groko scheitern könnte | |
> Nächsten Sonntag wird die SPD entscheiden, ob Koalitionsverhandlungen mit | |
> der Union aufgenommen werden sollen. Vier Gründe, es zu lassen. | |
Bild: Eine neue Groko ist an der SPD-Basis in etwa so beliebt wie eine Zahnwurz… | |
1. Martin Schulz: Der SPD-Vorsitzende wird Anfang der Woche persönlich bei | |
nordrhein-westfälischen Delegierten um ein Ja zu Koalitionsverhandlungen | |
werben. Der Landesverband stellt fast ein Viertel der Delegierten des | |
anstehenden Parteitags. Für Schulz geht es um viel. Scheitert die Operation | |
Groko, ist seine Karriere beendet, soll er Angela Merkel und Horst Seehofer | |
gesagt haben. | |
Schulz’ Autorität in der Partei ist beschädigt. Sein Nein zur Groko nach | |
der Wahl musste er revidieren, vom Wahlkampfversprechen, auf keinen Fall | |
Merkels Minister zu werden, rudert er inzwischen zurück. Schulz, so sehen | |
es einige Spitzengenossen, führt nicht – und wenn, dann nicht klug. Er | |
setzt auf Salamitaktik, um der Basis die Groko schmackhaft zu machen, hielt | |
sich lange mit Groko-Sympathiebekundungen zurück und zog lieber die Idee | |
einer Minderheitsregierung hoch, die in den Sondierungen anstandslos | |
beerdigt wurde. | |
Im Moment pochen wichtige Sozialdemokraten auf Nachverhandlungen. Vize Ralf | |
Stegner macht etwa ein Verbot der sachgrundlosen Job-Befristung zur | |
Bedingung für eine Koalition. Davon steht nichts im Sondierungskompromiss. | |
Die Hessen-SPD will bis Mittwoch Nachbesserungen benennen. Landeschef | |
Thorsten Schäfer-Gümbel sagte, dass „an zentralen Punkten“ Korrekturen | |
nötig seinen. | |
So will sich die SPD-Spitze Spielräume für Koalitionsverhandlungen öffnen – | |
und ihrer Basis signalisieren, dass noch nicht das Ende der Fahnenstange | |
erreicht ist. Das Management um Schulz herum funktioniert also. Doch Fehler | |
des Chefs sind nicht ausgeschlossen. Talent zum Stolpern hat Schulz | |
bewiesen. | |
2. Kevin Kühnert: 28, ist zu Schulz’ informellem Gegenspieler geworden. Der | |
rhetorisch begabte Juso-Vorsitzende ist das Gesicht der No-Groko-Bewegung. | |
Auch Kühnert wird wie Schulz in den nächsten Tagen durch Deutschland | |
reisen, um bei der SPD-Basis für seine Position zu werben. | |
Die Jusos wiederholen die Argumente, die auch die SPD-Spitze nach dem | |
Wahldebakel gegen die Groko brachte. Man dürfe der AfD nicht die | |
Oppositionsführerschaft überlassen, die Groko sei wegen der Stimmenverluste | |
von SPD und Union klar abgewählt worden, die SPD könne sich nur in der | |
Opposition glaubwürdig erneuern. Kühnert hebt beim Sondierungsergebnis die | |
Schwachstellen hervor. Er moniert, dass der Spitzensteuersatz nicht erhöht | |
werden soll, dass es eine Obergrenze für Flüchtlinge gebe und die Regelung | |
für den Familiennachzug enttäuschend sei. | |
Früher waren Juso-Proteste linke, aber folgenlose Folklore, doch dieses Mal | |
hat die Revolte mehr Wucht. Die Jusos nutzen die sozialen Netzwerke | |
professionell, Kühnert beherrscht das Spiel mit den Medien und arbeitet wie | |
besessen. | |
Außerdem hat er wenige Skrupel. Die Debatte über Inhalte auf dem Parteitag | |
dürfe nicht überlagert werden „von Rücktrittsdrohungen oder -szenarien“, | |
fordert er. Heißt übersetzt: Falls Schulz im Falle eines Groko-Scheiterns | |
zurücktreten müsste, wäre das nicht weiter schlimm. | |
3. Die SPD-Basis: Eine neue Groko ist an der SPD-Basis in etwa so beliebt | |
wie eine Zahnwurzelbehandlung. Der Landesverband Sachsen-Anhalt hat sich am | |
Samstag knapp gegen eine Groko ausgesprochen. Einen offiziellen Beschluss | |
gibt es auch schon in Thüringen. Sachsen-Anhalt schickt nur sieben | |
Delegierte zum SPD-Parteitag, Thüringen auch sieben. Das Nein solcher | |
Miniverbände fällt bei 600 Delegierten nicht ins Gewicht, aber ein | |
Warnsignal ist es trotzdem. | |
Entscheidend ist, wie sich die Lage in Nordrhein-Westfalen sortiert. NRW | |
stellt 144 Delegierte. Landeschef Michael Groschek, lange ein | |
Groko-Skeptiker, stimmte im Sondierungsteam und im Vorstand mit Ja. „Besser | |
gut regieren als nicht regieren“, begründete er seinen Schwenk – eine | |
Anspielung auf Christian Lindners Zitat nach dem Jamaika-Abbruch. Groschek | |
hat während der Sondierungen die Themen Kommunen, Wohnungsbau und Mieten | |
mitverhandelt. Das war ein kluger Schachzug der SPD-Spitze, auf diese | |
Themen wird in NRW besonders geschaut – und die Erfolge können sich sehen | |
lassen. | |
Für die Fortsetzung kommunaler Programme sind bis 2021 8 Milliarden Euro | |
eingeplant, mehr Geld für sozialen Wohnungsbau und ein Arbeitsmarktprogramm | |
für 150.000 Langzeitarbeitslose. Davon, so Groscheks Argument, würden | |
Städte in Nordrhein-Westfalen deutlich profitieren. Argumente, die gut | |
ankommen. | |
In den SPD-Gremien gab es weniger Widerstand als erwartet. Das | |
Sondierungsteam nahm das Ergebnispapier mit einer Enthaltung an. Auch im | |
Vorstand gab es eine große Mehrheit – nur 6 von 40 anwesenden Mitgliedern | |
stimmten gegen formelle Koalitionsverhandlungen mit der Union. Entscheidend | |
für die nun folgende Debatte ist auch das Ja der Ministerpräsidentinnen | |
Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz) und Manuela Schwesig | |
(Mecklenburg-Vorpommern). Beide galten als Skeptikerinnen und hatten für | |
eine Minderheitsregierung geworben. Bisher läuft es gut für Martin Schulz. | |
4. Merkels Gegner in der Union: Nicht nur bei der SPD gibt es Kräfte, die | |
die Groko gern scheitern sähen. Die Sozialdemokraten erboste während der | |
Sondierungen, dass aus der Union Ergebnisse durchgestochen wurden, obwohl | |
man sich Stillschweigen versprochen hatte. CSU-Landesgruppenchef Alexander | |
Dobrindt und CDU-Mann Jens Spahn spielten erkennbar ein eigenes Spiel, | |
heißt es in SPD-Kreisen. „Die haben wirklich vor, Merkel zu killen.“ | |
Spahn hatte vor den Sondierungen mehrmals betont, dass auch eine | |
Minderheitsregierung möglich sei. Das waren Seitenhiebe gegen die | |
Kanzlerin, die diese Option auf keinen Fall will. Wenn nun die | |
Groko-Verhandlungen mit der SPD scheiterten, würde dies auch die Kanzlerin | |
treffen – mit ungewissem Ausgang. Falls die jungen, ehrgeizigen | |
Konservativen ein solches Kalkül hätten, gäbe es Anlässe zuhauf. Vielleicht | |
doch noch eine Steuersenkung für Spitzenverdiener fordern? Die nervöse | |
SPD-Basis würde sensibel auf jede Provokation reagieren. | |
14 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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