# taz.de -- Debatte Sondierung abgeschlossen: Der Elefant im Raum | |
> Die Grokoverhandler wirken wie Beamte, die allen Deutschen etwas Gutes | |
> tun wollen. Nur den Klimaschutz übersehen sie geflissentlich. | |
Bild: Statt harte Ziele zu verabreden, verschieben die Parteien den Elefanten i… | |
Die englische Sprache kennt die hübsche Metapher vom „elephant in the | |
room“, wenn ein riesiges Problem im Raum steht, das alle Beteiligten | |
geflissentlich übersehen. Ob die SPD-Basis die neue Große Koalition | |
durchwinkt, ist noch nicht sicher. Aber schon jetzt ist klar, welchen | |
Elefanten im Raum das Bündnis in spe ignoriert: Was die Groko zum Kampf | |
gegen den Klimawandel, zu einer der wichtigsten Fragen des 21. Jahrhunderts | |
zu sagen hat, ist bestürzend dürftig. | |
Zwar bekennen sich die Verhandler neuerdings offiziell zu den Zielen des | |
Pariser Klimaschutzabkommens. Doch entschiedene Schritte, um etwa die | |
heikle Wegmarke für 2020 doch noch zu erreichen, fehlen. Stattdessen reihen | |
CDU, CSU und SPD peinliche Widersprüche aneinander. Sie wollen keine | |
Fahrverbote, aber reine Luft. Sie wollen das Klima retten, aber am | |
Verbrennungsmotor festhalten. Statt harte Ziele zum Braunkohle-Ausstieg zu | |
verabreden, verschieben die kohleverliebten Parteien den Elefanten in eine | |
Kommission. Die Groko setzt also ihre Ignoranz gegenüber der Klimakrise | |
ohne große Brüche fort. | |
Diese intellektuelle Verweigerung ist bemerkenswert. Schließlich | |
dokumentieren Studien längst, wie der Klimawandel auch das Leben der | |
Deutschen beeinträchtigen wird: Starkregen, Hochwasser und Überflutungen | |
werden hierzulande stark zunehmen, warnte neulich das Potsdamer Institut | |
für Klimafolgenforschung. Eine Regierung, die die Klimakrise nicht | |
ernsthaft attackiert, handelt deshalb verantwortungslos und sehr konkret | |
gegen das Interesse der Bevölkerung. Dass Kanzlerin Merkel ein Versprechen | |
bräche, nämlich das, die Klimaziele für 2020 einzuhalten, wird da fast zur | |
Nebensache. Es wäre ja nicht das erste Mal. | |
Wenn man die ökologische Blindheit beiseite lässt, lässt sich aus dem | |
sozialdemokratisch eingefärbten [1][Sondierungspapier ein Deal | |
herauslesen]: Die neue Regierung gibt viele Milliarden Euro aus, die vor | |
allem der Mittelschicht zugutekommen. Und sie schottet Deutschland noch | |
stärker gegen Flüchtlinge ab. Es gibt mehr Geld für die Pflege, für | |
sozialen Wohnungsbau und für Familien. Dass Arbeitgeber wieder die Hälfte | |
der Krankenkassenbeiträge übernehmen müssen, ist sinnvoll – und ein Erfolg | |
der SPD. Allerdings fehlt den Sozialdemokraten ein Thema, das funkelt. Sie | |
haben viel erreicht, doch womit überzeugt Martin Schulz seine skeptische | |
Basis? | |
## Ein bisschen besser, aber kein Aufbruch | |
Bei der Abschaffung des Soli hat die SPD das Schlimmste verhindert, Reiche | |
gehen erst mal leer aus. Auch das nötige Rückkehrrecht in Vollzeit oder die | |
Grundrente für Niedrigverdiener, die lange gearbeitet haben, kann sich die | |
SPD aufs Konto buchen. Allein: Beide sind nicht abgearbeitete Überbleibsel | |
aus der letzten Groko. Und ja, die Abschaffung des leidigen | |
Kooperationsverbotes in der Bildung wäre eine kleine Revolution. Doch hier | |
droht noch ein langwieriges Gezerre mit den Ministerpräsidenten, die Macht | |
abgeben müssten. Außerdem bleibt offen, wie viel Geld vom Bund wirklich in | |
die Schulen flösse. | |
Das Sondierungspapier wirkt, als hätten es redliche Beamte getippt, die | |
Normalverdienern etwas Gutes tun wollen. Vieles würde in Deutschland ein | |
bisschen besser, einen echten Aufbruch gäbe es nicht. An wichtige | |
Großreformen, etwa eine Bürgerversicherung, traut sich diese Koalition | |
nicht heran. Und noch etwas ist offensichtlich: Die Groko-Beamten werden | |
kalt und geizig, wenn Flüchtlinge vor ihrem Schreibtisch stehen. Verglichen | |
mit dem Maß an Abschottung, das die Groko will, wirkte Jamaika empathisch | |
und weltoffen. Nicht nur, dass die CSU ihre Obergrenze diktieren darf. Auch | |
beim Familiennachzug für Kriegsflüchtlinge offenbaren die Verhandler eine | |
fürchterliche Engherzigkeit – das große Anliegen der SPD-Linken wurde | |
pulverisiert. | |
Das Rezept der Verhandler gegen Rechtspopulisten lautet: Allen Deutschen | |
soll es ein bisschen besser gehen. Aber bitte schön nur ihnen. | |
Hilfsbereitschaft, gar Mut darf man von diesem Bündnis nicht erwarten. | |
13 Jan 2018 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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