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# taz.de -- Medien im Jahr 2018: Da kommt was auf uns zu
> 2018 wird ein wichtiges Jahr für viele Medien. Diese vier Fragen werden
> Verlage und Sender in diesem Jahr beschäftigen.
Bild: Pommes zum Beispiel: ein guter Snack. Kann Journalismus auch snackable we…
## 1. Wie durchsticht man die eigene Blase?
Martin Schulz war ein Opfer der Medien, sagen die einen. Er habe es nicht
verstanden, die Medien richtig zu bedienen, sagen die anderen. Fakt ist,
der Schulz-Hype, der Anfang 2017 durch viele Blätter wehte, war
mediengemacht. Nachdem Sigmar Gabriel Ende Januar Martin Schulz als
Nachfolger und als SPD-Kanzlerkandidat vorschlug, jubelte es von den
Titelseiten: „Merkels gefährlichster Gegner“ (Focus), „Aufschlag SPD“ …
Zeit), „Sankt Martin“ (Spiegel, der Schulz vor einem Heiligenschein
zeigte). Den Jubeltexten folgten von Medien beauftragte Umfragen, in denen
die Schulz-Werte stiegen und stiegen. [1][Medienecho-Demoskopie nennen das
die Statistiker].
Als die Bundestagswahl vorbei war, führte der journalistische Herdentrieb
die politischen Berichterstatter nach Berlin-Mitte.
„[2][Lungerjournalismus]“ beschrieb Medienkritiker Stefan Niggemeier das,
was während der Sondierungen zu beobachten war: Hauptstadtjournalisten im
Dauereinsatz, Berichte über die Handtasche von Claudia Roth und die Hemden
von Wolfgang Kubicki und ein Festspiel der Karibik-Metaphern.
Kaum waren die Gespräche gescheitert, beeilten sich die Leitartikler,
unbeirrt von dem, was sie noch bis gestern als gültig erklärt hatten, zu
schreiben, warum die SPD nun dringend wieder in eine GroKo einsteigen
müsse.
Und was haben wir jetzt? Weder Jamaika noch GroKo, noch einen Sankt Martin.
Die Lehren aus dem Brexit und dem Wahlsieg Trumps waren ja eigentlich:
Wieder raus zu den (normalen) Leuten. Es gab in diesem Jahr zaghafte
Projekte, die das versuchten, aber keines schaffte es so in den Fokus wie
die teils hysterischen Jamaika-Beobachtungen.
## 2. Wie wird Journalismus snackable?
Das Internet ist übervoll. So viel Journalismus, so viel Unterhaltung, so
viel Quatsch. Das Publikum ist erschlagen. Damit LeserInnen die guten
Inhalte leichter finden, haben Medienhäuser angefangen, ihren Journalismus
besser zu verpacken. Snackable, könnte man auch sagen. Spiegel Online
startete Spiegel Daily, eine digitale Abendzeitung, die den Leser in den
Feierabend begleiten soll. Läuft nicht, hört man aus Hamburg. Zeit Online,
die Süddeutsche, der Spiegel und die FAZ haben außerdem [3][angefangen zu
podcasten].
Die Frage für 2018 lautet: Welchen Formaten schenken die Leser ihre
(wenige) Zeit? Und (wie) kriegt man sie dazu, dafür zu bezahlen?
## 3. Wie weiter mit den Öffentlich-Rechtlichen?
2018 wird ein wichtiges Jahr für die Öffentlich-Rechtlichen, nicht nur in
Deutschland. Am 4. März stimmen die Schweizer über die Rundfunkgebühren ab.
451 Franken zahlen sie momentan pro Jahr für ihre vier Programme in den
Landessprachen. Das sind knapp 400 Euro, in Deutschland zahlt ein Haushalt
210 Euro. Die Schweiz hat damit den teuersten öffentlich-rechtlichen
Rundfunk der Welt. Weil das Unternehmen, das die Gebühr einzieht, Billag
heißt, nennt sich die Initiative, die die „Zwangsgebühr“ abschaffen möch…
„No Billag“.
In ihr sind unter anderem die Rechtspopulisten der Schweizerischen
Volkspartei engagiert – und das mit Erfolg: Laut einer aktuellen Umfrage
ist gut die Hälfte der Schweizer momentan für die Abschaffung. Kaum eine
andere Mediendebatte der letzten Jahre lief so schrill wie die um den
Billag. Der Präsident der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft
(SRG) warnt, dass er 6.000 Mitarbeiter*innen entlassen und die
französischen, italienischen und romanischen Programme einstellen müsste,
wenn die Gebühr wegfiele, Kulturverbände fürchten ihr Ende.
Auch im Nachbarland Österreich steht der öffentlich-rechtliche ORF unter
Druck. Die neue rechtspopulistische Koalition aus ÖVP und FPÖ hat nach der
Nationalratswahl eine satte Mehrheit im Aufsichtsgremium des Senders.
Hans-Christian Strache, Ex-Burschenschaftler und jetzt Vizekanzler, hat
bereits angedeutet, was die Regierenden vorhaben: [4][„Optimierungen“ an
der Objektivität] wolle man vornehmen. Das Programm solle vermehrt für eine
„nachhaltige Identitätssicherung“ sorgen, in dem die „Leistungen
österreichischer Künstler, Sportler und Produzenten“ stärker verankert
würden.
Im Gegensatz dazu herrscht bei den deutschen Öffentlich-Rechtlichen ja fast
eitel Sonnenschein. Druck kam in der letzten Zeit allerdings von Seiten der
Zeitungsverleger. Deren Verbandspräsident Mathias Döpfner wirft der ARD
vor, mit ihren Webseiten „öffentlich-rechtliche Gratispresse“ zu betreiben.
[5][Der WDR ist vorgeprescht] und hat seine Onlinetexte radikal gekürzt.
Aus den meisten anderen Anstalten heißt es, man werde dem WDR-Modell nicht
folgen. Einen Kompromiss mit den Verlegern wolle man aber erreichen. Wie
der aussehen könnte, interessiert auch die Ministerpräsidenten.
Im Februar beraten sie über den Telemedienauftrag, also die Frage, was die
Öffentlich-Rechtlichen im Netz dürfen und was nicht. Die
rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die der
Rundfunkkommission der Länder vorsitzt, will unter anderem die
Siebentageregel kippen. Die verpflichtet die Sender, die meisten Filme
nicht länger als sieben Tage in ihren Mediatheken stehen zu lassen.
Allerdings dürften die meisten Inhalte selbst ohne die Siebentageregel
nicht unbegrenzt online sein. Deren Verweildauer ist auch eine Frage der
Rechte und damit teuer.
Und beim Geld wird es für ARD, ZDF und Deutschlandradio bekanntlich eng. Im
vergangenen Herbst haben sie ihre Reform- und Einsparpläne vorgelegt, ob
die ausreichen, ist unklar. Bis 2020 ist der Rundfunkbeitrag auf 17,50 Euro
pro Haushalt im Monat festgelegt. Wie es danach weitergeht, wird die
Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) 2019 in ihrem nächsten
Bericht darstellen. Der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich
Willhelm, der am 1. Januar den Vorsitz der ARD übernommen hat, sagt, wenn
die Rundfunkgebühr nicht wenigstens an die Inflation angepasst würde, müsse
am Programm gespart werden.
Die MinisterpräsidentInnen sind sich uneinig, ob sie einer Erhöhung
zustimmen würden. Der Einzug der AfD in diverse Landtage hat PolitikerInnen
in die Länderparlamente gebracht, die die Öffentlich-Rechtlichen am
liebsten ganz abschaffen würden. Das scheint auch in die anderen Parteien
hineinzuwirken: Im Oktober 2017 hatte der sachsen-anhaltinische
Medienminister, Rainer Robra (CDU) gefordert, die nationale
Berichterstattung solle künftig allein beim ZDF liegen, die ARD sich auf
regionales Programm beschränken. Der bayerische Noch-Ministerpräsident,
Horst Seehofer (CSU), fordert, ARD und ZDF zusammenzulegen. Beides sind
Vorschläge, die Populismus bleiben dürften. Spannend wird aber, wie sehr
sich die starke AfD in den ostdeutschen Landtagen durchsetzt, wenn es um
den Rundfunkbeitrag geht.
## 4. Werden Redaktionen endlich bunter und weiblicher?
Als das Reporterforum im November die Nominierten für den Reporterpreis
2017 bekannt gab, ging ein erstes Raunen durch die Branche: Wo sind denn da
die Frauen? Dann verlieh das Handelsblatt den Georg-Holzbrinck-Preis für
Wirtschaftspublizistik, und auf der Bühne standen: null Frauen. Der
Reporterpreis wurde verliehen und auf der Bühne standen [6][4 Frauen und 30
Männer.]
Und während auf diesen Abenden, wie als seien wir in den 50ern stecken
geblieben, die Frauen gezählt wurden, gab sich die Branche an anderen
Stellen erstaunlich progressiv: Verlage und Anstalten (ARD, ZDF, Springer
und auch die taz) diskutieren über Diversity und schulen ihre
MitarbeiterInnen. Denn es fehlen nicht nur die weiblichen Führungskräfte in
den Medien, sondern auch die Schwarzen, die Ostdeutschen, die
Arbeiterkinder, die Behinderten und so weiter. Warum es die braucht? Siehe
Punkt 1.
7 Jan 2018
## LINKS
[1] http://www.salonkolumnisten.com/demoskopenkommentar-als-medienecho-auf-medi…
[2] https://uebermedien.de/22895/die-verachtung-der-journalisten-fuer-die-jamai…
[3] /Neue-Podcast-Formate/!5459873/
[4] /!5468420/
[5] /Laengenbegrenzung-fuer-Onlinetexte/!5470779/
[6] /Geschlechterverhaeltnis-im-Journalismus/!5465288/
## AUTOREN
Anne Fromm
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