# taz.de -- Verbandsvorsitzender über TV im Netz: „Es kommt was auf uns zu“ | |
> Am Donnerstag wird darüber beraten, was ARD und ZDF im Netz dürfen. Die | |
> Privatsender brauchen Schutzräume, sagt Hans Demmel. | |
Bild: Wenn die Öffentlich-Rechtlichen auf dem Beschaffungsmarkt auftreten, tre… | |
taz: Herr Demmel, Sie sagen, die Privatsender brauchen gerade im Netz – | |
Stichwort „Mediatheken“ – Schutzräume vor den öffentlich-rechtlichen | |
Angeboten. Warum wäre es ein Problem für Ihre Sender, wenn die | |
Öffentlich-Rechtlichen jetzt auch Lizenzware – die „Sherlocks“, die | |
BBC-Dokumentationen – ins Netz stellen dürften? | |
Hans Demmel: Wenn man bei Lizenzware über Fiction redet, dann ist zum einen | |
ganz klar, dass es die Attraktivität unserer Konkurrenz in dem Fall erhöht. | |
Zum Zweiten: Die Erfahrung vieler Jahre zeigt, dass, wenn die | |
Öffentlich-Rechtlichen auf den Beschaffungsmarkt auftreten, es garantiert | |
die Preise nicht nach unten, sondern nach oben treibt. | |
Schätzen Sie die Bedrohungslage so groß ein, dass Sender wie N24 Doku, aber | |
auch Kabeleins Doku dann keine Chance mehr hätten? | |
Das würde deren Geschäftsmodell massiv erschweren. Wir sehen gerade in | |
diesem Doku-Bereich, dass er sehr häufig von jungen Männern – Zielgruppe 14 | |
bis 29 – genutzt wird. Das ist auch eine Gruppe von Menschen, die mit all | |
diesen neuen Formen wie Mediatheken sehr viel lockerer umgehen. Und wenn | |
Sie sich heute vorstellen, Sie haben eine Mediathek mit 300 bis 500 | |
europäischen Dokus – diesen großartigen BBC-Dokus zum Beispiel –, dann | |
entsteht ein öffentlich-rechtlicher kostenfreier oder vermeintlich | |
kostenfreier Player auf dem Markt. Und da kann es in der Tat so weit gehen, | |
dass kleine Sender ernsthaft bedroht sind. Es ist ja kein Geheimnis, dass | |
private Veranstalter des Nachrichtenfernsehens lange wirklich | |
wirtschaftlich sehr stark unter Druck standen. Da sind wir jetzt ein paar | |
Schritte weiter, aber das große Geschäft ist es garantiert nicht, wird es | |
auch garantiert nicht werden. Und wir werden die Attraktivität dieser | |
Doku-Programme einfach brauchen, um die Nachrichten-Abschnitte, die wir | |
haben, im Programm zu refinanzieren. | |
Den öffentlich-rechtlichen Sendern soll – so der Plan der Länder – auch | |
gestattet sein, exklusiv für Facebook, YouTube, Instagram usw. zu | |
produzieren. Welche Sorgen haben Sie da? | |
Wir sehen, dass Werbegelder immer mehr in Intermediäre – im Wesentlichen zu | |
Facebook und YouTube – abfließen. Das ist Geld, das nicht nur dem deutschen | |
Privatfernsehen verloren geht, sondern auch der deutschen | |
Produktionswirtschaft. Und es ist aus unserer Sicht überhaupt nicht | |
einsehbar, warum es einen Auftrag geben muss, der dann dazu führt, in einer | |
Welt, in der die Vielfalt ja ohnehin immens ist, im Guten wie im | |
Schlechten, das einfach zusätzlich noch einmal zu stärken. Der Wunsch | |
scheint in der Tat zu sein, unsere US-Konkurrenz mit Material voll zu | |
pumpen. Und dieses Geld fließt in die Staaten. | |
Sie haben Angst vor einer öffentlich-rechtlichen Content-Flut auf Facebook? | |
Ja, ganz eindeutig. | |
Mathias Döpfner hat es geschafft, dass die ganze Zeit über | |
Presseähnlichkeit gesprochen wird. Über die Interessen der Privatsender | |
redet die Öffentlichkeit relativ wenig. Müssen Sie aggressiver vorgehen? | |
Ach, darüber denkt man in der Tat immer mal wieder nach. Was wir nicht | |
verstehen, ist, wie groß die Krokodilstränen sind, die geweint werden, wenn | |
es um die Zukunft der Verleger und die Zukunft der Tageszeitungen geht. Das | |
wird anscheinend auch in der Politik oder bei aktiven Politikern, die noch | |
viel stärker mit der Tagespresse, auch mit ihrer lokalen verbunden sind, | |
sehr stark gesehen. Privates Fernsehen und privater Rundfunk sind ein | |
funktionierendes Geschäftsmodell. Wir müssen aber in einer Welt, die sich | |
massiv verändert, einfach mal nach vorne denken und sagen, der | |
wirtschaftliche Erfolg von heute ist nicht zwingend der wirtschaftliche | |
Erfolg von in zehn Jahren. | |
Teilen Sie den Eindruck, dass Ihre Forderungen letztlich verhallen? | |
Nein. Wir schätzen jetzt vielleicht nicht so sehr die ganze laute Bühne mit | |
Nordkorea-Vergleichen und Stichworten wie „Staatsfunk“. Dafür gibt es | |
genügend Indizien, aber aus meiner Sicht keine ausreichenden Belege. Wir | |
stellen in vielen Gesprächen, auch mit vielen Chefs der Staatskanzleien, | |
schon fest, dass man uns genauer zuhört. Dort gibt es natürlich schon auch | |
ein bisschen eine Angst um den Fortbestand oder um die Akzeptanz des | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das heißt also, dort, wo Entscheidungen | |
fallen, werden wir immer, immer mehr und immer besser gehört. Und wenn wir | |
vorwärtskommen wollen, ist natürlich die Diskussion mit | |
Entscheidungsträgern genauso wichtig wie die Diskussion in der | |
Öffentlichkeit. | |
Hat sich der Stellenwert der Medienpolitik verändert? Gibt es noch | |
handfeste, überzeugte Medienpolitiker? | |
Ach ja, doch – ohne jeden Zweifel. Wir haben jetzt mit [1][Marc Jan Eumann] | |
jemanden verloren in der Medienpolitik. Aber ich stelle gerade bei dem | |
einen oder anderen jüngeren Chef der Staatskanzlei fest: Hier gibt’s großes | |
Interesse. Vor allem den Jüngeren ist klar, dass die Verhältnisse, wie sie | |
jetzt sind, nicht sehr lange tragfähig sind. Man muss nicht unbedingt immer | |
dieses Beispiel der Schweiz, wo in den wenigen Wochen ja die | |
Volksabstimmung stattfindet, als Menetekel an die Wand werfen. Aber jeder | |
Politiker, der ein Gespür hat für Publikumsstimmungen, merkt: Hier kommt | |
was auf uns zu. | |
31 Jan 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Archiv-Suche/!5467726 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
## TAGS | |
öffentlich-rechtliches Fernsehen | |
ZDF | |
ARD | |
Privatfernsehen | |
Telemediengesetz | |
öffentlich-rechtliches Fernsehen | |
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk | |
ARD | |
Das Erste | |
ARD | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Streit um Presseähnlichkeit: Die große Einigung | |
Verleger und öffentlich-rechtliche Sender beenden den jahrelangen Streit | |
über Angebote im Netz – und gründen eine Schlichtungsstelle. | |
Budget von ARD, ZDF und DRadio: Der Til-Schweiger-Effekt | |
Nach vielen Leaks und Gerüchten in den letzten Monaten ist er da: Der | |
KEF-Bericht zum Finanzbedarf der Öffentlich-Rechtlichen. | |
Medien im Jahr 2018: Da kommt was auf uns zu | |
2018 wird ein wichtiges Jahr für viele Medien. Diese vier Fragen werden | |
Verlage und Sender in diesem Jahr beschäftigen. | |
ARD und ZDF auf Youtube, Facebook & Co.: Wer zahlt wieviel für welche Inhalte? | |
Verlage wollen den Öffentlich-Rechtlichen ausführliche Texte im Netz | |
verbieten. Privatsender sähen sie gern aus Facebook & Co. gedrängt. | |
Neuer Vorsitzender der ARD: Ulrich Wilhelm braucht sein Lächeln | |
Zum 1. Januar übernimmt der Intendant des Bayerischen Rundfunks den Vorsitz | |
der ARD. Selten stand der Senderverband so unter Druck. |