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# taz.de -- Geschlechterverhältnis im Journalismus: Das ewige Immerhin
> Beim diesjährigen Deutschen Reporterpreis war vor allem eines Thema: Wo
> sind die Frauen? Die Männer hatten ein paar Theorien.
Bild: Und wieder kamen fast nur Männer rein. Das Berliner Kanzleramtstipi, Ort…
Vielleicht muss man dem gesellschaftlichen Wandel die Zeit geben, die er
braucht. Heißt es immer wieder, wenn es um Gleichberechtigung geht.
Vielleicht dauert es aber auch viel zu lange, bis bei allen Beteiligten die
Groschen gefallen sind. Bei der diesjährigen Verleihung des Reporterpreises
konnte man so eine Zeitlupen-Groschen-Lawine live miterleben.
Als sich die Printjournalisten-Elite am Montagabend im Tipi am Kanzleramt
traf, um die besten Print- und Onlinestücke des Jahres zu ehren, stand eine
Frage bereits im Raum, noch bevor die Band aufspielte: Wo sind die Frauen?
Von den Nominierten, die im November bekannt gegeben worden waren: über
drei Viertel Männer.
Nun glaubte der Verein Reporterforum, der den Preis seit 2009 vergibt, sich
diesem Problem bereits gestellt zu haben: Die nominierten Texte werden
anonymisiert ausgewählt, wie sich Mitorganisator und Spiegel-Reporter Cordt
Schnibben im Vorfeld auf Twitter verteidigt hatte. Und obendrein sei die
Jury mehrheitlich weiblich. Immerhin, muss man sagen. Sagte man hie und da
auch.
Entsprechend gaben sich Schnibben und Moderator Claus Kleber am Montagabend
bei der Begrüßung ratlos. Wie konnte das sein, dass trotzdem so wenige
Frauen Preise bekamen? Foreshadowing: Am Ende des Abends standen 30
Preisträgern vier Preisträgerinnen gegenüber – davon zweimal als Teil eines
mehrheitlich männlichen Teams und einmal in einem geteilten Preis. Dazu
kommt ein Sonderpreis für die ermordete maltesische Journalistin Daphne
Caruana Galizia. Wie gesagt: immerhin.
Einzige alleinige Preisträgerin war die freie Journalistin Emilia
Smechowski. Sie erhielt den Preis für die beste freie Reportage für ihr
SZ-Portrait des Junge-Union-Chefs Paul Ziemiak. Und Moderator Kleber
stellte – immerhin – fest: Ohne die migrantische Perspektive Smechowskis
hätte ein solcher Text nicht entstehen können. Es ist also wichtig, wer
schreibt. Soso.
## Liegt das Problem bei den Redaktionen?
Leider kann aber auch eine mehrheitlich weibliche Jury nicht viel machen,
wenn sich in einer Kategorie wie „beste Kulturkritik“ nur männliche
Nominierte befinden. „Kulturkritik“ gewann übrigens Zeit-Autor Hanno
Rauterberg für eine Warnung vor dem Ende der Kunst durch postkoloniale
Überlegungen. Es war einer von zwei Texten über Political Correctness, die
prämiert wurden. Philipp Oehmke gewann „bester Essay“ für den Spiegel-Text
„Das PC-Monster“. Man könnte den Eindruck bekommen, deutsche
Vorzeigejournalisten begeisterten sich im Spektrum der
Antidiskriminierungsbetrebungen vor allem für deren extreme Ränder.
Es stimmt zwar, dass dem Reporterforum außer harten Quoten nicht viel übrig
bleibt, um Frauen zu fördern. Und Cordt Schnibben hatte Recht, als er am
Ende des Abends (inzwischen hatte ARD-Moderatorin Anja Reschke den
Women-Count übernommen und Spiegel-Kolumnist Sascha Lobo die Veranstaltung
als „Pimmelparade“ bezeichnet) darauf hinwies, dass eben nur ein Drittel
der Einreichungen von Frauen kämen und das Problem damit vor allem in den
Redaktionen liege.
Es wäre vielleicht auch falsch, Preise zu quotieren und damit ein
Wohlfühlbild herzustellen – anstatt dass Redaktionen dafür sorgen, dass
Frauen häufiger Spitzenpolitiker begleiten oder Großrecherchen übernehmen.
Schließlich kann ein Preis auch nicht für strukturelle Probleme in der
Branche verantwortlich gemacht werden.
Allerdings lässt die Gletscherhaftigkeit, mit der sich ein
Problembewusstsein bezüglich der Männerdominanz im Journalismus breitmacht
– im Allgemeinen wie im Kanzleramtstipi am Montagabend – daran zweifeln,
ob sich allein durch anonyme Auswahlverfahren und regelmäßige Appelle etwas
ändern wird.
Cordt Schnibben jedenfalls [1][twitterte] am Morgen: „Idee nach
durchdiskutierter und durchgesoffener Nacht: Reine Männerteams sind von der
Teilnahme an Journalistenpreisen ausgeschlossen #sonständertsichnix“.
Immerhin.
12 Dec 2017
## LINKS
[1] https://twitter.com/schnibben/status/940499722745339904
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
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