| # taz.de -- Journalismus und politische PR: Wir müssen diskutieren | |
| > Ein Text des Greenpeace-Magazins ist für den Reporterpreis nominiert. | |
| > Sollen Journalistenpreise auch an PR-ähnliche Publikationen gehen? | |
| Bild: Politische PR: Greenpeace weiß, wie Botschaften verbreiten werden | |
| Letzte Woche hat das Reporterforum die Nominierten für den diesjährigen | |
| Reporterpreis bekanntgegeben. In diesem Jahr ist in der Kategorie „Essay“ | |
| ein Text der Autorin Lena Niethammer nominiert. „Kontinent Europa“ erschien | |
| im August im Greenpeace-Magazin. | |
| Das Magazin erscheint bei der Greenpeace Media GmbH, einer Tochterfirma der | |
| weltbekannten Umweltschutzorganisation. Die Redaktion arbeitet unabhängig, | |
| auch wenn es vor einigen Jahren Überlegungen seitens der Mutter gab, | |
| direkten Einfluss auf die Themenauswahl zu nehmen. Ob das Magazin nun | |
| gleichzusetzen ist mit einer klassisch journalistischen Publikation oder ob | |
| es in den Bereich der politischen PR gehört, darüber lässt sich streiten. | |
| Und sollte man auch streiten. Denn immerhin transportiert das Magazin, | |
| unabhängig oder nicht, zweimonatlich die Marke „greenpeace“ auf seinem | |
| Cover. Damit hat das Heft unabhängig vom Inhalt einen Werbewert für die | |
| NGO. Einen Grund Niethammers Text vom Preis auszuklammern? | |
| Der Artikel ist eine Reise durch Europa, in der junge Menschen an | |
| politischen Brennpunkten zu Wort kommen – SeenotretterInnen auf Lampedusa, | |
| UnabhängigkeitsverfechterInnen in Edinburgh und Barcelona, polnische | |
| Frauen, die in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche durchführen lassen. Das | |
| Essay fordert die Standards der klassischen Reportage heraus, enthält eine | |
| starke Ich-Perspektive, erinnert fast an eine Art politischen Reiseblog. | |
| Das dürfte nicht allen schmecken. Dafür mindestens, aber auch für die | |
| packend geschriebene Geschichte hat der Text die Nominierung verdient. | |
| Darum geht es nicht. | |
| ## Journalisten machen keine PR | |
| Das Greenpeace-Magazin gehört zumindest formal zu den Corporate Media. Das | |
| sind Publikationen, die im Namen von Körperschaften erscheinen, die nicht | |
| zuvorderst journalistisch tätig sind. Bekanntestes Beispiel ist das Magazin | |
| mobil der Deutschen Bahn, aber auch die Zeitschrift Chrismon der | |
| evangelischen Kirche sowie diverse Supermarktmagazine und | |
| Unternehmensblogs. Unternehmen entdecken den Bereich immer häufiger und | |
| stellen fest, dass sie anstatt ihrer langweiligen Kundenmagazine auch | |
| spannende Publikationen mit qualitativ hochwertigen Texten verlegen können, | |
| die zuallererst das Informations- und Unterhaltungsbedürfnis ihrer | |
| LeserInnen befriedigen und – ganz nebenbei – auf positive Weise die Marke | |
| transportieren. Kommen diese Medien für einen journalistischen Preis | |
| infrage? Im Medienkodex des Netzwerk Recherche (NR) von 2006 heißt es | |
| kategorisch: Journalisten machen keine PR. Vom NR heißt es auf Nachfrage, | |
| man sehe im Fall Niethammer kein Problem, denn in dem Text könne man keine | |
| PR erkennen. Und doch erübrigt sich damit nicht die Frage: Sollten | |
| Journalistenpreise auch an Texte aus PR-ähnliche Publikationen gehen? | |
| „Es gibt keine Grundregeln beim Reporterpreis, aus welchen Publikationen | |
| Texte eingereicht werden dürfen und aus welchen nicht“, sagt | |
| Reporterpreis-Mitgründer und Ex-Spiegel-Reporter Cordt Schnibben der taz. | |
| Die Jury achte allerdings darauf, dass ein Text unabhängig ist. „Texte, von | |
| denen wir den Eindruck haben, sie könnten beeinflusst sein, da fragt die | |
| Jury dann auch noch mal nach.“ Im Fall des Greenpeace-Magazins und Lena | |
| Niethammer sieht Schnibben kein Problem, gibt aber zu, dass eine Debatte | |
| über die Grauzone zwischen unabhängigem Journalismus und politischer PR | |
| auch beim Reporterpreis aussteht. | |
| „Der Journalismus ist in Bewegung, in viele Richtungen. Vor ein paar Jahren | |
| noch hätten wir uns nicht vorgestellt, dass Medien wie Correctiv oder | |
| Bellingcat entstehen würden, denen man ja eine klare journalistische | |
| Mission unterstellen darf.“ Kurzum: Inwieweit Journalismus Politik aktiv | |
| gestalten soll und inwiefern es ihm untersagt ist, muss neu austariert | |
| werden. | |
| Festlegen kann das natürlich keine Verordnung, aber Journalistenpreise | |
| können eine Richtschnur sein. Schnibben schließt nicht aus, dass | |
| entsprechende Regeln in Zukunft auch beim Reporterpreis formuliert werden | |
| könnten. „Es kann sein, dass die Verschiebung im Journalismus so weit geht, | |
| dass wir in ein paar Jahren zu dem Schluss kommen: Wir müssen auf neue | |
| Produktionsformen und neue Medien reagieren. Das entscheiden dann aber | |
| nicht wir zentral, sondern die Vorjuroren diskutieren darüber.“ Eine | |
| Diskussion, mit der man natürlich auch anderswo schon mal anfangen könnte. | |
| 23 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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