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# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Von Leid zu Leid zu Prada
> Endlich mal die richtige Entscheidung beim Reporterpreis, das
> „Zeit-Magazin“ übertrifft sich selbst und Matthias Matussek will nicht
> zahlen.
Bild: Manchmal ist der Kapitalismus aber auch schön schlicht.
Hallo taz-Medienredaktion!
Nein, ich möchte nicht drüber sprechen, warum ich Montagabend nicht auf der
Verleihung des [1][Reporter-Preises] war. Ja, mir ist klar, dass du jetzt
tolle Infos hier erwartet hast. Ja, ich weiß, dass ich nun eine Reporterin
ohne Report bin. Ja, ich werde zum Rapport erscheinen. Wie gesagt, ich
möchte nicht drüber sprechen.
Sicher weiß ich, dass ich vor Kurzem einer etwas größeren Öffentlichkeit
die Nachricht aus der Bunten [2][weitergetragen habe], Sex schütze vor
Erkältung. Was ich zu meiner Verteidigung vorzubringen habe? Dass auch
nicht jeder, der über Diätrezepte schreibt, dünn ist. Wie gesagt, es tut
mir leid. Zumal endlich einmal der beste Text ausgezeichnet wurde und die
Jury nicht wieder ihren Willen zu Langeweile unter Beweis gestellt hat.
Dreimal war ich in der Vorjury und zweimal musste ich es erleben, dass die
Hauptjury so Ich-mach-alles-richtig-bin-aber-leider-komplett-boring-Texte
ausgezeichnet hat. Dieses Mal aber haben sie, zumindest in der Kategorie
„Essay“ die schillerndste Perle zu greifen verstanden: Wolfgang Uchatius’
Text „Jan Müller hat genug“. Voll kapitalismuskritisch. Voll krass super.
[3][Kannste nachlesen im Netz].
Auch voll krass super ist die Fotostrecke des Zeit Magazins von letzter
Woche. Schwarz-Weiß-Bilder des [4][Fotografen Paolo Pellegrin], von
Menschen aus dem Gazastreifen, die vor fünf Jahren einen schweren
Luftangriff überlebt haben. Fotos von Menschen, die ihre Familie verloren
haben oder ihre Beine. Fotos von Kindern, die der Schmerz ihrer Narben
nicht schlafen lässt. Fotos, von Menschen, die einem das Glück
vergegenwärtigen, nicht sie zu sein. Nicht aus diesem Land zu kommen. Aus
diesem Krieg.
Fotos und kleine Texte, die einem augenblicklich bewusst machen, dass es
noch ein anderes Leben gibt, neben dem warmen und trockenen, das wir hier
in Deutschland führen. Und dann, während man sich von Leid zu Leid
blättert, das nicht länger zulässt, so zu tun, als ginge es einen nichts
an, eine Anzeige. Hell, bunt, rosa, lieblich. Von Prada. Parfüm. Fünf
Seiten später die eines Juweliers. Ein reiches Bilderbuchpaar, darüber die
Worte „Traum / Ewigkeit“, sie trägt eine Uhr für 125.000 Euro. Und es fä…
in einen hinein, wie ein Schock.
## Unser fehlgeleitetes Leben
Nicht häufig ist eine Werbung unpassender, schmerzender, zynischer. Und
nicht häufig führt Werbung so vollendet vor, wie fehlgeleitet wir unser
Leben führen, wie blödsinnig es ist, diesen Dingen nachzuhechten und zu
glauben, es sei Parfüm oder eine Uhr, die man zum Leben bräuchte. Die
Absurdität unseres Trachtens, die billige Flucht in Güter wurde selten so
auf den Punkt gebracht, wie durch die Werbung inmitten dieser
Pellegrin-Fotos. Ich bin mir nur nicht sicher, ob das im Sinne der
Anzeigenkunden ist. Aber der Effekt ist enorm.
Ich möchte den Zeit-Magazin-Machern für ihr geschicktes Statement danken.
Und vorschlagen, dass die Strecke mitsamt der Werbung beim nächsten
Lead-Award für die Geschicklichkeit in der Platzierung einer Aussage
ausgezeichnet wird.
So, und bevor ich mich nun wieder meinem Wick Medinait zuwende, will ich
noch schnell das Neueste von Matti erzählen. Du erinnerst dich, Matthias
Matussek, der Mann, der erreicht hat, dass Kurt Krömer ihn Butterblümchen
nennen darf, [5][ich aber nicht]. Der ärgert sich wie Bolle über das Kölner
Landgericht, das ihm in seinem Bestreben, mir die Aussage zu untersagen,
zwar recht gegeben hat, aber möchte, dass er die Hälfte der Kosten trägt.
Also nicht ich ganz viel und er nur ein Krümelchen. Dagegen geht Matti
jetzt vor.
Ja, was soll ich sagen?! Bleibt nur: Und damit zurück nach Berlin!
3 Dec 2013
## LINKS
[1] http://reporter-forum.de/index.php?id=158
[2] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/silke-burmester-ueber-sex-a-93638…
[3] http://www.zeit.de/2013/10/DOS-Konsum
[4] http://www.zeit.de/2013/49/fotograf-paolo-pellegrin-gazastreifen-israel-bom…
[5] /Kolumne-Die-Kriegsreporterin/!127340/
## AUTOREN
Silke Burmester
## TAGS
Bunte
Matthias Matussek
Die Kriegsreporterin
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Matthias Matussek
Susanne Gaschke
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