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# taz.de -- Koalitionsvertrag in Niedersachsen: Das Geld sitzt locker
> Die niedersächsische Groko will den Wolf jagen und den Diesel schützen.
> In den kommenden Jahren wollen die Parteien Milliarden Euro ausgeben
Bild: Harte Gangart fürs Niedersachsenross beim Thema Justiz: Weil und Althusm…
HANNOVER | taz Zack. Da sitzen die Unterschriften drunter. Nur zwei Wochen
lang haben SPD und CDU in Niedersachsen ihren Koalitionsvertrag
ausgehandelt, dann noch schnell die Parteigremien zur Beratung hinzugezogen
und die meckernden Jusos überstimmt. Die hatten sich als Einzige lautstark
daran gestört, dass die SPD nun mit den einst verhassten Konservativen
koaliert – und dann noch nicht einmal die Ministerämter paritätisch
besetzt. Der Koalitionsvertrag ist nun trotzdem fix.
SPD und CDU wollen investieren: 1.000 neue Lehrer, bis zu 3.000 neue
Stellen bei der Polizei, gebührenfreie Kitaplätze im ganzen Land, eine
Milliarde Euro bis 2022 für den Masterplan Digitalisierung, der dafür
sorgen soll, dass auch das letzte Dorf in Niedersachsen Glasfaserkabel für
schnelles Internet bekommt.
Für den Mittelstand soll es Gründungsstipendien im Wert von zwei Millionen
Euro pro Jahr geben. Dazu kommen noch 1,5 Milliarden Euro für den Ausbau
der Ganztagsschulen und auch die Landeszentrale für politische Bildung soll
besser finanziert werden.
Das Geld sitzt dank üppiger Steuermehreinnahmen locker. Laut der
November-Steuerschätzung des bisherigen Finanzministers Peter-Jürgen
Schneider (SPD) hat das Land allein in diesem Jahr rund 720 Millionen Euro
mehr als erwartet. Die Koalition verpflichtet sich denn auch trotz der
Investitionen, „keine neuen Schulden“ zu machen und den „Einstieg in die
Tilgung von Altschulden“ anzustreben. Das aber ist dem Bund der
Steuerzahler nicht genug.
Die zusätzlichen Gelder würden nahezu komplett verplant, der Schuldenabbau
bleibe zu vage, sagte der Landesvorsitzende des Verbandes, Bernhard
Zentgraf. „Ich befürchte, dass diese Schieflage der Groko die Steuerzahler
am Ende teuer zu stehen kommt.“
Kritik kommt auch vom Nabu
Auch der Naturschutzbund Nabu kritisiert den Vertrag. SPD und CDU wollen
nicht nur den Autobahnbau voranbringen und Lücken, etwa bei der A26
zwischen Jork und Hamburg schneller schließen, sondern auch den
Jade-Weser-Port ausbauen, obwohl der bisher nicht ausgelastet ist. Der Nabu
nennt das in einer Pressemitteilung „naturzerstörende Projekte“.
In der Landwirtschaft will die große Koalition am Tierschutzplan der beiden
Vorgängerregierungen festhalten und den Einsatz von Antibiotika in Ställen
weiter verringern. Am Anfang des Kapitels steht aber ein anderer Punkt: Die
Partner wollen einen „konsensualen Maßnahmenkatalog“ erarbeiten, der eine
„höhere gesellschaftliche Akzeptanz moderner bäuerlicher Landwirtschaft zum
Ziel hat“.
Seitdem Tierschützer regelmäßig Fotos von schlechten Haltungsbedingungen
veröffentlichen und der Tierschutz eine größere gesellschaftliche Relevanz
hat, fühlen sich viele Landwirte vorverurteilt.
Der Nabu wolle sich gern an einer Debatte über eine neue Ausrichtung der
Landwirtschaft in Niedersachsen beteiligen, sagte der Landesvorsitzende
Holger Buschmann. „Sollte es allerdings nur um ein ‚Greenwashing‘ der
derzeitigen umweltschädigenden Praktiken gehen, steht der Nabu hierfür
nicht zur Verfügung.“
An den Pelz will die Groko überdies dem Wolf. Tiere, die wiederholt Schafe
oder Rinder gerissen haben, sollen zukünftig erschossen werden dürfen.
Dafür will die Koalition eine rechtliche Grundlage schaffen. Um die
Deichschäfer zu entlasten, sollen „wolfsfreie Gebiete nach dem Vorbild
Finnlands und Schwedens“ geprüft werden. Und wenn dem Wolf, wie vom Land
beabsichtigt, ein „günstiger Erhaltungszustand“ attestiert wurde, sollen
die Raubtiere ins Jagdrecht aufgenommen werden.
Diesel ja, Schariagerichte nein
Mehr Schonfrist gewähren SPD und CDU dem Diesel. Für das streng geschützte
Kraftfahrzeug soll es keine Fahrverbote geben. Die Koalitionäre setzen
stattdessen auf „intelligente Verkehrssteuerung“.
Eine härtere Gangart legen die Parteien beim Thema Justiz ein.
„Schariagerichte werden wir nicht dulden“, schreiben SPD und CDU und
bringen damit lediglich eine angstbeladene Debatte in den Koalitionsvertrag
ein.
Konkret wird es allerdings, wenn SPD und CDU allen Richterinnen,
Schöffinnen und Staatsanwältinnen das Tragen eines Kopftuches im
Gerichtssaal verbieten wollen. Zwar hat der Europäische Gerichtshof im März
geurteilt, dass so ein Verbot am Arbeitsplatz legitim sein kann, dem Grünen
Helge Limburg fehlt aber die Gleichbehandlung: „Wer das Kopftuch verbietet,
muss auch andere religiöse Symbole verbieten.“ Sonst werde der Islam
diskriminiert.
Auf 138 Seiten Koalitionsvertrag blieb neben solchen
gesellschaftspolitischen Debatten aber am Ende auch noch Platz für die
schönen Dinge: „Wir wollen uns dafür einsetzen, dass ein Schiff der Marine
den Namen ‚Niedersachsen‘ trägt“, schreiben SPD und CDU.
Heute wollen die Mitglieder der Groko damit beginnen, diese Ideen in die
Tat umzusetzen. Die neue Regierung kommt im Landtag zum ersten Mal
zusammen. Auf der Tagesordnung steht die Wahl des Ministerpräsidenten
Stephan Weil (SPD).
22 Nov 2017
## AUTOREN
Andrea Scharpen
## TAGS
Bernd Althusmann
Landtagswahl in Niedersachsen
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Autobahn
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