# taz.de -- Stephan Weil über Wahl in Niedersachsen: „Ich leide nicht an Aus… | |
> Für Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ist die Wahl am Sonntag | |
> „offen“. Eine GroKo sieht er kritisch. Die SPD müsse sich ändern. | |
Bild: Trotz Schietwetter optimistisch für die Wahl: SPD-Spitzenkandidat Stepha… | |
taz: Herr Weil, warum sollte CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann auf | |
keinen Fall Ministerpräsident werden? | |
Stephan Weil:Seine politische Arbeit in Niedersachsen als Kultusminister | |
bis 2013 ist vielen Köpfen in Erinnerung – und zwar in keiner guten. Sein | |
Name steht für das Turbo-Abitur, für einen ideologischen Kampf gegen | |
Gesamtschulen und für rechtswidrige Praktiken beim Aufbau des | |
Ganztagsbetriebs. Das reicht. | |
Aber nach den momentanen Umfrageergebnissen wird er doch die Große | |
Koalition anführen, oder nicht? | |
Dann wüsste die taz mehr als ich. Wir liegen in den letzten Umfragen | |
gleichauf, das Rennen in Niedersachsen ist offen. Ich halte alles, was | |
jetzt über mögliche Ergebnisse und Konsequenzen gesagt wird, für eine reine | |
Spekulation. Eins kann man allerdings sagen: Die Beziehung zwischen den | |
beiden großen Parteien Niedersachsens ist deutlich belastet. | |
Wegen des Wechsels von Elke Twesten? | |
Nein. Elke Twesten war nur das i-Tüpfelchen. Wenn ich einen Vergleich | |
ziehe, dann muss ich sagen, dass die FDP für uns inhaltlich wahrscheinlich | |
die unangenehmere Opposition gewesen ist. Sie hat uns als Regierung ganz | |
gewiss nichts geschenkt, hat es aber stets auf eine Art und Weise gemacht, | |
dass da im zwischenmenschlichen Bereich nichts hängen geblieben ist. Die | |
CDU dagegen leidet unter dem Missverständnis, sie sei so etwas wie eine | |
geborene Regierungspartei. | |
Nach der letzten Wahl haben Sie den Wahlkampf als Werbung für die | |
Demokratie bezeichnet. Was hat sich verändert? | |
Der Landtagswahlkampf 2017 ist schon von dem undurchsichtigen Kippen einer | |
Entscheidung der Wählerinnen und Wähler von Rot-Grün zu Schwarz-Gelb | |
geprägt. Und keine 48 Stunden später startete eine ziemlich bösartige | |
Kampagne einer großen deutschen Sonntagszeitung gegen mich. | |
Ihnen wurde vorgeworfen, eine Regierungserklärung mit VW abgesprochen zu | |
haben. | |
Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass da nichts dran war. Dass wir | |
während der Verhandlungen mit den amerikanischen Behörden öffentliche | |
Äußerungen vonseiten VW-Juristen haben prüfen lassen, war den Landesmedien | |
und den Abgeordneten seit mehr als einem Jahr bekannt. Und wenn man einmal | |
diese berühmte Regierungserklärung liest, dann kann man alles Mögliche | |
darin finden, aber keine Schönfärberei. | |
Wie haben Sie die letzten Wochen weggesteckt? | |
Der August war wirklich sehr hart. Dieser Doppelschlag in so kurzer Zeit | |
war meines Erachtens kein Zufall. Das war ja auch medial eine richtige | |
Welle. Aber jetzt ziehe ich mit Feuereifer rauf und runter, kreuz und quer | |
durch Niedersachsen. | |
Haben Sie die Sorge, nachdem Sie mit Ihrer Landesregierung gescheitert sind | |
… | |
Einspruch. Wir sind mitnichten als Landesregierung gescheitert. Wir haben | |
die Mehrheit verloren. | |
Haben Sie Sorge, dass Ihre Regierung nach außen so instabil wirkt, dass | |
Ihnen die Wähler nicht noch einmal ihre Stimme geben? | |
Ich nehme da noch mal Bezug auf die letzten Umfragen. Ich bin nicht sicher, | |
ob die Initiatoren dieses Fraktionswechsels immer noch der Meinung sind, | |
das sei eine richtig gute Idee gewesen. Es ist auffällig, dass die | |
niedersächsische SPD weit vor den Werten der Bundes-SPD liegt. Eine | |
zweistellige Differenz im Vergleich zum Bund hat es hier noch nie gegeben. | |
Und es ist auch auffällig, dass mein Herausforderer von der CDU von einem | |
Monat auf den anderen bei der Direktwahlfrage zehn Prozentpunkte verloren | |
hat. Das ist für einen Oppositionskandidaten schon fast ein Kunststück. | |
Die SPD wurde auf Bundesebene von den Wählern abgestraft. Warum sollte sich | |
das nicht in Niedersachsen wiederholen? | |
Die Wählerinnen und Wähler unterscheiden genau zwischen Bundes- und | |
Landespolitik. Die Zufriedenheit mit der Landesregierung ist den Umfragen | |
zufolge hoch. Von einer Wechselstimmung ist nichts zu spüren. | |
Warum bezweifeln Sie öffentlich, dass die SPD in den nächsten vier Jahren | |
auf Bundesebene regierungsfähig wird? | |
Das ist sehr wohl mein Ziel. Wenn wir es als Partei schaffen, wieder als | |
die Zukunftspartei in Deutschland wahrgenommen zu werden, und auch bereit | |
sind, uns selbst zu ändern, dann können wir auch im Jahr 2021 wieder | |
mehrheitsfähig sein. Die Basis dafür sind aber nun einmal die 20 Prozent | |
der letzten Bundestagswahlen, deswegen ist das eine schwierige Aufgabe. | |
Und in Niedersachsen? Ist Rot-Rot-Grün da eine Option für Sie, um an der | |
Macht zu bleiben? | |
Schon 2013 habe ich gesagt, dass ich nicht unter Ausschließeritis leide. | |
Aber ich gebe mir persönlich die größte Mühe, dafür zu sorgen, dass die | |
Linke wieder unter 5 Prozent bleibt. | |
Sie wollen auch die AfD aus dem Landtag halten. Setzen Sie die Parteien | |
damit nicht irgendwie gleich? | |
Nein. Das hat einen völlig anderen Hintergrund. Ich bin weit davon | |
entfernt, die Linke mit der AfD gleichzusetzen. Die AfD ist | |
fremdenfeindlich und spaltet die Gesellschaft. | |
In Niedersachsen schicken CDU und SPD wieder zwei Männer ins Rennen. Wäre | |
es 2017 nicht an der Zeit gewesen, dass mal eine Frau das Land führt? | |
Das ist am Ende eine Frage der Personalfindung in der jeweiligen Partei. | |
Ich kann nur sagen, wie es in der SPD gewesen ist: Meine Partei hatte | |
offenbar den Eindruck, dass ich das in den letzten Jahren ganz anständig | |
gemacht habe. | |
Trotzdem ist es so typisch alte Verhältnisse. | |
Ja, da haben Sie leider recht. Ich sehe es mit einer gewissen Sorge, dass | |
es auch der niedersächsischen SPD nicht ausreichend gelingt, junge Frauen | |
in aussichtsreiche Positionen zu bringen. | |
Woran liegt das? | |
Sicherlich auch an den Männern in der Organisation. Gelegentlich wünschte | |
ich mir auch, dass insbesondere die jüngeren Frauen selbstbewusster und | |
fordernder auftreten. Etwas, was man bei jüngeren Männern sehr viel | |
häufiger erlebt. | |
Sie haben vor Kurzem gesagt, dass Sie den Familiennachzug von Geflüchteten | |
kritisch sehen. Warum? | |
Das kann man so nicht sagen. Mir leuchtet ein, dass es nicht gut ist, wenn | |
Familien zwangsweise getrennt bleiben. Bezogen auf Deutschland müssen wir | |
allerdings die Möglichkeit haben, die Zahl und den Zeitraum so zu | |
gestalten, dass wir mit den damit verbundenen Integrationserfordernissen | |
auch wirklich gut klarkommen. | |
Niedersachsen hat als erstes Bundesland eine negative Wohnsitzauflage für | |
die Stadt Salzgitter beschlossen. Kein Asylbewerber, der Geld vom Staat | |
erhält, soll mehr an den Harzrand ziehen. Warum? | |
Weil sich Salzgitter in einer Ausnahmesituation befindet. Die Stadt hat den | |
mit Abstand höchsten Anteil von Geflüchteten in der eigenen Bevölkerung in | |
Niedersachsen. Ich habe mir das vor Ort angeguckt. Es ist für alle | |
Beteiligten kein guter Zustand, wenn eine Kindertagesstätte nur noch von | |
Kindern mit Migrationshintergrund besucht wird. Unter solchen Bedingungen | |
ist es wirklich schwer, von Integration zu sprechen. Ich halte nichts | |
davon, dass man die Augen vor real existierenden Problemen verschließt. | |
Sie sind mit dem Anspruch angetreten, eine humanere Asylpolitik umsetzen zu | |
wollen. Heute gibt es wieder unangekündigte Nachtabschiebungen. Haben Sie | |
sich zu viel vorgenommen? | |
Nein, die Ansprüche sind nach wie vor dieselben. Aber die Rechtsgrundlage | |
hat sich auf Bundesebene geändert. Zudem muss mit der höheren Zahl an | |
Zuwandererinnen und Zuwanderern zwangsläufig auch die Zahl der | |
Abschiebungen steigen. | |
Auch nach Afghanistan? | |
Wir sind von den Konservativen scharf dafür kritisiert worden, dass wir | |
Menschen nur dann nach Afghanistan abgeschoben haben, wenn sie sich zuvor | |
in Deutschland mit erheblichen Straftaten hervorgetan haben. Jetzt verfährt | |
der Bund übrigens auf die gleiche Weise. | |
Die CDU hat mit der Forderung nach einer Atempause bei der Inklusion die | |
Bildung zum Wahlkampfthema gemacht. Wie will die Landesregierung dem Unmut | |
vieler Eltern über die mangelnde Förderung von Kindern mit Behinderung | |
begegnen? | |
Ich bin relativ viel in den Schulen unterwegs und höre ganz | |
unterschiedliche Reaktionen. Wir befinden uns am Anfang eines Prozesses. Es | |
wäre ganz falsch, wenn man die Inklusion jetzt stoppen würde. Wir müssen | |
die Inklusion stattdessen stetig besser machen. Zum Beispiel haben wir | |
gerade 650 pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur gezielten | |
Entlastung von Lehrkräften eingestellt. | |
Was würde es für die Kinder bedeuten, die schon in den Regelschulen sind, | |
wenn man das Ganze für ein Jahr stoppen würde? | |
Von den Betroffenen wird das als enormer Rückschlag empfunden. Ich glaube | |
nicht, dass irgendeine Landesregierung sich wirklich trauen würde, an | |
dieser Stelle das Rad zurückzudrehen. | |
Also leere Worte von Herrn Althusmann? | |
Das glaube ich, ja. | |
Was wollen Sie Ihrem Konkurrenten beim TV-Duell am 10. Oktober sagen? | |
Ich werde meine eigene Politik darstellen und mich nicht an Herrn | |
Althusmann abarbeiten. | |
9 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Andrea Scharpen | |
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