# taz.de -- Ärztemangel auf dem platten Land: Studienplätze für Landärzte | |
> Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will Medizin-Studienplätze für | |
> Bewerber reservieren, die sich verpflichten, Landarzt zu werden. | |
Bild: Soll in Niedersachsen verhindert werden: Landarztmangel | |
ROSTOCK taz | Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat | |
wenige Tage vor der Landtagswahl die Einführung einer Landarztquote ins | |
Spiel gebracht, um den drohenden Ärztemangel zu bekämpfen. Nach seiner | |
Vorstellung könnten bis zu zehn Prozent der Medizin-Studienplätze künftig | |
an Studierende vergeben werden, die sich verpflichten, nach ihrem Abschluss | |
für zehn Jahre als Allgemeinmediziner im unterversorgten ländlichen Raum zu | |
praktizieren. | |
„Das ist rechtlich möglich und von der Sache her geboten“, sagte Weil. | |
Während es in ländlichen Regionen zu wenig Ärzte gebe, würden sich diese in | |
den Städten konzentrieren. „Wenn sich das nicht in überschaubarer Zeit | |
durch Anreizprogramme der Kassenärztlichen Vereinigung ändert, werden wir | |
eine Landarztquote in der medizinischen Ausbildung in Niedersachsen | |
einführen“, kündigte er an. | |
## Jeder dritte Arzt steht vor dem Ruhestand | |
Etwa ein Drittel der niedersächsischen Hausärzte werde in den kommenden | |
Jahren in den Ruhestand gehen, sagte der Sprecher der Kassenärztlichen | |
Vereinigung Niedersachsen (KVN), Uwe Köster: „Wir werden nicht mehr jede | |
Praxis wiederbesetzen können, das ist ganz klar.“ Bereits jetzt fehlen ihm | |
zufolge 370 Ärzte, um eine Vollversorgung im Land sicherzustellen. | |
Eine Unterversorgung habe aber bisher durch Anreizprogramme flächendeckend | |
verhindert werden können. Als unterversorgt gelten demnach Regionen, in | |
denen der Versorgungsgrad unter 75 Prozent fällt. Es sei wichtig, Mediziner | |
zu gewinnen, die auch wirklich Landärzte werden wollten. Eine | |
Zwangsverpflichtung lehnt die KVN daher als „nicht zielführend“ ab. | |
Weils Vorschlag selbst ist nicht neu: Er entspricht einem Kernpunkt des | |
sogenannten Masterplans 2020 zur Reform des Medizinstudiums, den Bund und | |
Länder im März verabschiedet hatten. Darin heißt es unter anderem, dass den | |
Ländern die Einführung einer Quote ermöglicht werden solle. Bis zu zehn | |
Prozent der Studienplätze könnten sie vorab an Bewerber vergeben, die sich | |
verpflichten, danach für zehn Jahre im ländlichen Raum zu arbeiten. | |
Auch abseits möglicher Quotenregelungen soll die Bedeutung der Abiturnote | |
bei der Studienplatzvergabe sinken, stattdessen sollen soziale und | |
kommunikative Fähigkeiten stärker gewichtet werden. Wie genau das umgesetzt | |
und finanziert werden soll, ist noch offen. Eine Expertenkommission solle | |
Detailfragen klären und die Vorschläge im Oktober 2018 vorlegen, sagte ein | |
Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. | |
Eine Änderung der bisherigen Vergabepraxis für Studienplätze würde auch die | |
KVN begrüßen: „Wir verschleudern Potenzial, das wir an den Unis | |
unterbringen könnten“, sagte Köster. Mit einer Landarztquote und anderen | |
Vergabekriterien allein sei es aber nicht getan. Es müsse wieder mehr | |
Medizin-Studienplätze geben. | |
Mit seinen Vorschlag bringt Weil auch ein staatliches Steuerungsrecht bei | |
der Medizinerausbildung ins Spiel. Da diese pro Kopf „wahrscheinlich eine | |
Viertelmillion Euro“ koste, dürfe der Staat auch steuern, wo die Ärzte | |
später arbeiteten. „Wenn sich die Betreffenden ihrer Verpflichtung | |
entziehen, sollte es eine Rückzahlungspflicht geben“, sagte er. | |
Über die genaue Höhe müsse noch diskutiert werden. Auch für die KVN sei es | |
„legitim, die Frage nach Kompensation zu stellen“, wenn die Verpflichtung | |
nicht erfüllt werde. „Ob sich das so umsetzen lässt, ist eine andere | |
Frage“, sagte Köster. | |
## Der Numerus Clausus steht ohnehin zur Disposition | |
Unabhängig von den Reformplänen wird die Vergabe von Medizin-Studienplätzen | |
derzeit vom Bundesverfassungsgericht überprüft. Im Mittelpunkt steht die | |
Frage, ob das derzeitige Vergabeverfahren mit seiner Fokussierung auf die | |
Abiturnote mit dem Grundrecht auf freie Berufswahl und dem | |
Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist. | |
Derzeit werden 40 Prozent der Studienplätze je zur Hälfte nach Abiturnote | |
oder Wartezeit vergeben, wobei heute ein Notendurchschnitt von 1,0 bis 1,2 | |
oder eine Wartezeit von bis zu siebeneinhalb Jahren erforderlich ist. | |
Die restlichen 60 Prozent werden direkt über Auswahlverfahren an den | |
Hochschulen vergeben, bei denen jedoch ebenfalls die Abiturnote starken | |
Einfluss hat. Insgesamt stehen nach Angaben des Gerichts derzeit 62.000 | |
Bewerber rund 11.000 Plätzen gegenüber. Mit einer Entscheidung wird in | |
einigen Monaten gerechnet. | |
5 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Hannes Stepputat | |
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