| # taz.de -- Bernd Althusmann über Landtagswahl: „Ich bin da sehr optimistisc… | |
| > Niedersachsens Herausforderer von der CDU möchte weniger Inklusion und | |
| > mehr Einschränkungen für Flüchtlinge. Das Turbo-Abi will er nicht | |
| > zurückholen. | |
| Bild: Bernd Althusmann bei einer Debatte mit Jugendlichen | |
| taz: Herr Althusmann, was können Sie besser als Ministerpräsident Stephan | |
| Weil? | |
| Bernd Althusmann: Ich glaube, dass ich entscheidungsfreudiger bin und die | |
| richtigen Zukunftsthemen setzen kann. Ich habe eine klare Vorstellung | |
| davon, wie sich unser Land in den nächsten zehn Jahren entwickeln soll, | |
| damit es zu einem der Spitzenländer in Deutschland wird. | |
| Bei den Wählern kommt das bisher nicht an. Wie gehen Sie damit um, dass Sie | |
| laut Umfragen nicht sonderlich beliebt sind? | |
| Der Bekanntheitsgrad des Herausforderers ist immer deutlich niedriger. Das | |
| war damals bei Herrn Weil genauso. Er war weit abgeschlagen hinter David | |
| McAllister. Insofern sehe ich alle Chancen, dass wir am Ende als CDU | |
| stärkste Kraft in Niedersachsen werden. | |
| Warum sind Sie dann in Ihrem eigenen Wahlvideo fast nicht zu sehen? | |
| Das Wahlvideo soll Botschaften senden. Für Niedersachsen sind Themen wie | |
| Infrastruktur oder Energie besonders bedeutsam. Und am Ende geht es um den | |
| Zusammenhalt in der Gesellschaft. Es ist nicht ausschließlich ein | |
| Althusmann-Video, sondern auch eine Sympathiewerbung für die CDU. | |
| Glauben Sie, dass Ihnen die Niedersachsen die Einführung des Turbo-Abiturs | |
| immer noch übel nehmen? | |
| Es war ein Beschluss aller Bundesländer, das Abitur nach zwölf Jahren | |
| anzubieten, auch der SPD-geführten. Insofern wundere ich mich über manche | |
| Distanzierung von der gemeinsamen Vergangenheit. Ich gebe aber zu, dass die | |
| Einführung des verkürzten Abiturs nach zwölf Jahren nicht optimal gelaufen | |
| ist. Es wird deshalb keine Rückabwicklung geben. Wir werden jetzt bei | |
| dreizehn Jahren bleiben. | |
| Aber einen Rückschritt wollen Sie bei der Inklusion machen, die Sie ja | |
| selber eingeführt haben. | |
| Nein, im Gegenteil, wir wollen einen Fortschritt machen. Wir wollen die | |
| Inklusion mit Augenmaß umsetzen und nicht als Turbo-Inklusion, um das Wort | |
| nochmal aufzugreifen. Dazu gehört, dass wir auch ein paralleles System von | |
| Förderschulen anbieten. Die Inklusion droht in Niedersachsen vor die Wand | |
| zu fahren. Das liegt an der fehlenden personellen und inhaltlichen | |
| Ausstattung und vor allen Dingen an der schlechten Vorbereitung der Lehrer | |
| auf das große Thema Inklusion. | |
| Ihr Vorschlag, eine einjährige Atempause bei der Inklusion einzulegen, wird | |
| von Verbänden heftig kritisiert. | |
| Ich glaube, dass die Unruhe an unseren Schulen ganz wesentlich mit der | |
| schlechten Umsetzung der Inklusion zu tun hat. An dieser Stelle müssen wir | |
| ansetzen und uns Zeit nehmen. Ich habe davor gewarnt, die Inklusion mit der | |
| Brechstange durchzusetzen. Ich habe gesagt, dass wir uns mindestens zehn | |
| Jahre Zeit dafür nehmen müssen. Zur Zeit fehlen rund 1.200 Sonderpädagogen. | |
| Aber was soll in diesem Jahr mit den Schülern passieren, die bereits an | |
| eine Regelschule gehen? | |
| Wir setzen die Inklusion ja nicht aus, sondern wir werden dieses eine Jahr | |
| nutzen, um uns einen klaren Überblick über den derzeitigen Stand der | |
| Inklusion zu verschaffen. Das Ziel der amtierenden Landesregierung ist, die | |
| Inklusion zu einem Regelschulsystem werden zu lassen. Das halte ich für | |
| fachlich falsch. Es ist vernünftiger, den Kindern auch den geschützten Ort | |
| einer Förderschule zu bieten – und damit auch die Wahlfreiheit der Eltern | |
| zu gewährleisten. | |
| Und die betroffenen Schüler? | |
| Es bleibt natürlich am Ende das Wahlrecht der Eltern. Nur die müssen auch | |
| eine echte Auswahlentscheidung treffen können. | |
| Sie versprechen den Eltern auch eine Unterrichtsgarantie. Wie wollen Sie | |
| das umsetzen, wenn bundesweit Lehrer fehlen? | |
| Die generelle Aussage, dass überall Lehrer fehlen, ist so nicht korrekt. Es | |
| fehlen Lehrer in bestimmten Mangelfächern und um die müssen wir werben. | |
| Außerdem werden wir gerade im berufsbildenden Bereich verstärkt auf | |
| Seiteneinsteiger setzen müssen. | |
| Das ist das, was Rot-Grün gerade macht… | |
| Ja, aber das haben wir auch schon gemacht. Seiteneinsteiger sind keine | |
| Erfindung von Rot-Grün. Wir müssen besser darin werden, den Meister oder | |
| den Ingenieur für den Schuldienst zu gewinnen. | |
| Ihr Wahlslogan lautet „nach vorne“. In der Asylpolitik haben Sie eine Rolle | |
| rückwärts angekündigt: Warum wollen Sie mehr Abschiebungen und eine | |
| sofortige Wiedereinführung der Wohnsitzauflage für Geflüchtete? | |
| Ich spreche mich dafür aus, um Ansammlungen von Menschen mit anderen | |
| Kulturen in bestimmten Regionen unseres Landes zu verhindern und zu einer | |
| gerechteren Verteilung zu kommen. Eine konsequente Flüchtlingspolitik heißt | |
| eben, den Menschen, die wirklich Schutz bedürfen, Schutz zu geben – für den | |
| Zeitraum des Krieges. In Niedersachsen leben 20.000 Menschen, die keine | |
| Bleibeperspektive haben und deren Verfahren abgeschlossen sind. Die müssen | |
| wir konsequenter abschieben. | |
| In alle Länder? | |
| Wir werden auch die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklären. | |
| Dafür wird es eine Initiative Niedersachsens geben. Und für Afghanistan | |
| gilt die Antwort der Bundesregierung: In einigen Regionen Afghanistans gibt | |
| es sehr wohl ruhigere und sicherere Räume. | |
| Sind Sie für die Wiedereinführung von Sachgutscheinen statt Bargeld für | |
| Geflüchtete? | |
| Ich halte in den ersten Monaten des Verfahrens, in denen unklar ist, ob | |
| überhaupt eine Bleibeperspektive besteht oder wenn offensichtlich ist, dass | |
| diese auch nicht entstehen wird, Sachleistungen für das geeignetere Mittel. | |
| Für sich selbst Entscheidungen zu treffen, wo man lebt und wofür man sein | |
| Geld ausgibt, das hat doch auch was mit Menschenwürde zu tun. | |
| Ich glaube, es gibt kaum ein Land, das so stark auf die Achtung der | |
| Menschenwürde schaut wie Deutschland. | |
| Die harte Asylpolitik trennt Sie von den Grünen. Schließen Sie eine | |
| Jamaika-Koalition für Niedersachsen komplett aus? | |
| Alle demokratischen Parteien müssen miteinander sprechen können. Sollten | |
| wir einen Regierungsauftrag erhalten, werden wir mit allen demokratischen | |
| Parteien bis auf die Linken und die Rechtspopulisten der AfD, falls sie den | |
| Landtag erreichen, ein Gespräch führen. | |
| Aber die Linken sind doch demokratisch. | |
| Ich unterscheide nicht zwischen Rechts- und Linkspopulisten. Sie werden | |
| verstehen, dass ich mir als CDU-Vertreter schwerlich vorstellen kann, mit | |
| den Linken Gespräche über denkbare Optionen zu führen. | |
| Auf Bundesebene hat die CDU massiv Stimmen verloren. Auch in Niedersachsen | |
| fällt Ihre Partei in den Umfragen. Haben Sie Sorge, dass sich das schlechte | |
| Ergebnis wiederholt? | |
| Also, Umfragen nehme ich zur Kenntnis. Aber ich setze nicht auf | |
| Augenblicksstimmungen, sondern auf gezählte Stimmen am 15. Oktober nach 18 | |
| Uhr. Und dann werden wir sehen, was machbar und möglich ist. Ich bin da | |
| sehr optimistisch. | |
| Sie haben in Ihrem Schattenkabinett sieben männliche und fünf weibliche | |
| Minister. Warum hat es doch nicht für eine paritätische Verteilung | |
| gereicht? | |
| Wir haben mit Düzen Tekkal sogar eine zusätzliche Staatssekretärin für das | |
| Thema Integration angekündigt. Wir werden im Bereich der Staatssekretäre | |
| für ein ausgewogenes Verhältnis in der gesamten Landesregierung sorgen. | |
| Aber in der ersten Reihe nicht. | |
| Zählt man die neun bestehenden Ministerien und das Amt des | |
| Ministerpräsidenten zusammen, haben wir die Parität. Es soll lediglich zwei | |
| weitere Positionen geben, die wir im Falle einer Regierungsübernahme zu | |
| Ministern aufwerten würden: den Chef der Staatskanzlei und den Leiter der | |
| Landesvertretung in Berlin. | |
| S ie haben auch eine mögliche Wirtschaftsministerin vorgeschlagen. Trotzdem | |
| würde sie, bekäme die CDU die Mehrheit, entgegen der gängigen Praxis nicht | |
| im VW-Aufsichtsrat sitzen. Trauen Sie ihrer eigenen Wirtschaftministerin | |
| nicht genügend Expertise zu? | |
| Natürlich traue ich ihr das zu. Letztendlich geht es aber um ein Signal der | |
| Landesregierung an die Mitarbeiter bei VW. Wir stehen zum VW-Gesetz und | |
| wollen den 20-Prozentanteil halten. Aber ich möchte eine deutliche | |
| Professionalisierung des Managements dieses Anteils hinbekommen und deshalb | |
| einen unabhängigen Experten als zweites Mitglied in den Aufsichtsrat holen. | |
| Sie haben gegen Stephan Weil gepoltert, weil er eine Rede mit VW | |
| abgesprochen hat. Danach kam heraus, das haben CDU und FDP genauso gemacht. | |
| Nein, CDU und FDP haben das nicht genauso gemacht. Es gab immer | |
| Abstimmungen zwischen dem Konzern und der Landesregierung. Das ist auch | |
| völlig normal, wenn es um Zahlen, Daten und Fakten geht. Wenn aber in einer | |
| Situation wie der Aufklärung des Dieselskandals dem Konzernvorstand | |
| Regierungserklärungen zum Gegenlesen gegeben werden, halte ich das nach wie | |
| vor für ein denkbar schlechtes Signal. Das wird es mit mir nicht geben. | |
| Am 10. Oktober treffen Sie Stephan Weil beim TV-Duell. Was wollen Sie ihm | |
| sagen? | |
| Ich werde ihn fragen, warum er es in Niedersachsen viereinhalb Jahre | |
| versäumt hat, das Land ernsthaft nach vorne zu bringen. | |
| 10 Oct 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Andrea Scharpen | |
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